Dass die Förderung für Tageseltern in Oberösterreich bei gemischten Betreuungsformen mit 1. September 2023 auslaufen soll, traf nicht nur Johanna Fürweger (34) und ihre Tochter, sondern auch deren Tagesmutter Sabrina Postlmayr (33) völlig unvorbereitet. Die beiden Frauen kämpfen nun erbittert gegen die Änderungen, die für sie existenzbedrohende Folgen hätten.
Frau Fürweger, seit wann nehmen Sie die Dienste einer Tagesmutter in Anspruch? Wie kam es dazu?
Johanna Fürweger: Mein Sohn Leon (11) war früher bereits ab seinem ersten Lebensjahr regelmäßig bei einer Tagesmutter in Betreuung, so nun auch meine Tochter Sofia (5), da ich aus Gründen der finanziellen Absicherung und beruflichen Weiterentwicklung voll berufstätig bin. Seit meiner Trennung vor drei Jahren bin ich als Alleinerziehende noch stärker auf diesen Dienst angewiesen. Mit Sabrina haben wir eine großartige Tagesmutter in Wartberg ob der Krems gefunden, bei der sich meine Tochter wohlfühlt. Wenn sie bei ihr ist, weiß ich, dass ich beruhigt arbeiten gehen und Geld verdienen kann, damit wir gut über die Runden kommen.
„Die Flexibilität durch die Tagesmutter ist mir sehr wichtig, diese ist im Kindergarten nicht gegeben. “
Wie sieht die Kinderbetreuung bei Ihnen aus, können Sie uns einen Einblick in Ihren Alltag geben?
Fürweger: Ich bin Autoverkäuferin in Wels und arbeite von 8 oder 9 Uhr morgens bis 17 Uhr, zeitweise auch bis 18 Uhr. Sofia besucht in der Zwischenzeit den Kindergarten in Wartberg, der von 7 bis 16 Uhr geöffnet hat. Danach fährt sie mit dem Kindergartenbus zu ihrer Tagesmutter Sabrina. Dort bekommt sie etwas zu essen, dann spielt sie im Garten, malt oder bastelt, bis ich sie am Abend wieder abhole. Damit habe ich im Gegensatz zur ganztägigen Betreuung im Kindergarten sehr gute Erfahrungen gemacht. Die Flexibilität durch die Tagesmutter ist mir sehr wichtig, diese ist im Kindergarten nicht gegeben.
Geht es nach der Kinderbildungs- und -betreuungs-Novelle 2023, soll sich nun einiges ändern. Wie haben Sie davon erfahren, dass Mischformen, also die Betreuung im Kindergarten und bei Tageseltern, bald nicht mehr gefördert werden?
Sabrina Postlmayr: Eine befreundete Tagesmutter rief mich aus ihrem Urlaub in Italien an und fragte, ob ich die Nachricht schon gehört hätte. Dann sah ich das ORF-Video vom Vortag, das sie auf Facebook geteilt hatte. Danach erhielt ich den Newsletter des Vereins Aktion Tagesmütter mit weiteren Informationen. Ich habe Johanna angerufen und gesagt: Wir haben ein Problem.
„Für mich hat es finanzielle und private Konsequenzen, wenn die beiden Kinder, die ich betreue, wegfallen.“
Wie fiel Ihre erste Reaktion auf die Neuigkeiten aus?
Postlmayr: Ich fiel aus allen Wolken! Das ist Wahnsinn. Wie stellt sich die Landesregierung das vor? Wir sind am 1. August informiert worden, am 31. August sollen bereits die Verträge mit den Kindern gekündigt werden, die in Kindergärten oder Krabbelgruppen untergebracht werden sollen. Für mich hat es finanzielle und private Konsequenzen, wenn die beiden Kinder, die ich betreue, wegfallen. Ich habe selbst zwei kleine Kinder im Alter von 3 und 5 Jahren. Im vergangenen Dezember habe ich damit begonnen, als Tagesmutter zu arbeiten. So hatten meine Kinder jemanden zum Spielen und ich war in der Lage, zuhause zu arbeiten. Jetzt, nachdem sich alles so gut eingespielt hat, ändert sich das auf einen Schlag.
Fürweger: Mir hat es den Boden unter den Füßen weggezogen. Mit solchen Veränderungen rechnet man nicht. Wir leben in einem guten Land und sind für vieles dankbar. Aber das geht nicht. Mir wurde auf einmal klar: Bald habe ich keine Betreuung mehr. Da kann ich auch gleich zu meinem Chef gehen und kündigen. Dann wird mir allerdings mein Dienstwagen weggenommen und ich kann mir meine Wohnung nicht mehr leisten. Als alleinerziehende Mutter hat man es ohnehin nicht leicht. Ich habe keine Eltern mehr, die mich unterstützen. Die Großeltern des Kindesvaters helfen zwar, aber auch sie sind berufstätig und nicht jeden Tag verfügbar. Aus diesem Grund müssen wir etwas unternehmen.
Neben E-Mails an alle oberösterreichischen Landtagsfraktionen und die Bildungsdirektion starteten Sie eine Onlinepetition. Auf wie viel Zuspruch sind Sie gestoßen? Gab es auch Gegenwind?
Postlmayr: Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, verzeichneten wir mehr als 700 Unterschriften. Das ist aber nur eine Aktion, die anderen Tagesmütter haben Unterschriften auf Papier gesammelt. Den aktuellen Stand kenne ich hier nicht, die Abgabefrist endete aber am 16. August.
Fürweger: In den verschiedensten Onlinegruppen stößt man schon auf Widerstand. Es gibt viele, die sagen, dass Politik hier nichts zu suchen hat. Der Link wird dann einfach wieder entfernt. Manche sehen die Folgen (noch) nicht, haben vielleicht schon ältere Kinder, die das nicht betrifft, oder machen sich keine Gedanken. Was ist, wenn sie eines Tages Enkelkinder haben oder wenn jemand ausfällt, der sich um sie kümmert?
Postlmayr: Es gibt hier leider zwei Lager. Die einen sagen, dass die Betreuung Sache der Eltern ist. Auf der anderen Seite gibt es aber auch die Alleinerziehenden, die auf diese Unterstützung dringend angewiesen sind.
Die Novelle sieht weiters vor, dass Kindergärten länger geöffnet haben müssen, wenn drei Kinder in einer Gemeinde dies benötigen. Wie sieht die Lage in Wartberg aus?
Fürweger: Im Moment sind zwei Kinder betroffen. Ich habe diesbezüglich schon mit dem Bürgermeister telefoniert. Das zweite Kind wird ebenfalls von Sabrina betreut. Obwohl er versprach, uns bei der Lösungsfindung zu helfen, konnte er uns zu dem Zeitpunkt auch noch nicht sagen, wie es weitergeht.
„Unser Kindergarten ist wirklich super, wir haben sehr nette Pädagoginnen, aber man merkt, dass die Kinder bei der Tagesmutter anders aufwachsen. “
Wäre es möglich, dass Sofia ausschließlich bei Frau Postlmayr bleibt?
Fürweger: Nein, das geht aus mehreren Gründen nicht. Zum einen, weil Sofia jetzt mit ihrem Pflichtkindergartenjahr anfängt. Zum anderen müsste ich dann die Kosten für eine ganztägige Tagesmutterbetreuung tragen. Das kann ich mir nicht leisten.
Postlmayr: Der Grund dafür ist der Wegfall der Förderung. Dadurch kostet eine Stunde 9,60 Euro.
Hinzu kommt, dass nicht jedes Kind für eine reine Betreuung im Kindergarten geeignet ist.
Fürweger: Unser Kindergarten ist wirklich super, wir haben sehr nette Pädagoginnen, aber man merkt, dass die Kinder bei der Tagesmutter anders aufwachsen. Im Vergleich zum Kindergarten oder zur Krabbelgruppe lernen sie viel mehr. Außerdem wollen weder ich noch Sofia, dass sie den ganzen Tag bis 18 Uhr in den Kindergarten geht, vor allem nicht im Sommer. Sie ist an ihre Tagesmutter gewöhnt, die für sie wie eine „Ersatzmama“ ist. Ich könnte dann auch nicht mit gutem Gewissen zur Arbeit gehen, weil mir meine Tochter leidtäte.
Frau Fürweger, was bedeuten solche Veränderungen aus Ihrer Sicht für berufstätige Frauen, insbesondere für Alleinerziehende?
Fürweger: Es wird sehr schwierig, wenn man wie ich keine andere Betreuungsmöglichkeit hat, zum Beispiel durch andere Familienmitglieder. Ich bin gelernte Automobilverkäuferin. Ich bin in diesen Beruf zurückgekehrt, weil es mir Spaß macht, ich den Umgang mit den Kunden liebe und erfolgreich in meinem Beruf bin. Das war nur möglich, weil ich eine Tagesmutter hatte. Aber wenn das jetzt wegfällt, weiß ich nicht, wie ich alles finanzieren soll. Ich habe keinen Partner, der mich unterstützt. Finanziell ist der Verlust der Tagesmutter mein Ruin.
Der Aussage, dass Frauen im „Land der Möglichkeiten“ Oberösterreich alle Türen offenstehen, können sie also nicht zustimmen?
Beide: Nein.
Postlmayr: „Bildungs- und Betreuungsland Nummer eins“ nennt es Frau Haberlander.
Fürweger: Es liegt eher auf dem letzten Platz. Es ist ohnehin schon schwer genug, eine Tagesmutter zu finden. Wir hatten in Wartberg mindestens ein Jahr lang keine Tagesmutter, weil die Vorgängerin, bei der auch mein Sohn war, in Pension gegangen ist. Ich habe mich so gefreut, als Sabrina angefangen hat.
„Es gibt die Novelle, gleichzeitig kann dir aber niemand eine vernünftige Auskunft dazu geben. “
Wie sollte es aus Ihrer Sicht nun weitergehen? Was würden Sie sich wünschen?
Fürweger: Zumindest, dass die Förderung wie gehabt aufrecht bleibt und im Optimalfall noch stärker ausgebaut wird.
Postlmayr: Zunächst einmal hätten wir früher informiert werden müssen, damit wir in der Lage gewesen wären, uns darauf vorzubereiten. Außerdem müssen alle offenen Fragen ehestmöglich geklärt werden. Welches Kind bei mir gekündigt wird, weiß ich zum Beispiel bis heute nicht. Ein weiteres Problem ist das Fehlen einer Übergangsfrist. Es gibt die Novelle, gleichzeitig kann dir aber niemand eine vernünftige Auskunft dazu geben. Und trotzdem hoffst du jeden Tag aufs Neue, dass sich jemand meldet und dir sagt, was es nun zu tun gilt.