Faszination Skitouren: „Kum, des geht scho!“

Faszination Skitouren: „Kum, des geht scho!“
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  • Veröffentlicht: 17.02.2022
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Durch Zufall bin ich zum Tourengehen gekommen. Eine persönliche Reflexion über die Kontemplation des Aufsteigens und den Mut des Abfahrens und was Skitourengehen mit Zufriedenheit und Dankbarkeit zu tun hat.

Meine erste Skitour war ein Akt purer Verliebtheit, gepaart mit einem Mix aus jugendlicher Naivität und Abenteuerlust. Als Flachländerin war ich zum letzten Mal mit 14 Jahren am Schulskikurs auf zwei Brettern gestanden. Damals hatte ich nach einem Sturz unter dem Gelächter meiner MitschülerInnen meinen Ski im hüfthohen Schnee gesucht und dem Tiefschnee ein für alle Mal abgeschworen. Dieses Erlebnis lag mittlerweile zehn Jahre zurück und was macht man nicht alles, um jemandem zu gefallen?

Das Skitouren-Wochenende auf der Kirchdorfer Hütte (1336m) in den oberösterreichischen Voralpen am ersten März-Wochenende hatte in der Familie meines künftigen Mannes bereits Tradition. Und dieses Mal sollte auch ich dabei sein. Ich kaufte mir eine Skihose und lieh Skier, Stöcke und Skischuhe von meiner Schwiegermutter aus. Es war bereits dunkel geworden, als unsere zehnköpfige Gruppe die Felle auf die Bretter aufzog, die schweren Rucksäcke, gefüllt mit Proviant, Schlafzeug und Notfallausrüsung umschnallte und in die Bindung stieg. Der Atem dampfte in der eisigen Luft und am Himmel glitzerten die Sterne. Meter für Meter schoben wir unsere Skier durch den so genannten „Katzengraben“ hinauf.

Das erste Mal

Die Aufstiegstechnik hatte ich schnell heraußen und meine anfänglichen Bedenken waren rasch verflogen. Der Schlurfschritt hatte etwas Kontemplatives, der Alltag mitsamt seinen Notwendigkeiten war wie abgestreift. Die Stirnlampe leuchtete den Weg durch die verschneite Winterlandschaft, wir plauderten angeregt und als wir nach ungefähr zwei Stunden die Selbstversorgerhütte erreicht hatten, war ich erschöpft, glücklich und dankbar: Ich hatte meine erste Skitour geschafft! An die Abfahrt dachte ich noch gar nicht. Zuerst mussten wir den Ofen einheizen, Abendessen kochen und irgendwann kuschelten wir uns schließlich in unsere Hüttenschlafsäcke und warme Decken.

Am nächsten Morgen begrüßte uns ein strahlend sonniger Spätwintertag und eine Skitour auf den Kasberg (1747m) stand auf dem Programm. Nachdem der Aufstieg auf die Hütte gut geklappt hatte und man mir Mut zusprach: „Kum, des geht scho!“ schloss ich mich den anderen an. Wir schoben die Skier zuerst durch flaches Almgelände hinauf, die Latschen lugten zaghaft unter dem Schnee hervor, dann wurde das Gelände immer steiler und ich plagte mich mit den zuvor im Flachen eintrainierten Spitzkehren. Je weiter es bergwärts ging, desto mulmiger wurde mir zumute, denn es stand unweigerlich fest: „Da muss ich auch wieder runter!“ Aufgeben kam für mich nicht in Frage, also biss ich mich durch.

Lohnende Anstrengung

Auf dem Gipfelfoto zwang ich mich zu einem Lächeln. Stahlblauer Himmel, keine Wolke zu sehen – es war ein Traumtag! Den Ausblick und meinen ersten Gipfelsieg auf Skiern konnte ich jedoch nur bedingt genießen, da ich bereits ans Abfahren dachte. Wir tranken Tee aus unseren Thermosflaschen, aßen Trockenfrüchte und Müsliriegel, dann zogen wir die Felle ab, schnallten die Bindung auf Abfahrt und die ersten aus unserer Gruppe zogen mit einem Juchizer ihre Schwünge in den Schnee. „Feinster Firn!“, vernahm ich von irgendwo einen Freudenschrei. Meine Knie jedoch schlotterten. „Ich kann das nicht“, rief ich meinem Mann zu, der zwei Schwünge gezogen hatte und ein paar Meter unterhalb des Gipfels auf mich wartete. „Kum, des geht scho!“, rief er zurück. Da es keine wirkliche Alternative gab (außer den Rettungshubschrauber anzurufen, aber immerhin war mein Schwiegervater bei der Bergrettung und in unserer Gruppe dabei!), nahm ich all meinen Mut zusammen und zog ein paar unbeholfene Stemmbogen in den Schnee. Ich schwitzte und mein Herz pochte. Mein Mann lobte und bestärkte mich und wartete geduldig. So ging es Bogen um Bogen abwärts.

Als wir auf der Hütte auftauchten, hatten die anderen bereits gekocht. Meine Freude über die heiße Suppe und die bewältigte Abfahrt währte jedoch nicht lange. Schließlich mussten wir noch von der Hütte zu unseren Autos abfahren. Diese Etappe war zwar weniger steil, aber die 700 Höhenmeter auf der schmalen Forststraße kamen mir endlos vor, als ich mich im breiten Pflug abwärts quälte. Zwischendurch blieb ich kurz stehen, um meinen brennenden Oberschenkeln Erleichterung zu verschaffen. Irgendwann kamen wir schließlich unten an.

Schweiß und Glücksgefühle

Der Gedanke könnte naheliegen, dass ich nach diesem Erlebnis genug hatte von Skitouren. Aber vermutlich ist es beim Tourengehen ähnlich wie beim Kinderkriegen. Die Anstrengung und die Strapazen vergisst man und es überwiegen die Freude und die Glücksgefühle: Ich habe es geschafft!

Meine erste Skitour liegt mittlerweile 20 Jahre zurück. Ich investierte in eine Skitourenausrüstung, verbesserte meine Skitechnik und in all den Jahren erklommen mein Mann und ich zahlreiche Gipfel mit den Skiern. Allmählich lernte ich nicht nur das Aufsteigen sondern auch das Abfahren zu genießen, wenn wir unsere Schwünge durch unverspurten Pulverschnee oder herrlichen Firn zogen, manchmal mühte ich mich aber auch durch Harsch oder Nassschnee talwärts.

Das Tourengehen hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark verändert. Es ist mittlerweile zum Breitensport geworden, die Zahl der Fellgeher im Gelände hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Auf manchen Moderouten muss man froh sein, wenn man einen Parkplatz ergattert. Die langen, schweren Latten haben sich zu leichten, spritzigen Tourencavern gewandelt und auch die Sicherheitstechnologie hat sich verändert: Lawinenairbagrucksäcke und Skihelme gehören mittlerweile zum Standard.

Die größte Veränderung war für mich persönlich jedoch das Elternwerden. Mit den Kindern wurde das Tourengehen weniger, die Routen wurden kürzer. Schon bald war unsere Tochter jedoch in der Rückentrage mit dabei und wenn der Papa durch den Schnee wedelte und es nur so staubte, dann quietschte sie vergnügt.

Inzwischen schnallt sie selber die Tourenskier an, ihren Bruder zieht der Papa mit dem Gummiseil auf den Berg hinauf. In ihrer Unbekümmertheit bereitet den Kindern die Abfahrt keine Probleme, auch wenn sie manchmal einen Purzelbaum in den Schnee schlagen. Und wenn ich manchmal oben stehe und vor der Abfahrt tief durchatme, rufen sie: „Kum Mama, des geht scho!“

„Frauen sind mehr erlebnisorientiert und vorsichtiger“

Michael Larcher, Berg- und Skiführer und Leiter der Abteilung Bergsport beim Österreichischen Alpenverein über die unterschiedlichen Bedürfnisse von Männern und Frauen beim Tourengehen und

Julia Langeneder: Wie hat sich die Zahl der TourengeherInnen in den vergangenen Jahren verändert?
Michael Larcher: Skitouren liegen voll im Trend. Jedes Jahr nimmt die Zahl an TourengeherInnen zu. Schätzungen zufolge waren es voriges Jahr rund 584.000 TourengeherInnen, davon 60 Prozent Männer und 40 Prozent Frauen. Frauen gehören ganz selbstverständlich zum typischen Bild auf Tourenskiern. Zugenommen hat auch, dass Frauen mit anderen Frauen gehen und reine Frauengruppen unterwegs sind.

Warum gehen Frauen gerne mit anderen Frauen?
Ein guter Tipp von mir an die Frauen ist: Geht mit anderen Frauen, wenn ihr den Spaß am Skitourengehen nicht verlieren wollt! Männer sind oft viel zu schnell unterwegs und damit wird Frauen die Freude am Sport getrübt. Damit will ich nicht behaupten, dass Männer besser in Form sind, aber sie sind häufig leistungsorientierter als Frauen.

Steht für Frauen eher der Genuss im Vordergrund?
Ja. Ich will nichts verallgemeinern, aber wenn man ein Muster herausfiltern will, dann sind Frauen mehr erlebnisorientiert und Männer mehr leistungsorientiert.  Frauen schätzen das Soziale am Skitourengehen, dass man gemeinsam unterwegs ist und ein Tempo wählt, bei dem man sich unterhalten kann. Frauen sind grundsätzlich auch deutlich vorsichtiger als Männer, das Bewusstsein um die Gefahr und der Respekt vor Lawinen sind bei Frauen deutlich höher. Frauen delegieren in Gruppen die Entscheidungen jedoch meist an Männer. Männer sagen, wann Schluss ist und wann es weitergeht. Meine Einladung wäre, dass Frauen sich stärker einbringen und ihre Bedenken und Sorgen äußern. Auch wenn wir die Rollenzuschreibungen überwinden wollen, am Berg kommen sie schon noch recht deutlich heraus.

Lawinenopfer sind meist männlich, oder?
Das typische Lawinenopfer ist männlich. Im Vorjahr war unter den 15 Lawinentoten eine einzige Frau. Auch wenn man das Übergewicht der Männer an der Gesamtzahl der Tourengeher herausrechnet, ist es alarmierend. Für mich ist das ein klarer Hinweis, dass sich Männer der eigenen Verletzlichkeit nicht so bewusst sind wie Frauen. Die Einstellung: „Ich hab das im Griff!“, kann sich in der männlichen Psyche besser einnisten als bei Frauen. Auch die Verzichtsbereitschaft, einen Steilhang nicht zu fahren, ist bei Frauen höher.

Frauen sollten sich mehr in Entscheidungen einbringen. Was raten Sie den Männern?
Geht langsam! Skitourengehen ist ein Langsam-Sport – außer man will Weltmeister werden. Viele Männer machen den Fehler, dass sie zu schnell unterwegs sind und die Spur zu steil ist. Tourengehen ist ein Ausdauersport. Man ist oft mehrere Stunden lang unterwegs. Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie Frauen die Freude am Skitourengehen genommen wird, wenn sie hinten nachhasten müssen. Sie sollen sich den Genuss nicht nehmen lassen, die Natur und die Landschaft zu erleben. Das ist etwas ganz anderes, wenn ich in meiner Kraft bin und das Gefühl habe, dass ich noch Reserven habe. Man kann auch Sicherheitsargumente einführen: Man sollte ja auch bei der Abfahrt noch fit sein und Kraft haben.

Was raten Sie Einsteigerinnen?
Sie sollten die Angebote der alpinen Vereine nutzen. Es gibt verschiedene Kurse für Einsteigerinnen. Eine Pistenskitour kann auch ein guter Einstieg sein, um das Gehen mit den Fellen und die Bewegungstechnik zu üben. Bei der Skitechnik ist oft noch Luft nach oben. Es lohnt sich in die Skitechnik zu investieren, einmal ein oder zwei Tage mit einem Skilehrer unterwegs zu sein, dann macht die Abfahrt mehr Spaß.

Welchen gesundheitlichen Nutzen hat das Tourengehen?
Tourengehen ist ein toller Ausdauersport. Es trainiert das Herz-Kreislauf-System, die Ausdauer, es kurbelt die Fettverbrennung an und unterstützt die Gewichtsreduktion. Für die Gelenkigkeit rate ich zusätzlich zu Gymnastik und Stretching. Insgesamt gibt es kaum einen Sport, der mehr Benefits hat als das Tourengehen. Auch die Gelenke werden bei weitem nicht so stark belastet wie beim Skifahren.

Checkliste Ausrüstung
  • Bekleidung (Schichtenprinzip, Funktionswäsche, winddichte Überbekleidung)
  • Wechselgewand
  • Handschuhe (dünn und dick)
  • Haube
  • Kappe
  • Trinkflasche (ein Liter)
  • Jause
  • Biwaksack
  • Erste-Hilfe-Set/Verbandszeug
  • Handy
  • Stirnlampe
  • Sonnencreme, Lippenschutz
  • GPS-Gerät oder evtl. Landkarten, Höhenmesser und Kompass
  • Taschentücher
  • Taschenmesser
  • Geld
  • Tourenski (inklusive Harscheisen, Felle)
  • Stöcke
  • Skitourenschuhe
  • Notfallausrüstung (LVS-Gerät, Schaufel, Sonde), ABS-Rucksack
  • Skihelm

Skitouren: Tourentipps in Österreich

Steiermark – von der Kaiserau zur Klinke-Hütte (1504m)

Distanz: ca. 400 Höhenmeter
Aufstieg: ca. 1 – 1,5 Stunden
Schwierigkeit: leicht
Besonderheiten: Perfekt für Einsteiger oder für Familien, tolles Panorama

Die Skitour von der Kaiserau zur Klinke-Hütte unter dem tollen Panorama des Admonter Kalbling ist perfekt für Einsteiger oder auch für Familien geeignet. Wir parken am gebührenpflichtigen Parkplatz des Skigebiets und dann geht es rund 400 Höhenmeter entweder durch flach kupiertes, leicht ansteigendes Gelände oder auf der Forststraße hinauf zur Klinke-Hütte (1504m), die nahezu das ganze Jahr geöffnet ist. Die rund fünf Kilometer lange Zufahrtsstraße zur Hütte wird im Winter auch gerne als Rodelbahn genützt. Für eine Schneeschuh-Wanderung ist die Tour ebenfalls bestens geeignet. Wer möchte, kann die Tour noch erweitern und von der Klinke-Hütte über das Kaiblinggatterl auf den Lahngangkogel (1779m) aufsteigen.

Oberösterreich – von Hinterstoder auf die Bärenalm (Steinerspitz, 1203m)

Distanz: ca. 500 Höhenmeter
Aufstieg: ca. 1,5 Stunden
Schwierigkeit: leicht
Besonderheiten: Ideal für Einsteiger oder für Familien

Wer die Bärenalm noch aus der Zeit des Lift-Betriebs kennt, wird das ehemalige Skigebiet kaum wiedererkennen. Mittlerweile sind die Lifte abgebaut und die Natur gibt den Takt vor.

Wir parken auf dem gebührenpflichtigen Parkplatz und steigen auf der aufgelassenen Piste entlang des Sommerweges zur Unteren Buchebnerreith (Jungwald meiden!). Von dort geht es weiter über den steileren Nordwesthang oder gemütlicher im Bogen über die Schafferreith zur alten Lift-Bergstation (1150m). Der Weiterweg zum Schafferkogel (auch Steinerspitz genannt, 1203m) bringt zwar keine bessere Aussicht mehr, dafür noch ein paar Höhenmeter. Die Tour lässt sich auch zur Türkenkarscharte und zur Kleinen Scheibe (1836m) verlängern, wird damit aber auch technisch anspruchsvoller.

Salzburg – vom Prebersee zum Preber (2740m)

Distanz: ca. 1250 Höhenmeter
Aufstieg: ca. 3-4 Stunden
Schwierigkeit: mittel
Besonderheit: toller Ausblick, traumhafte weite freie Hänge

Bei einer Skitour auf den Preber ist man selten allein. Und das hat seine Gründe: toller Ausblick, traumhafte Abfahrtshänge. Ausgangspunkt ist der Parkplatz beim Prebersee. Von dort aus geht es entweder auf der Forststraße (Rodelbahn) oder auf dem nach wenigen Minuten abzweigenden Sommerweg zur Prodingerhütte. Dann weiter auf der Forststraße zur Preberhalterhütte und dann den gleichmäßig geneigten Südhang zum höchsten Punkt. Für die Abfahrt gibt es unterschiedliche Varianten – Lawinensituation berücksichtigen! Für besonders Sportliche ist der alljährliche stattfindende Preberlauf interessant.

Oberösterreich/Steiermark – vom Pyhrnpass auf den Lahnerkogel (1854m)

Distanz: ca. 900 Höhenmeter
Aufstieg: ca. 2 Stunden
Schwierigkeit: mittel
Besonderheit: Durch die hohe Ausgangslage ist die Tour oft auch bei schneearmen Wintern möglich

Die Skitour auf den Lahnerkogel (1854m) beginnt an der Straße zwischen Spital am Pyhrn im Süden Oberösterreichs und Liezen in den Ennstaler Alpen. Der Parkplatz befindet sich ca. 200 Meter südlich der Passhöhe (945m). Auf einer Forststraße geht es in Richtung Fuchsalm. Ab da folgt man den Sommermarkierungen durch Wald und Lichtungen bergwärts. Zum Schluss geht es über den freien Hang (Lawinenverbauungen!) auf den Gipfel. Vom dort aus bietet sich ein toller Blick auf Spital am Pyhrn, Pyhrgas, Bosruck und Warscheneck. Die Abfahrt erfolgt entlang des Aufstiegs.