Tamara Glück: Im Home-Schooling zur Roman-Autorin

Tamara Glück: Im Home-Schooling zur Roman-Autorin
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  • Veröffentlicht: 20.02.2021
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Die Gymnasiastin Tamara Glück (17) aus Wien nutzte ihre Freizeit während des digitalen Heimunterrichts zum Reflektieren der Welt und zum Schreiben ihres ersten Fantasy-Romans „Goldmond“.

Petra Klikovits: Tamara, du besuchst das katholische Privatgymnasium St. Ursula in Wien-Mauer und hast die Zeit des Home-Schoolings kreativ genützt, um deinen ersten Fantasy-Roman „Goldmond“ zu schreiben. Passierte das statt des Lernens für die Schule oder warst du im Home-Schooling unterfordert?

Tamara Glück: (lacht) Ich habe mit dem Schreiben des Buches schon vor dem ersten Lockdown begonnen, weil ich sehr fantasiebegabt bin und mir schon als Kind allerhand Geschichten einfallen habe lassen. In der Oberstufe habe ich dann begonnen, sie zu Papier zu bringen. Aufgrund des Home-Schoolings hatte ich nun mehr Zeit, um mein Buch zu finalisieren, weil ich mir die Schulwege und teilweise auch das Lernen für Schularbeiten und Tests ersparte. Diese Extra-Zeit habe ich fürs Schreiben genutzt. Im Heimunterricht habe ich mich natürlich voll auf die Schule und den Lernstoff konzentriert. Ich bin ja ein bisschen eine Streberin! So nebenher einen Roman tippen – das wäre sich nicht ausgegangen.

Andere Kinder und Jugendliche waren mit dem Home-Schooling überfordert, auch wenn sie zu den „digitalen Natives“ zählen, die mit Computer und Internet aufwachsen.

Das stimmt. Einigen machte vor allem die Umstellung vom analogen aufs digitale Lernen zu schaffen. Ich kenne mich mit der Computer-Arbeit zum Glück ganz gut aus, habe drei Jahre in der Schule das Freifach „ECDL“ besucht. Außerdem sind Schülerinnen und Schüler in den höheren Klassen schon selbstständiger als jüngere Kinder. Sie können sich ihre Aufgaben schon allein einteilen und wissen, wie sie zu arbeiten haben. Natürlich bin ich auch privilegiert. Ich habe nette Eltern, die mich immer gefördert haben – meine Mutter ist Lehrerin, mein Vater Safety-Manager bei „Bosch“. Ich muss mit niemandem streiten, weil ich Einzelkind bin. Und ein eigenes Zimmer habe ich auch. Darüber hinaus bin ich von Natur aus ein strukturierter und disziplinierter Mensch, der ein gutes Augenmaß dafür hat, wann was dran ist. Das sind gute Rahmenbedingungen fürs Home-Schooling.

„Die Wohlhabenden, die Eliten, werden sich diverse Erfindungen leisten können, während die Armen hart schuften müssen. Auf deren Schultern wird dieser Konflikt ausgetragen. Dieses Problem müssen wir jetzt schon lösen, nicht erst dann, wenn es sich zugespitzt hat. Es ist ja bereits gegenwärtig!“
Tamara Glück

Von dieser neuen Selbstständigkeit werdet ihr Kinder und Jugendlichen nicht nur auf einer Fachhochschule oder Universität profitieren!

Das sehe ich auch so. Vor allem bekommen wir dadurch ein neues Gefühl, wie viel wir schaffen können – und was wir nicht schaffen. Das ist für die eigene Selbsteinschätzung sehr wichtig. Klar gibt es Leute, die daran verzweifeln und zerbrechen. Es kommt ja beim Lernen auch sehr viel auf die Motivation und die Stimmung an. Ich kann absolut nachvollziehen, wenn manche sagen: „Es geht gar nichts mehr!“ Man kann nicht immer motiviert sein. Mir ist es Gott sei Dank ganz gut gelungen.

Zurück zu deinem Buch „Goldmond“, das vom Klimawandel handelt. Um diesen aufzuhalten, wird die Menschheit in zwei Gruppen geteilt: in die Sterblichen und die Unsterblichen, zu denen die Adeligen gehören. Die junge sterbliche Elena muss in einer Fabrik arbeiten, um das Auskommen ihrer Familie zu sichern. Doch eines Tages fällt ihr bei einem Unfall der unsterbliche Leander vor die Füße. Elena eilt ihm zu Hilfe, bald kommen sie sich näher. Doch eine kriminelle Organisation nimmt die beiden ins Visier und so müssen die Liebenden um ihr Leben kämpfen. Dabei taucht Elena in Leanders futuristische Welt der fliegenden Autos und sprechenden Roboter ein. So utopisch ist dieses Szenario gar nicht mehr, oder?

Nein! Wir steuern darauf zu! Das war ein Grund, warum ich den Roman geschrieben habe. Fliegende Autos – das ist die Zukunftsvision. Und sprechende Roboter sind jetzt schon im Einsatz. Es gibt Leute, die sich einen nachhause bestellen und dann nach sechs Wochen Test-Zeit ganz traurig sind, weil sie ihn wieder hergeben müssen und so sehr darunter leiden, als hätten sie ihr Kind verloren. Auch in österreichischen Altersheimen werden bereits Roboter-Robben zum Streicheln eingesetzt, weil das Demenzkranken hilft. Die sind süß!

Trotzdem muss man solche Entwicklungen auch kritisch beleuchten. Der Stoff meines Buches ist also ganz und gar nicht abgehoben, sondern liefert einen Ausblick, wie das Leben in zirka 100 Jahren sein könnte. Die Wohlhabenden, die Eliten, werden sich diverse Erfindungen leisten können, während die Armen hart schuften müssen. Auf deren Schultern wird dieser Konflikt ausgetragen. Dieses Problem müssen wir jetzt schon lösen, nicht erst dann, wenn es sich zugespitzt hat. Es ist ja bereits gegenwärtig! Es gibt Leute, die sich für drei Milliarden Euro eine Villa kaufen, während andere zeitgleich in überschwemmten Zelten frieren und eh schon nicht mehr wissen, wo sie hinsollen. Stichwort Kara Tepe.

Ich habe die Befürchtung, dass sich an diesem sozialen Gefälle nichts ändern wird. Dass Menschen sich weiterhin alles rausnehmen und sich bereichern, wenn sie die Chance dazu haben. Meiner Ansicht nach ist das der falsche Zugang. Deshalb ist es nicht abwegig, dass wir tatsächlich dort enden werden, wo wir in meinem Roman enden. Es gibt nämlich weit mehr Probleme als die Coronakrise! Das Lösen von Problemen liegt in der menschlichen Natur, aber auch das Kreieren von Problemen – absichtlich oder unabsichtlich – das kommt auf die Perspektive an. Das zeige ich in meinem Buch auf, auch wenn darin eine Liebesgeschichte im Vordergrund steht.

Tamara Glück
„Ich mache mir Sorgen, wenn ich mir die Welt so anschaue.“
Tamara Glück

Die Themen „Klimawandel“, „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ und „Technologischer Fortschritt“ sind also ganz bewusst gewählt. Hast du damit eigene Zukunftsängste verarbeitet? Hatte das Schreiben vielleicht sogar eine therapeutische Funktion?

Auf eine gewisse Weise durchaus. Natürlich sitze ich nicht den ganzen Tag zuhause und fürchte mich zu Tode. Aber ich mache mir Sorgen, wenn ich mir die Welt so anschaue. Bei jedem Bombenanschlag, bei jedem brennenden Flüchtlingslager, bei jedem politischen Streit denke ich: „Wirklich, Leute? Worauf steuern wir hier eigentlich zu?“ Ich bin jetzt 17 Jahre alt. Was wird erst sein, wenn ich 30 bin? (hält inne) Trotzdem bin ich ein positiver Mensch und hoffe, dass es besser wird. Deshalb liegt mir so viel daran, dass wir alle gemeinsam handeln und uns als Menschheit in den Griff kriegen. Dazu gehört auch, dass wir unsere Ängste, unsere Gefühle, spüren lernen. Nur dann können wir damit konstruktiv arbeiten.

Engagierst du dich auch privat gegen den Klimawandel?

Ich habe mit der Schule an einer „Fridays for future“-Demo teilgenommen und habe das als sehr wichtig empfunden. Diese Bewegung macht einem klar, dass der Klimawandel uns alle angeht. Niemand kann sagen: „Das interessiert mich nicht!“ Außerdem bemühe ich mich, im Alltag die Umwelt zu schützen, indem ich Licht und Strom spare, regionale Lebensmittel kaufe, mit dem Bus zur Schule fahre. Wenn jede und jeder in seiner kleinen Welt auf etwas verzichtet, kann Großes dabei rauskommen. Es macht keinen Sinn, das Fliegen zu verbieten. Denn es gibt Menschen, für die das Fliegen extrem wichtig ist. Die würden sich nur aufregen. Aber wenn jede und jeder das macht, worauf er leichter verzichten kann, kommen wir weiter. Dann verzichten die einen aufs Fliegen, die anderen aufs Fleischessen, die nächsten aufs Autofahren.

Die Corona-Pandemie könnte ein Vorbote für die Klimakrise sein, denn an ihr sehen wir, dass wir alle im selben Boot sitzen. Hast du den Eindruck, dass das „Klima“-Thema seit Ausbruch der Corona-Pandemie politisch ins Hintertreffen geraten und wieder auf die lange Bank geschoben worden ist?

Große Themen auf die lange Bank schieben ist eines der Dinge, die wir als Menschen am besten können – und Politikerinnen und Politiker ganz besonders! Keine und keiner von ihnen will sich unbeliebt machen, kritisiert werden und anderen etwas wegnehmen, weil die Reichen von sich aus offenbar zu wenig geben. Manche von ihnen engagieren sich ganz wunderbar, bei anderen wiederum ist das Thema noch nicht angekommen. Ich verstehe Politiker bis zu einem gewissen Grad. Ich würde auch nicht diejenige sein wollen, die entscheidet, wie wir nun weitertun. Trotzdem muss gehandelt werden, denn auf lange Sicht haben wir schon viel zu lange zugewartet.

Tamara Glück

Welchen Appell hast du diesbezüglich an politische EntscheidungsträgerInnen – und auch an die BürgerInnen?

Bitte vergesst nicht darauf, dass auch eure Kinder und Enkelkinder das Recht haben, in einer lebenswerten Welt zu leben! Es reicht nicht, wenn ihr sagt „Habt mich gern! Ich fahre eh nicht mehr mit dem Auto!“ Es geht darum, dass wir alle noch viel mehr tun können. Mich plagt deshalb oft das schlechte Gewissen, denn auch ich verwende einen Laptop und fahre manchmal mit meinen Eltern im Auto wohin. Dennoch ist es wichtig, dass man nicht gleich jeder notwendigen Maßnahme mit einer Abwehrhaltung gegenübersteht. Ich will auch nicht, dass jemand kommt und meiner Familie das Auto wegnimmt. Wenn aber jeder was tut, können wir uns die harten Maßnahmen ersparen.

Glaubst du, dass wenn die Freiwilligkeit der Bevölkerung zu gering ist, der Tag kommen wird, an dem uns Habseligkeiten, die der Umwelt schaden, weggenommen werden?

Ich glaube, dass es den Tag geben wird, an dem die Mehrheit zur Einsicht kommt und den Abgrund sehen wird, weil zig Städte überflutet sind oder in Flammen stehen, dahinter der Wald brennt und der nächste Tornado sich schon zusammenbraut. Im Moment sehen aber wohl nur wenige diesen Abgrund. Viele andere meinen, dass eh alles super sei und wir genauso weitermachen könnten wie bisher. Sollte sich das ändern, kommt die Panik auf.

Mir fällt dazu „der Untergang der Titanic“ ein. Auch dort zeigte sich, dass Kapitalismus, Gier und Selbstüberschätzung blind machen und in einer Katastrophe enden, weil man den Eisberg, auf den man zusteuerte, viel zu spät sah.

Ja, ganz genau. Ein gutes Bild! Im Grunde ist gerade etwas Ähnliches in Gang. Auch wir werden feststellen, dass es zu spät ist. Aber Menschen reagieren oft erst, wenn es schon zu spät ist. Wir können nur hoffen, dass die Erde uns dann vergibt und uns eine zweite Chance gibt. Die Natur kann viel regenerieren, wir müssen ihr nur die Chance dazu geben.

„Bitte vergesst nicht darauf, dass auch eure Kinder und Enkelkinder das Recht haben, in einer lebenswerten Welt zu leben!“
Tamara Glück

Dein Bewusstsein, dass wir alle Schöpfungsverantwortung tragen, ist großartig! Wurde dir das in St. Ursula vermittelt?

Ja, und nicht nur im Religionsunterricht! Wir sind eine sogenannte „Pilgrim-Schule“, die großen Wert auf ein bewusstes und zukunftsspendendes Leben legt. So lernen wir, dass wir auf dieser Welt nur pilgern und achtsam mit unserer Umwelt umgehen sollten. Außerdem haben wir zahlreiche Umweltprojekte laufen.

Auf der Website des Gymnasiums steht: „Wir fördern individuelle Begabungen!“ Wie werden Talente konkret gefördert?

Indem die Lehrerinnen und Lehrer sehr auf den Einzelnen und seine Interessen und Begabungen eingehen. Es gibt ein breitgefächertes Angebot an unverbindlichen Übungen. Da ist für jeden was dabei. Ich etwa besuche die Schreibwerkstatt und die Chemie-Olympiade. Außerdem gibt es Fußball, Volleyball, den Orientierungslauf, Schach, Theater, die Latein-Olympiade und vieles mehr. Ich bin seit acht Jahren an dieser Schule und fühle mich sehr wohl.

Wenn alles gut geht, wirst du im Mai/Juni maturieren. Welche Fächer hast du gewählt und welche Pläne hast du für danach?

Ich habe mich für Latein, Englisch und Chemie entschieden, weil ich Sprachen und Naturwissenschaften liebe. Viele meiner Mitschüler maturieren in Religion – sowohl katholisch, als auch evangelisch. Das finde ich cool und hätte mich auch interessiert! Nach der Matura möchte ich studieren und Autorin werden. Aber schauen wir mal, was das Leben für mich bereithält. Ich bin ja generell sehr kreativ und da oben (klopft auf ihren Kopf) geht’s sowieso immer rund!

Tamara Glück: GoldmondTamara Glück: „Goldmond“

Der Fantasy-Roman „Goldmond“ von Tamara Glück erschien am 20. Februar im edition a Verlag. Preis: 18 Euro.

Petra KlikovitsPetra Klikovits

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Fotos: Lukas Beck, vom Verlag beigestellt