„Weihnachten ist ein großes Zeichen der Hoffnung“

„Weihnachten ist ein großes Zeichen der Hoffnung“
Foto: Julia Schnizlein
  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 16.11.2023
  • Drucken

Julia Schnizlein ist evangelische Pfarrerin in der Lutherischen Stadtkirche in Wien, Innere Stadt. Für sie ist Weihnachten keineswegs die stillste Zeit des Jahres. Wie man den Geist von Weihnachten trotzdem spüren kann, erzählt sie im Interview.

Wie ist Weihnachten für eine Pfarrerin? 

Die stillste Zeit? Definitiv nicht. Wie in vielen anderen Berufen stehen auch für mich als Pfarrerin zu Weihnachten viele Termine an: Weihnachtsandachten, Weihnachtsfeiern mit den KonfirmandInnen, Feiern in Altersheimen – und die Vorbereitung auf das Weihnachtsfest selbst. Heiligabend fällt heuer auf einen Sonntag, was eine besondere Herausforderung ist. In der Früh feiern wir unseren regulären Gottesdienst und wie an jedem 4. Advent schmücken wir an dem Tag als Gemeinde gemeinsam den Christbaum. Es sind alle eingeladen, etwas mitzubringen. Dann gibt es drei weitere Gottesdienste am 24. Dezember sowie jeweils einen am ersten und am zweiten Weihnachtsfeiertag. Dann habe ich erst einmal ein paar Tage Pause.

Sie haben selbst eine Familie, sind Mutter zweier Töchter – sehen Sie diese zu Weihnachten überhaupt?

Ich halte ja nicht alle Gottesdienste, sondern habe einen Kollegen, mit dem ich mir das teile. Und meine Familie ist in die Feierlichkeiten integriert. Meine kleine Tochter spielt im Krippenspiel mit, die große ist ebenfalls dabei. Aber Entspannung mit der Familie und das Gefühl, frei zu haben, das ist nicht wirklich möglich. Darin liegt für mich als Pfarrerin die Herausforderung: Ich kann nicht ganz loslassen, weil es nach dem Heiligabend noch weitergeht. 

Welche Bedeutung hat die Weihnachtszeit für die Menschen in Ihrer Gemeinde?

Ich finde es wichtig und sehe es auch als meine Aufgabe, dem Ganzen eine Bedeutung zu geben. Es gibt viele, die sagen: „Weihnachten ist für mich der Moment im Jahr, wo ich weiß, dass alles gut ist. Weil der Baum wie immer steht, die Kekse wie immer duften und wir dieselben Lieder singen wie immer.“ Das ist berechtigt – aber zu wenig. Darüber hinaus steht die Adventzeit für eine große Zeit der Hoffnung, ein kollektives Entgegenfiebern auf einen Termin, an dem man es sich im besten Fall schön macht. Weihnachten und Advent sind ein Zustand: Wir erwarten uns etwas – auch vom Leben. Insofern ist Weihnahten ein großes Zeichen der Hoffnung. 

Ist dieses Erwartungsvolle für Sie der „Geist“, der „Spirit“ von Weihnachten?

Darin steckt für mich der Geist des Advents: im Entgegenfiebern. Ich glaube, zu Weihnachten – darin steckt vielleicht auch etwas von seinem Geist – ist es wichtig, dass nicht alles perfekt sein muss. So wie Jesus damals in diesem verrückten Stall unter diesen schlimmen Bedingungen zur Welt gekommen ist, kommt Gott zu uns, kommt in die Welt inmitten von Chaos, inmitten alles Schlechten.

„Advent sollte eine Zeit zum Innehalten sein.“

Kann man diese Spiritualität in den Alltag mitnehmen?

Es gibt jedes Jahr die gleichen Aufrufe, aber ich denke, sie sind auch berechtigt: die Weihnachtszeit, und wenn es nur zehn Minuten am Tag sind, bewusst zu genießen. Es ist schön, wenn die Lichter leuchten. Es nervt nicht nur, dass Menschen auf der Straße sind, diese emsige Vorfreude hat auch etwas Schönes. Advent sollte eine Zeit zum Innehalten sein. Aber auch wenn man es nur diese zehn Minuten lang schafft, zu überlegen, was gut ist und worauf man sich freut, hat man schon ganz viel Advent im Alltag.

Wie könnten wir die Adventszeit bewusster erleben?

Wir haben viele schöne Rituale, etwa den Adventskranz. Das Symbol, das dahintersteht, jede Woche eine Kerze mehr anzuzünden – nämlich, das Schöne kommt näher, es wird heller in meinem Leben –, das können wir mehr zelebrieren. Also, nicht nur gedankenlos eine Kerze anzünden, sondern überlegen: Was möchte ich noch heller machen? Worauf freue ich mich? Wir haben gute Hilfsmittel an der Hand, die wir nur nutzen müssen. Auch für den Adventkalender gibt es schöne Sachen: Sprüchekalender mit einem schönen täglichen Spruch, vielleicht einem Bibelspruch. All das macht uns die Adventzeit bewusster.

Stört oder freut es Sie, dass viele Menschen nur an Weihnachten in die Kirche gehen?

Zu sagen, es stört mich gar nicht, wäre komisch. Ich freue mich über jeden und jede, der oder die auch öfter in die Kirche kommt. Aber ich finde es ein ganz wichtiges Zeichen, zu sagen, dass die Kirche vielleicht keinen Platz im Alltag hat, aber Weihnachten ganz fest dazugehört. Vielleicht ist dieser eine Tag im Jahr auch ein Grund, in der Kirche zu bleiben. Deshalb ist es mir auch so wichtig, dass der Tag wirklich schön wird. An Weihnachten sind in Summe 1.500 Menschen in unserer Kirche. Das ist natürlich eine riesengroße Chance. Und darüber freue ich mich. Ich bin niemand, die sagt: „Wenn ihr sonst nicht kommt, bleibt bitte auch an Weihnachten weg.“ Im Gegenteil: Ich freue mich, wenn ihr kommt!

 

Weitere Informationen:

stadtkirche.at / juliandthechurch.com Instagram: @juliandthechurch