Julia Langeneder fragt, warum finanzielle Selbstverantwortung auch in der Ehe so wichtig ist und wie Frauen dazu ermutigt werden können, mehr finanzielle Selbständigkeit zu entwickeln.
Hochzeiten werden oft mit sehr viel Aufwand geplant und gefeiert. Aber wie ist es mit dem Thema Finanzen, wird das von den Paaren genug berücksichtigt?
Bettina Zehetner: Nein. Wir machen in der Beratungsstelle immer wieder die Erfahrung: Der Vertrag der Eheschließung ist jener, der am seltensten gelesen wird, bevor man ihn unterschreibt. Viele kommen später mit dem Satz zu uns: „Ja, wenn ich das vorher gewusst hätte!“ Sie wussten nicht genau, was es heißt, eine Ehe oder eine Lebensgemeinschaft mit all den Regelungen bezüglich Vermögensteilung, Arbeitsteilung und Unterhalt einzugehen. Es lohnt sich also, sich vorher darüber zu informieren!
Petra Schuh-Wendl: Ich bin selbständige Finanzberaterin und zu mir kommen oft geschiedene Frauen, die sagen: „Hätte ich meine Ansprüche doch durchgesetzt oder besser durchgesetzt!“ Viele sind froh, wenn die Scheidung durch ist, und geben dafür oft nach. Bei manchen schaut es einigermaßen gut aus, bei manchen jedoch leider sehr traurig. Ich berate in diesen Fällen, möchte auf der anderen Seite aber auch junge Paare, die eine Familie gründen, sensibilisieren. Wenn die Frau sich großteils um die unbezahlte Arbeit kümmert, hat das Auswirkungen auf ihre Pension. Der Klassiker ist, dass beim weiblichen Part die Sparprozesse gestoppt werden, sobald Kinder kommen. Das hat mich so emotionalisiert, dass ich einen Blog gestartet habe.
Zehetner: Mit dem ersten Kind entsteht ein riesiges Ungleichgewicht aufgrund der unbezahlten Sorgearbeit. Wenn es zur Trennung kommt, schaut es für die Frauen oft bitter aus. Dass sie kurzfristig raus wollen aus einer quälenden Beziehung und dafür auf vieles verzichten, sehen wir auch oft. Die Altersarmut der Frauen kommt ja nicht zuletzt daher, dass sie auf Unterhalt verzichtet haben, daher auch keine Sozialhilfe und keine Mindestsicherung bekommen. Teilweise verzichten sie sogar auch auf die Alimente.
„In Sachen Finanzen finde ich auch die Selbstverantwortung wichtig und dass Frauen verhandeln lernen.“
Was raten Sie Frauen, um finanziell selbständig beziehungsweise abgesichert zu sein?
Schuh-Wendl: Ganz klar: dass sie die Verantwortung für die Finanzen nicht abgeben! Ich habe oft Frauen bei mir, die keine Ahnung haben, wie hoch die laufenden Kosten sind oder wie hoch eine Kreditrate ist, weil „eh alles der Mann macht“. Bescheid zu wissen und informiert zu sein, ist ein Grundcredo!
Zehetner: Es ist im Ehegesetz festgelegt, dass beide offenlegen, wie viel sie verdienen. Wenn der Mann etwa sagt: „Das geht dich nichts an!“, kann die Frau die Information einfordern. In Sachen Finanzen finde ich auch die Selbstverantwortung wichtig und dass Frauen verhandeln lernen: Man muss die eigenen Forderungen immer hoch ansetzen, damit man sich dann auf einen Kompromiss einigen kann.
Welche finanziellen Vorteile hat die Ehe im Vergleich zu einer Lebensgemeinschaft oder einer eingetragenen Partnerschaft?
Zehetner: Ehe und eingetragene Partnerschaft sind nach demselben Modell gemacht. Aus einer Lebensgemeinschaft entsteht nie ein Unterhaltsanspruch zwischen Partnern – egal, wie lange sie dauert. Bei der Ehe gibt es den Anspruch grundsätzlich schon, aber wir müssen ihn entweder einfordern, oder er hängt im Fall einer strittigen Scheidung auch vom Verschulden ab. Sollte die Frau allein schuldig geschieden werden, erhält sie nur in Ausnahmefällen Unterhalt. Bei überwiegendem Verschulden bekommt sie möglicherweise einen kleinen Unterhalt. Nur bei gleichteiligem Verschulden oder, wenn der Mann allein schuldig geschieden wird, hat sie den vollen Unterhaltsanspruch. Allerdings wird dieser immer seltener gewährt – einerseits ist Österreich sehr konservativ, andererseits geht man immer mehr davon aus, dass die Frau nach einer Scheidung und ohne zu betreuende kleine Kinder selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen soll. Die Rechtsprechung wiederholt also leider oft die Nichtanerkennung der unbezahlten Sorgearbeit. Darum sollte diese möglichst gerecht aufgeteilt werden, damit nicht ein Teil große finanzielle Nachteile hat.
Wissen Frauen über ihre Ansprüche Bescheid?
Zehetner: Frauen, die in die Beratung kommen, wissen oft nicht, dass aus einer Lebensgemeinschaft kein Unterhaltsanspruch entsteht. Sie haben die ganze Zeit Teilzeit gearbeitet, die gemeinsamen Kinder betreut und erhalten schließlich nichts dafür. Andererseits sind manche Frauen total vorsichtig nach dem Motto: „Ich kann doch nichts von meinem Ex-Mann fordern, nach der Ehe ist er doch nicht verantwortlich für mich!“ Aber er hat mit der Ehe einen Vertrag unterschrieben, demzufolge er einen Unterhaltsanspruch eingeht. Wäre er zuhause bei den Kindern geblieben, müsste die Frau jetzt an ihn zahlen.
Was raten Sie Frauen mit Heiratsplänen?
Zehetner: Sich darüber zu informieren, was diese Form des Zusammenlebens rechtlich bedeutet, und offen darüber zu sprechen: „Wie stellst du dir das Zusammenleben konkret vor, auch in Bezug auf bezahlte und unbezahlte Arbeit und Geld?“ Und allenfalls zur Frauenberatung zu gehen und mit einer außenstehenden Person zu reden.
Schuh-Wendl: Offenheit und Ehrlichkeit sind besonders wichtig. Es wird oft nicht wirklich über Geld gesprochen. Dabei wäre das so wichtig, schließlich ist das die Grundlage für finanzielle Selbständigkeit!
Frau Schuh-Wendl, wie haben Sie finanziell vorgesorgt?
Schuh-Wendl: Ich habe meine Vorsorge auf mehrere Standbeine gestellt: eine private Pensionsvorsorge und eine Immobilie mit passiver Mieteinnahme.
Wann sollte man mit einer privaten Vorsorge beginnen?
Schuh-Wendl: Am besten so bald wie möglich, denn der Zinseszinseffekt zahlt sich bei so langen Sparprozessen wirklich aus. Meine Tochter hat im ersten Lebensjahr von mir eine private Pensionsvorsorge bekommen.
Wie leben Sie Ihrer Tochter finanzielle Selbständigkeit vor?
Schuh-Wendl: Sie sieht und weiß, dass ich meinen eigenen Beruf habe, und sie sieht auch, wie wir in der Familie mit Geld umgehen. Auch bei meinen Eltern war Geld nie ein Tabuthema, es wurde immer ganz offen darüber gesprochen, daran kann ich mich noch gut erinnern. Meine Mutter sagte immer: „Du musst selbständig sein! Was du brauchst, musst du selbst verdienen.“
Zehetner: Das Sprechen über Geld ist total wichtig! In vielen Familien ist das ein Tabuthema. Wir haben immer noch nicht die Einkommenstransparenz, die notwendig wäre, damit wir irgendwann Equal Pay (Einkommensgleichheit zwischen Männern und Frauen) erreichen. Auch finanzielle Bildung in der Schule wäre wichtig. Geld ist sehr emotional besetzt. In der Beratung fragen wir gern: „Wie wurde bei Ihnen zu Hause über Geld gesprochen?“ Da kommen oft ganz eigenartige Antworten wie: „Ich darf nicht viel verlangen, das ist moralisch schlecht.“ Aber warum darf man nicht viel verlangen? Für eine Leistung will ich doch auch Geld verlangen. Es steht mir zu. Es ist wichtig, die eigene Arbeit wertzuschätzen.
„Altersarmut ist in Österreich kein Ammenmärchen und betrifft dreimal so viele Frauen wie Männer.“
Was raten Sie Frauen in Sachen Altersvorsorge?
Schuh-Wendl: Es gibt nur zwei Möglichkeiten: entweder das Pensionssplitting oder eine private Altersvorsorge. Altersarmut ist in Österreich kein Ammenmärchen und betrifft dreimal so viele Frauen wie Männer. Das rührt daher, dass viele Frauen in Teilzeit arbeiten, und hinzu kommt, dass Frauen häufig in schlechter bezahlten Branchen tätig sind. Das Pensionssplitting wird wenig in Anspruch genommen. Viele Frauen, die zu mir in die Beratung kommen, haben noch nie davon gehört.
Zehetner: Manche Frauen wissen nichts über das Pensionssplitting, andere sagen: „Das würde ich nicht tun.“ Gut wäre ein verpflichtendes Pensionssplitting.
Welche Themen erleben Sie häufig in Ihrer Beratung, wenn es um die Finanzen geht?
Zehetner: In Beratungen haben wir oft das Thema finanzielle Gewalt. Damit meine ich: Geld als Machtmittel und Druckmittel einzusetzen, um etwas zu erreichen und etwas gegen den Willen der Partnerin durchzusetzen. Zum Beispiel, wenn der Mann sich jeden Einkaufszettel zeigen lässt und kritisiert: „Du hast zu teuer eingekauft!“ Oder, wenn er seiner Frau den Zugang zum gemeinsamen Konto erschwert oder sie drängt, einen Kredit zu unterschreiben, obwohl sie nicht will. Oder er nützt sie als Arbeitskraft aus und entwertet sie: „Du trägst ja nichts bei.“ Diese Alarmsignale zu erkennen, würde auch zur finanziellen Bildung gehören.
„Es gibt bei Frauen eine große Scham, Geld anzunehmen.“
Gemeinschaftskonto, zwei Konten oder ein zusätzliches für die gemeinsamen Kosten: Was ist die beste Lösung?
Schuh-Wendl: Die meisten haben jeweils ein Gehaltskonto und dann noch ein Konto für die gemeinsamen Kosten. Als wir geheiratet haben, hat mein Mann mich gefragt: „Eröffnen wir ein gemeinsames Konto?“ Meine Antwort war: „Nein“, weil man damit rasch den Überblick verliert. Falls es ein Kostenkonto gibt, wäre es wichtig, die Kosten prozentuell nach dem jeweiligen Einkommen aufzuteilen.
Zehetner: Das unterstreiche ich fünfmal, denn viele Frauen denken, wenn sie in Karenz sind, müssten sie weiterhin auch die Hälfte der Miete zahlen. Natürlich nicht!
Schuh-Wendl: Es gibt aber auch Frauen, die darauf bestehen. Sie wollen sozusagen „ihren Mann stehen“ und trotz Karenz die Hälfte der Kosten übernehmen.
Zehetner: Aber „den Mann stehen“ heißt ja auch, auf sich zu schauen und sich nicht aufzuopfern. Oft ist es eine Frage der Existenzsicherung.
Schuh-Wendl: Ich habe erst gestern eine Diskussion mit einer Frau geführt, die in Karenz ist und etwas für ihre Pension tun sollte. Ihr Mann wäre bereit, für sie eine Pensionsvorsorge abzuschließen, aber sie will nicht. Was soll ich da machen?
Zehetner: Sie hat vielleicht andere Ideen von Gleichberechtigung. Ich frage in solchen Fällen immer: „Was müsste denn ihr Mann normalerweise für die Arbeit bezahlen, die Sie kostenlos leisten?“
Schuh-Wendl: Es gibt bei Frauen eine große Scham, Geld anzunehmen.
Zehetner: Scham ist ein wichtiges Thema bei Geld. Man kann das ja auch so sehen: In einer gleichberechtigten Partnerschaft bringt jeder etwas ein.
Schuh-Wendl: Es geht um Selbstwert und auch um Scham. Viele warten bei Geldproblemen lange zu, bevor sie jemanden um Hilfe bitten oder sich beraten lassen. Wenn sie früher Beratung oder Hilfe gesucht hätten, wäre der Schaden nicht so groß.
Wie wichtig ist ein Ehevertrag?
Zehetner: Zunächst zur Erklärung: Es ist nicht möglich, etwas zu vereinbaren, das nicht durch das ohnehin geltende Ehegesetz gedeckt ist. Einen Ehevertrag halte ich grundsätzlich für nicht so wichtig, es sei denn die Frau hat sehr viel Vermögen, das sie in die Ehe einbringt. Das Ehegesetz ist eigentlich ein recht gutes und faires, es muss nur auch gelebt und in der Rechtsprechung so judiziert werden. Wir haben das eingangs schon angesprochen: Viele Frauen verzichten freiwillig auf etwas, das ihnen zustehen würde – auf einen Teil des Unterhalts, auf Alimente, auf halbe-halbe Vermögensaufteilung. Sie tun dies aus unterschiedlichen Gründen: weil sie Druck haben, finanzielle Gewalt erleben und so weiter. Doch Frauen müssen in diesen Dingen ihren Standpunkt klar vertreten, auch Streitgespräche führen und sich eventuell auch Unterstützung durch eine anwaltliche Vertretung oder eine BeraterIn, die ihnen den Rücken stärkt, suchen.
Schuh-Wendl: Ein Ehevertrag lohnt sich eigentlich immer, denke ich. Ihn abzuschließen, ist zwar nicht sehr romantisch, aber wenn die Dinge von vornherein geklärt sind, ist es nachher einfacher.
Petra Schuh-Wendl, Finanzberaterin (finum.at), Bloggerin (esgehtumsgeld.at)
Bettina Zehetner, psychosoziale Beraterin bei Frauen* beraten Frauen* (frauenberatenfrauen.at)
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