Veronika Dibiasi: „Da war diese Sehnsucht nach einer Fülle im Leben“

Veronika Dibiasi: „Da war diese Sehnsucht nach einer Fülle im Leben“
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  • Veröffentlicht: 25.03.2021
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Was bedeutet Sehnsucht für Sie? Worauf richtet sich Ihre Sehnsucht? Welche Sehnsucht hat sich für Sie in Ihrem Leben schon erfüllt? Unsere Leserinnen haben uns ihre Gedanken dazu geschrieben.

Die dreifache Mutter Veronika Dibiasi (46) ist Religionslehrerin für Katholische Religion an der Volksschule Vomp in Tirol. Sie fand in der Bibel einen neuen Zugang zur Sehnsucht.

Das Wort „Sehnsucht“ hat für mich zwei Komponenten: die eine, die positiv auf mich wirkt – das „Sehnen“, das mehr zum Wünschen hin tendiert. Und die andere, die „Sucht“, die das das Wort fast zu etwas Bedrohlichem verändert, denn mit Sucht verbinde ich jenen Zustand, der beinahe meinen Verstand ausschaltet, und der mich bereit sein lässt, alles Mögliche und Unmögliche zu tun, um meine Sucht zu stillen.

Und trotzdem begleitet mich dieses Wort „Sehnsucht“ schon fast mein ganzes Leben lang, auch wenn ich als Kind diesen Begriff noch nicht wirklich gekannt habe. Im Grunde ist und war mein bisheriges Leben von Sehnsucht geprägt, denn immer, in jeder Lebenslage, meldeten oder melden sich irgendwann Gefühle, die mir zeigen, es gäbe noch mehr als das, was ich bereits habe, erlebe, fühle …

Es geht mir gut mit den ganzen Schätzen, die mein Leben zu bieten hat, und ich lebe in einer Welt (auch mit den Einschränkungen durch Covid-19), die mir so viele Wege offen hält, wenn ich sie beschreiten wollte.

Vor einigen Jahren fragte ich mich, weshalb mein Denken und meine Gefühle nicht diese Erfülltheit erfahren und spüren, obwohl ich doch so vieles schon habe, das ich mir sehnlichst gewünscht habe: eine Familie mit meinem Mann und drei gesunden Kindern, eine gesicherte finanzielle Situation, ein Haus mit Garten, Sicherheit und Frieden, soziale Kontakte, wichtige Freundschaften u.v.m. Warum ist diese Sehnsucht nach Erfülltheit trotzdem da?

Mir kam immer wieder das Bibelwort in den Sinn: „Jesus sagte: […] ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10). Ich schaffte es sogar, meine Sehnsucht nach Fülle im Leben in Worte zu fassen und mich einer Freundin anzuvertrauen.

Dieses Gespräch veränderte einiges. Einerseits veränderte sich mein Blickwinkel von Sehnsucht nach dem, was nicht ist, auf Dankbarkeit auf das, was bereits schon da ist – und das war im wahrsten Sinne des Wortes eine „Fülle“.

Andererseits aber merkte ich, dass das, was ich habe, auch das, was ich bin, noch vertieft werden will. So entschloss ich mich mit 38 Jahren zu einem weiteren Studium, das neben Familie und anderen Verpflichtungen mit viel Aufwand möglich war. Ich wurde Religionslehrerin.

Nach sechs Jahren im Dienst kann ich sagen, dass dieser Beruf das ist, wonach ich mich gesehnt habe. Hier erlebe ich im Unterricht, der nicht nur Wissensvermittlung ist, eine Tiefe in Gesprächen mit Schülerinnen und Schülern, ein Vertrauen in mich als Lehrperson, das ich mir nie zuvor so vorstellen konnte, und die Weisheit von Kindern, die mich staunen und dankbar sein lässt.

Hätte ich diesen Schritt zum Studium nicht gewagt, hätte ich die Unterstützung durch meine Familie nicht erhalten, so würde mir diese berufliche „Fülle“ sehr fehlen. Ich bin in der glücklichen Lage, meine Sehnsüchte nach Freiheit, nach tiefer Freundschaft, nach Gottesnähe, nach Vertrauen und bedingungsloser Liebe immer wieder erfüllen zu können.

Manchmal wird mir diese Er-Füllung einfach so geschenkt, oft ganz unerwartet. Ich muss sie nur erkennen und dankbar annehmen. Manchmal aber braucht es auch Mut und Überwindung, selbst Schritte zu tun, um der eigenen Sehnsucht nachzugehen und sie zu erfüllen.

Welt der Frauen April 2021

 

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Foto: privat