Zwischen Marmelade, Staubzucker und klebrigen Händen

Zwischen Marmelade, Staubzucker und klebrigen Händen
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  • Veröffentlicht: 29.11.2023
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Planen, organisieren, managen: Wenn die Anzahl der offenen Tabulatoren im Kopf ins Unermessliche steigt, geht die Festtagsstimmung leicht verloren. Wie wir Weihnachten dennoch finden können.

Ich befinde mich an einem Ort, den ich zusammen mit Hallenbädern und Indoorspielparks glasklar als Hölle auf Erden bezeichnen würde: in einem Einkaufszentrum in der Vorweihnachtszeit. Reizüberflutung soweit das Auge reicht, meine Nase riecht und die Lauscher hören. Daher meine Strategie: schnell alles erledigen und dann weg von diesem überladenen Ort des Grauens.

Leider repräsentiert genau diese Szene sehr trefflich, wohin sich das Fest der Liebe in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat. In einen Rausch aus Konsum, Überfluss und Schein. Aufgeblasen, verpackt und zugestellt. Obwohl oder gerade weil wir in einem nie dagewesenen Wohlstand leben, waren wir noch nie so weit vom weihnachtlichen Grundgedanken entfernt. In solchen Momenten spüre ich förmlich meine Sehnsucht nach Reduktion.

Weniger ist mehr

Es ist bereits dunkel, als ich halbwegs zufrieden ins Auto hüpfe. Vier von fünf Erledigungen kann ich für heute abhaken. Die kühle Luft schafft kurz Erleichterung, bevor mir einfällt, was an diesem Tag noch ansteht. Endlich die Lichterketten aufhängen, das wünscht sich eines der Kinder. Die Weihnachtspost fertig schreiben, damit ich sie rechtzeitig abschicken kann. Kekse zusammenpicken, die Kinder wollen morgen welche ins Tanztraining mitbringen. Ein langer Abend steht bevor.

Die Anzahl der offenen Tabulatoren in meinem Mamagehirn steigt im Advent auf ein Ganzjahreshoch. Es gibt so viel zu bedenken, organisieren und managen, dass das System einige Wochen am Rande des Absturzes wandelt. Bloß den Käse fürs Raclette nicht vergessen. Haben wir noch Spritzkerzen zu Hause? Ich hab noch keine Idee fürs Wichtelgeschenk! Das Haus! Es schaut aus, als hätte eine Horde RäuberInnen darin gewohnt, überall Spinnweben und Staub. Hoffentlich ist es Weihnachten trüb, dann bringt die verräterische Wintersonne meine schmutzigen Fenster weniger zur Geltung …

„Weihnachten fand damals in einem Stall statt. Kalt, dreckig und notdürftig. Was genau machst du hier eigentlich?“

Manchmal ertappe ich mich mit solchen Gedanken. Fast amüsiert erinnere ich mich dann selbst: „Weihnachten fand damals in einem Stall statt. Kalt, dreckig und notdürftig. Was genau machst du hier eigentlich?“ An weniger guten Tagen wühlt mich der Gedanke zusätzlich auf. An besseren Tagen entspannt er mich. Weil ich gezwungen bin, mich zu fragen, was ich von alldem wirklich brauche, um ein schönes Fest zu haben. Das führt mich direkt zu meiner Familie, ihren Wünschen und Bedürfnissen, und im Gespräch stellt sich oft heraus: Es ist viel weniger, als ich denke.

Ein Fest, das unser Herz füllt anstatt unserer Schränke

Zu Hause angekommen schleiche ich mich zur Türe rein, um nicht erwischt zu werden. Auch wenn alle im Haushalt (mit Ausnahme der Katze) wissen, wer das Christkind ist, freue ich mich, sie unterm Baum überraschen zu können. Noch so ein bescheuertes Ideal, das ich selbst erfüllen mag. 

Als alles versteckt ist, treffe ich zwei der Kinder in der Küche. „Wollen wir gemeinsam Kekse zusammenpicken?“, fragt eines von ihnen. Und während wir mit klebrigen Fingern und Tüten das Spritzgebäck mit eingekochten Köstlichkeiten aus dem Garten befüllen, lassen wir uns von der Weihnachtsplaylist einlullen und schlürfen ein wenig Tee dazu. Der Tisch gleicht dann einem Schlachtfeld, Staubzucker verziert den Boden und Schokospuren reichen bis auf die Terrasse hinaus – aber die Arbeit ist getan. Obendrein gab es noch Zeit zum Quatschen, die in unserem dichten Familienalltag manchmal rar ist.

„Da wird es mir bewusst. Es war gerade da. Zwischen Marmelade, Staubzucker und klebrigen Händen: Weihnachten.“

So wünsch ich mir das: ein Fest, das mein Herz füllt anstatt unserer Schränke. Momente der Zuwendung anstatt heimlicher Betriebsamkeit, sei sie auch noch so gut gemeint. Das Kleine und Unvollkommene schätzen können, anstatt auf Knopfdruck am Heiligen Abend die Magie aus dem Hut zu zaubern.

Da wird es mir bewusst. Es war gerade da. Zwischen Marmelade, Staubzucker und klebrigen Händen. Fast hätt’ ich es nicht erkannt. Weil der 24. Dezember ja noch einige Tage entfernt ist. Weihnachten. 

Wir finden es überall und jederzeit, wo wir …

… besprechen statt erwarten

Reden wir darüber, was für uns zu einem gelungenen Advent gehört, und laden wir den 24. Dezember nicht übermäßig auf.

… gemeinsam statt einsam sind

Aufteilen und gemeinsames Erledigen kann Verbindung schaffen. Egal, ob beim Weihnachtsgebäck, der Deko oder beim Kartenbasteln.

… weniger statt mehr wählen

Mein Mann und ich schenken uns seit vielen Jahren nichts (und zwar wirklich nichts), außer einem selbstgemachten Billett. Dafür spenden wir an ausgewählte Organisationen und somit für Menschen, denen es nicht so gut geht. Wenn die Abmachung nicht nur eine Worthülse ist, klappt das wunderbar.

… Mensch statt PerfektionistIn werden

Unvollkommen, mangelhaft und bedürftig kam Jesus zur Welt und es macht gar nichts, wenn unser Weihnachten heute auch Spuren davon enthält. Je weiter weg vom Perfektionismus, desto menschlicher.

… lebendig statt berechnend bleiben

Der Zauber von Weihnachten lässt sich überall und jederzeit entdecken. Nicht nur am 24. Dezember. Wir brauchen nur unsere Augen, Ohren und Herzen dafür öffnen.