Uns Frauen wird oft vermittelt, dass die Entfernung der Brust, der Gebärmutter oder der Eierstöcke keine große Sache sei. Warum das endlich aufhören muss.
Sie starrte ihn an, als er ihr offenbarte, dass ihr das Brustgewebe entfernt werden müsse. „Ein Routineeingriff“, fügte er mit einer beschwichtigenden Armbewegung seinen Ausführungen hinzu. Ihr Starren wurde dadurch nicht weniger und ihre Betroffenheit, die folgte, als er den Raum verließ, ebenso wenig. Egal, wie schön der Arzt es auch formulierte, sie hatte Brustkrebs, der entfernt werden musste. Das war ein Schlag für sie und die Betitelung „Routineeingriff“ machte es nicht leichter. Als Bettnachbarin hatte ich das Gespräch mit angehört, als Patientin hatte ich das beschwichtigende Wörtchen selbst schon hunderte Male bei einer meiner Operationen entgegengeschmettert bekommen.
„Man will uns vermitteln, es sei ein Kinderspiel, ein ungefährlicher Vorgang, dem wir uns getrost übergeben dürfen, um danach gesünder oder von Leiden geheilt zu sein.“
„Routine“, was so viel wie geübtes und erprobtes Tun bedeuten soll, mildert das Wort „Eingriff“ kein bisschen. Ich stelle fest: Besonders bei Frauen und im Bereich der Brust oder bei anderen gynäkologischen Operationen wird gerne damit um sich geworfen. Eierstöcke entfernen? Routineeingriff. Kürettage oder Myome entfernen? Routineeingriffe. Zysten oder Konisation? Ebenfalls Routine. Man will uns vermitteln, es sei ein Kinderspiel, ein ungefährlicher Vorgang, dem wir uns getrost übergeben dürfen, um danach gesünder oder von Leiden geheilt zu sein. Doch wer selbst schon in der Lage war, einen sogenannten Routineeingriff an sich vornehmen lassen zu müssen, weiß, dass es weitaus mehr bedeutet.
Routineeingriff bedeutet, dass schon viele Frauen vor dir ihre Eierstöcke oder ihre Gebärmutter hergegeben haben, und suggeriert gleichzeitig: „Stell dich nicht so an.“ Er bedeutet, dass du danach gefälligst nicht lange leiden sollst, denn schließlich war es ja „keine große Sache“, Routine eben. Rekonvaleszenz? Na ja, wenn es sein muss. Öffentlich vielleicht auch noch darüber reden? Nein. Wenn es doch schon so viele vor dir erlebt haben, dann nimm es an und geh einfach durch. Selbst die wunderbarsten ÄrztInnen verwenden den Begriff unreflektiert, wenn auch in bester Absicht. Hätte ich einen Wunsch frei, dann wäre es der, dass die angehenden MedizinerInnen künftig achtsamer in ihrer Sprache werden. Denn jede Aussage von ihnen lebt in ihren PatientInnen weiter.
Fragt man etwa ältere Frauen, wie sie die Gebärmutterentfernung empfunden haben, kommt viel zu oft ein achselzuckendes „Das war eine geschwinde Sache“. Erst auf Nachfrage und mit sichtbarem Verständnis für ihre Situation lassen sie sich dazu hinreißen, ehrlich zuzugeben, dass es kein „Spaziergang“ war, dass Tränen damit verbunden waren, dass es das Ende ihrer Gebärfähigkeit bedeutete und dass neben dem Operationsschmerz auch der seelische Schmerz fühlbar war. Ob Frauen sich diesen Schmerz und Abschied von der Brust, den Eierstöcken oder der Gebärmutter erlauben, liegt oft auch an den Menschen, die ihnen im weißen Mantel gegenübersitzen. Deswegen: Hört auf, es Routineeingriff zu nennen! Jetzt.
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