Buchempfehlung: „Sisi. Ein Roman“

Buchempfehlung: „Sisi. Ein Roman“
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  • Veröffentlicht: 20.12.2022
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Für die einen gehören „Sisi-Filme“ zu Weihnachten wie Vanillekipferl: vertraut, süß und klebrig. Die anderen sind hingerissen vom Film „Corsage“. Und beide Gruppen gemeinsam wollen noch mehr über die faszinierende Kaiserin Elisabeth wissen.

Jagdrituale, Intrigen und Melancholie

Der Roman von Karen Duve wird vielen Erwartungen und Wünschen gerecht, ist akribisch recherchiert und mit eigenen Reiterfahrungen der brillanten Autorin angereichert. Duve weiß um das richtige Verhältnis von wilden Reitjagden, stillen Amouren und der Unterstützung einer 18-jährigen Nichte für einen gelungenen Roman.

„Elisabeth lässt sich umkleiden, tauscht das schwarze Schwanengefieder gegen ein rosa Kleid ohne Schleppe, aber ebenfalls von unbequemer Pracht und geht mit ihrer Hofdame Festetics in den Volksgarten, sich die Füße vertreten. Das Gesicht hat sie hinter einem Schleier verborgen.“
Seite 94

Es sind unter anderem die genauen Aufzeichnungen dieser Hofdame, Marie Festetics, die den vorliegenden Roman als eine der zahlreichen Grundlagen so exakt, wirklichkeitsnah und interessant machen. Ob es der guten Hofdame manchmal zu viel wird, ständig für die Kaiserin zur Verfügung zu stehen? Nein, so Marie Festetics, sie diene gern, nehme auch gern an den Empfängen teil, arbeite dabei professionell wie leise im Hintergrund. Vordergründig hält die Kaiserin nicht nur bei ihren Ausritten und Jagden die Zügel fest in der Hand: Sie genießt das Aufsehen, das sie erregt. Sie genießt auch die Verstörung, die sie bei den „feinen Damen“ mit ihrer Wildheit auslöst, so fest wie sie sitzt sonst keine andere im Sattel. Diese literarische Zeitreise zeigt die Facetten der mächtigen Frauen, die Intrigen zwischen ihnen, die Rolle der Hofdamen und die Einführung einer jungen Frau in die Hofgesellschaft.

„Die Fürstin Metternich übernimmt in Wien die Rolle der ersten Dame der Gesellschaft. Eigentlich stünde dieser Platz natürlich der Kaiserin zu, aber da Elisabeth darauf keinerlei Anspruch erhebt, ist es nun die Metternich-Pauline, die die meisten Wohltätigkeitsveranstaltungen und Bälle ausrichtet. Sie eignet sich auch viel besser dafür, denn sie liebt es, im Mittelpunkt zu stehen ...“
Seite 99

Die Kaiserin, die nicht nur in den ersten Romankapiteln als wilde, furchtlose Reiterin geschildert wird, die fest im Sattel sitzt, bekommt im Romanverlauf zahlreiche Facetten „zugeschrieben“, die sie in ihrer Zerrissenheit zwischen Macht und Liebe zeigen. Dass ihre Nichte Marie Louise mit ihrem Verlobten beziehungsweise späteren Ehemann, Graf Larisch, nicht restlos glücklich ist, sondern unter seiner Unberechenbarkeit leidet, entgeht Kaiserin Sisi nicht: Sie scheint aber das Intrigenspiel zu genießen.

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Roman davongaloppieren lassen:

ein von Kitsch befreites Porträt der starken Kaiserin Elisabeth, Lust aufs Reiten, Lust auf Bücher übers Reiten, Gedanken über Macht, Machtmissbrauch und Melancholie der Mächtigen, akribische Sammlung historischer Daten über Monarchie und Adelsgeschlechter.

Karen Duve

ist Reiterin und Autorin. Sie versteht die Kunst der feinen Annäherung an Personen, wie im Roman „Fräulein Nettes kurzer Sommer“ über die Schriftstellerin Annette von Droste-Hülshoff bewiesen. 

Karen Duve
Sisi. Ein Roman.
Berlin: Galiani 2022.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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