Ab Mitte 30 werden Frauen häufig mit unangenehmen Fragen zur Kinderplanung konfrontiert. Fragen, die gerade bei unerfülltem Kinderwunsch Druck auslösen. Dabei ist das Alter nur einer von vielen Faktoren. Welchen Einfluss haben Ernährung, Bewegung und Stress auf die Fruchtbarkeit? Wann ist eine ärztliche Abklärung ratsam? Und was hat es mit Kinderwunsch-Yoga auf sich?
„Grundsätzlich ist das Schwangerwerden etwas Natürliches, nicht umsonst spricht man oft von der natürlichsten Sache der Welt“, stellt Reproduktionsmedizinerin Christina Allerstorfer klar. Sie betreut Paare mit unerfülltem Kinderwunsch am Kinderwunschzentrum Linz und betont: Wenn Paare schwanger werden wollen, ist es wichtig, sich von Anfang an gut vorzubereiten und einige Punkte abzuklären. Die Rede ist von „Prepare for Pregnancy“.
Was bedeutet „Prepare for Pregnancy”?
Übersetzt beschreibt der Begriff vorbereitende Maßnahmen, die bereits vor Eintritt einer Schwangerschaft getroffen werden können. Dazu gehört neben einem möglichen Gespräch mit der Gynäkologin/dem Gynäkologen des Vertrauens etwa die Einnahme von Folsäure. Denn das B-Vitamin ist laut Studien in der Lage, das Risiko für Fehlbildungen des Nervensystems – darunter Neuralrohrdefekte wie Spina bifida, im Volksmund „offener Rücken“ genannt – zu senken. Allerstorfer empfiehlt weiters einen Blick in den eigenen Impfpass, ob alle notwendigen Impfungen – vor allem Röteln, Masern und Windpocken – aktuell sind.
Auch die Werte der Schilddrüse sollte man genauer unter die Lupe nehmen. Denn sowohl eine Über- als auch eine Unterfunktion können Einfluss auf Zyklusstörungen nehmen und erhöhen das Risiko einer Fehlgeburt. Außerdem spielen Schilddrüsenhormone eine zentrale Rolle für die geistige und körperliche Entwicklung des ungeborenen Kindes. Darüber hinaus rät die Expertin, den eigenen Lebensstil einer Prüfung zu unterziehen.
Welchen Einfluss hat der Lebensstil?
Unbestritten ist: Während das Alter einen wichtigen Faktor darstellt, ist unsere Lebensweise ebenso von Bedeutung für eine Schwangerschaft. So ist beispielsweise bekannt, dass sich neben übermäßigem Koffein- und Alkoholkonsum sowie Rauchen vor allem Übergewicht kontraproduktiv auf eine mögliche Schwangerschaft auswirken kann. „Übergewicht beeinflusst die Fruchtbarkeit auf vielen Ebenen. Unter anderem kommt es häufig zu Zyklusstörungen, welche das Schwangerwerden erschweren können“, erklärt Allerstorfer. Sie rät bei Kinderwunsch zu einer ausgewogenen Ernährung, die sich an der mediterranen Küche orientiert. Während auf rotes Fleisch und generell auf gesättigte Fettsäuren möglichst verzichtet werden sollte, sind antioxidantienreiche Lebensmittel, Fisch und viel Gemüse besonders empfehlenswert.
„Wir alle sollten Stress abbauen. Aber das ist leichter gesagt als getan.“
„Außerdem wissen wir, dass Bewegungsmangel und Stress große Faktoren sind.“ Gerade letzterer stellt viele in der heutigen Zeit vor große Herausforderungen. Ungebetene Ratschläge wie „Entspann dich doch einfach mal“ werden nicht nur als unangebracht empfunden, sie steigern den inneren Druck meist sogar noch mehr. Das weiß auch Allerstorfer: „Ich werde oft gefragt: Soll ich Stress abbauen? Ja. Wir alle sollten Stress abbauen. Aber das ist leichter gesagt als getan.“
Wie sinnvoll ist Kinderwunsch-Yoga?
Eine beliebte Methode, sich Zeit für sich und den eigenen Körper zu nehmen und dabei unter anderem Stress zu reduzieren, ist Yoga. Verena Metzler begleitet seit über drei Jahren Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch. Die zertifizierte Expertin für Frauengesundheit bietet unter anderem ganzheitliche Kinderwunschkurse an.
Frau Metzler, wie kam es dazu, ein eigenes Kinderwunsch-Yoga-Angebot zu schaffen?
Als ich vor einigen Jahren zum ersten Mal von Kinderwunsch-Yoga hörte, dachte ich: „Was es nicht alles gibt!“ Zur gleichen Zeit erfuhr ich nach und nach, wie viele Paare Schwierigkeiten hatten, schwanger zu werden. Als ich dann zufällig auf eine Statistik über Fruchtbarkeitsprobleme stieß, war ich erstaunt, wie viele Paare diesbezüglich Schwierigkeiten haben. Deshalb habe ich Anfang 2021 eine Ausbildung zur „Fruchtbarkeitsyoga-Lehrerin“ gemacht. Denn mir wurde klar, dass es für Frauen mit unerfülltem Kinderwunsch nur sehr wenige Angebote gibt. Kurze Zeit später entwickelte ich meinen Online-Kinderwunsch-Yoga-Kurs, der auf große Resonanz stieß.
Wie gestalten sich diese Yogaeinheiten?
Wir starten meist mit einer Atemübung, da die Atmung ein sehr effektives Werkzeug ist, um in den Moment zu kommen. Im Anschluss folgt eine Reihe von Asanas, die dazu beitragen können, die Fruchtbarkeit zu verbessern und den Hormonhaushalt zu harmonisieren. Jede der Yogastunden beende ich mit einer Schlussentspannung, die oft auch von positiven Affirmationen begleitet wird. Im vergangenen Jahr habe ich mich zudem immer mehr auf Frauen, die sich gerade in einer Kinderwunschbehandlung befinden, spezialisiert.
„Wenn der Wunsch nach einem Baby so groß ist, die Schwangerschaft sich aber nicht einstellen will, beginnen viele Frauen, sich selbst zu hinterfragen.“
Wie unterscheiden sich diese Einheiten zu gängigen Yogakursen?
Im Kinderwunsch-Yoga werden ganz gezielt die besten Asanas für die Fruchtbarkeit ausgewählt. Es ist eine sehr sanfte Übungsmethode, die vor allem darauf ausgelegt ist, Stress zu reduzieren, das Hormonsystem sanft auszubalancieren und gleichzeitig die Durchblutung in der Gebärmutter und den Eierstöcken zu verbessern. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt ist außerdem die Beziehung zum eigenen Körper. Denn wenn der Wunsch nach einem Baby so groß ist, die Schwangerschaft sich aber nicht einstellen will, beginnen viele Frauen, sich selbst zu hinterfragen.
Gibt es Studien, die die Wirkung der Übungen belegen?
Es gibt ein paar kleinere Studien, die wirklich bemerkenswerte Erfolge durch das Üben von Kinderwunsch-Yoga aufzeigen. Diese – sowie auch meine Erfahrungen – zeigen, dass die Reduktion von Stress enorm wichtig ist. Weiters hilft Kinderwunsch-Yoga dabei, die Durchblutung der Fortpflanzungsorgane zu verbessern, was wichtig für den Transport von Nährstoffen ist. Für mich war die wichtigste Erkenntnis aus den vergangenen drei Jahren aber besonders: Frauen, die sich auf Kinderwunsch-Yoga einlassen, verbessern nicht nur die Beziehung zu sich selbst, sie fühlen sich allgemein wohler, können das Leben wieder mehr genießen und – das Allerschönste – in vielen Fällen endlich auch den zweiten Strich auf dem Schwangerschaftstest entdecken.
Wann ist eine genauere Untersuchung nötig?
Tritt bei einer Frau über 35 Jahren bei regelmäßigem Geschlechtsverkehr zum richtigen Zeitpunkt nach sechs Monaten keine Schwangerschaft ein, empfiehlt Allerstorfer, eine ärztliche Abklärung in Anspruch zu nehmen. Bei Frauen Anfang der Dreißiger ist dies nach einem Jahr unterfüllten Kinderwunsches empfohlen. Nach einer ausführlichen Anamnese können dann die notwendigen Untersuchungen geplant werden. Häufig sind zyklusabhängige Hormonbestimmungen sinnvoll, aber auch die Eileiter können mittels spezieller Ultraschalluntersuchung genauer beurteilt werden. Wichtig hierbei ist, auch beim Partner Untersuchungen durchzuführen, denn „wir wissen, dass der Anteil der Männer, deren Samenqualität nicht optimal ist, steigt“.
Welche medizinischen Behandlungen für Schwangerschaften gibt es?
Kommt es auf natürlichem Wege zu keiner Schwangerschaft, ziehen viele Paare eine künstliche Befruchtung in Betracht und suchen Kinderwunschzentren auf. Dabei ist diese nicht die einzige Methode, die zur Unterstützung angewandt werden kann:
- Verkehr zum Optimum: Vor allem bei Frauen mit unregelmäßigem Zyklus, etwa durch das PCO-Syndrom, bleibt oft der Eisprung aus. In einem ersten Schritt wird beim „Verkehr zum Optimum“ der Zyklus medikamentös so reguliert, dass es zu einem Eisprung und im Idealfall zu einer Schwangerschaft kommt.
- Insemination: Funktioniert diese erste Variante nicht oder liegt beispielsweise eine eingeschränkte Beweglichkeit der Samenzellen vor, gibt es die Möglichkeit der Insemination. Dabei wird der Samen des Partners aufbereitet und genau zum Zeitpunkt des Eisprungs in die Gebärmutter injiziert.
- Künstliche Befruchtung: Die dritte und aufwendigste Methode, aber auch die mit der höchsten Schwangerschaftsrate pro Versuch, beginnt mit einer Hormonbehandlung der Frau. Die dafür notwendigen Injektionen kann sich die Frau dabei selbst verabreichen. Anschließend werden Eizellen im Labor mit den Samenzellen des Partners befruchtet, sodass Embryonen entstehen. Diese werden schließlich in die Gebärmutter der Patientin eingesetzt. Diese Methode wird auch bei nicht durchgängigen oder fehlenden Eileitern angewendet.
- „Social Freezing“: Das Einfrieren von Eizellen, Samenspenden oder Embryonen zu dem Zweck, den Kinderwunsch zeitlich nach hinten zu verschieben, ist in Österreich verboten. „Gibt es allerdings einen medizinischen Grund, zum Beispiel Erkrankungen wie Endometriose oder Tumore, so ist das Einfrieren erlaubt“, so Allerstorfer. Auch hierfür gelte aber: je früher desto besser, um möglichst viele qualitativ hochwertige Eizellen zu erhalten. „Darum ist es immer wichtig, mit seinem Gynäkologen/seiner Gynäkologin offen über das Thema Kinderwunsch zu sprechen. So lässt sich abschätzen, ob es Umstände gibt, die vielleicht in der Zukunft den Eintritt einer Schwangerschaft erschweren könnten.“
- Kostentragung bei künstlicher Befruchtung
Entscheidet sich ein Paar für den Weg der künstlichen Befruchtung, sollte es sich jedenfalls der hohen Kosten bewusst sein, betont Allerstorfer. In Österreich gibt es keine Kostenerstattung durch die Krankenversicherung, sondern nur eine Unterstützung durch den sogenannten IVF-Fonds. Dieser ist unter anderem an eine Altersgrenze gebunden. So gibt es beispielsweise nur dann eine finanzielle Unterstützung, wenn die Frau nicht älter als 40 und ihr Partner nicht älter als 50 Jahre alt ist. „Diese Altersgrenzen sind leider in der Bevölkerung kaum bekannt. Vor allem der 40. Geburtstag der Frau ist jedoch immer wieder ein Grund, wegen dem Paare die Unterstützung des Fonds verlieren.“ Allerstorfer weist außerdem darauf hin, dass es wichtig ist, genügend Zeit einzuplanen, denn mit der Behandlung könne nicht beim Erstkontakt im Kinderwunschzentrum gestartet werden: Vor dem Beginn braucht es zunächst Untersuchungen und ein Aufklärungsgespräch. Danach gibt es eine gesetzlich festgelegte Frist, die nach dem Gespräch verstreichen muss, um die Kinderwunschbehandlung starten zu dürfen.