Schlafstörungen: Was hilft?

Schlafstörungen: Was hilft?
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  • Veröffentlicht: 01.10.2021
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„Ich kann nicht schlafen!“ Kommt Ihnen das bekannt vor? Sie sind müde, kuscheln sich in Ihr Bett und schlummern dennoch nicht ein? 25 Prozent der ÖsterreicherInnen haben Schlafstörungen. Aber warum? Und wie finden wir unbeschwert ins Land der Träume?

Pst ... Ruhe bitte!

Einatmen. „Eins, zwei, drei, vier.“ Luft anhalten. „Fünf, sechs, sieben, acht.“ Ausatmen. Meine Augen sind geschlossen, die Hände liegen auf meinem Bauch. Ich spüre, wie sich die Bauchdecke hebt und senkt. Einschlafen in acht Minuten, das verspricht mir diese Übung. Werde ich ruhiger? Nein. Ich öffne meine Augen. Es ist dunkel. Bevor ich ins Bett ging, war ich müde. Nun fühle ich mich, als hätte ich fünf Tassen Kaffee getrunken. Mein Herz pocht wild. Der Wecker steht neben mir auf dem Nachttisch – umgedreht. Möchte ich wissen, was auf der Digitalanzeige steht? Ja, will ich! Trotzdem widerstehe ich dem Drang, nachzusehen.

Oberste Regel bei Einschlafstörungen: Egal wie verzweifelt du bist, schau ja nicht nach, wie spät es ist. Meine Gedanken beginnen zu kreisen. Morgen ist ein wichtiger Termin. Na toll, wie werde ich den wohl meistern? Ich muss jetzt schlafen! Also schließe ich erneut meine Augen und beschwöre ein Bild herauf – pummelige Schäfchen, allesamt mit fröhlichen Gesichtern, grasen auf einer Weide. Ich beginne zu zählen. „Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs – ach, hilft doch sowieso nichts!“ Mit einem Ruck drehe ich mich auf die Seite und schnappe mir den Wecker. 3.50 Uhr. Du meine Güte, schon wieder so spät. Der morgige Tag ist gelaufen und die Nacht sicher auch.

Warum schlafen Menschen überhaupt?

Nachts schläft der Mensch. Im Vergleich zu nachtaktiven Tieren ist er mit eingeschränkten Sinnessystemen ausgestattet. Das schlechte Sehen bei Dunkelheit verdeutlicht: „Die Natur wollte es so. Also gib Ruhe!“ Für die meisten ist Schlafen ein selbstverständlicher Vorgang. Es wird Abend, sie werden müde, kuscheln sich ins Bett, schließen die Augen, und kurz darauf sind sie eingeschlummert. Aber warum schlafen wir? Könnten wir die Zeit nicht besser nutzen? „Wir verschlafen rund ein Drittel unseres Lebens.

Wäre das ein sinnloser Zustand, hätte die Natur ihn längst abgeschafft“, sagt Hans-Günter Weeß, Schlafexperte und Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum in Klingenmünster, Deutschland. Wie wichtig die Nachtruhe für den Körper und das Wohlbefinden ist, wird klar, wenn sie nicht mehr richtig funktioniert.

Etwa 25 Prozent der ÖsterreicherInnen hätten Schlafprobleme, schreibt die Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin. In Deutschland verkündete kürzlich eine Krankenkasse, dass dort sogar 80 Prozent der Erwerbstätigen schlecht schlafen. Hochgerechnet sind das etwa 34 Millionen Menschen. Allein in den letzten sieben Jahren stieg in Deutschland die Zahl derjenigen, die unter Schlafstörungen leiden, um 66 Prozent.

Risiko von Schlafmangel

Wie kann es sein, dass ein natürlicher Vorgang plötzlich nicht mehr funktioniert? Ich weiß nicht mehr, ob ein bestimmtes Ereignis meine Schlaflosigkeit auslöste. Auf einmal war Einschlafen für mich kein automatischer Prozess mehr. Seitdem kriselt die Beziehung zu meinem Schlaf gewaltig. Für mich steht fest: Ausgeschlafen ist die Welt bunter! „Wer schon einmal eine schlechte Nacht hatte, weiß, wie wertvoll tiefer und erholsamer Schlaf ist“, sagt Weeß. Die Tagesbefindlichkeit, die Konzentration sowie das Leistungsvermögen seien bei Schlafmangel stark beeinträchtigt, sagt der Experte. Dazu steige das Risiko für psychische sowie organische Erkrankungen deutlich an. Schlaf fördere das emotionale Gleichgewicht, daher sei bei Menschen mit Schlafstörungen die Wahrscheinlichkeit, eine Depression zu entwickeln, doppelt so hoch wie bei anderen Personen.

Die Nachtruhe ist also ein elementares biologisches Bedürfnis. Ohne sie würde der Mensch sterben. Bereits nach 22 Stunden ohne Schlaf sei das Reaktionsvermögen mit dem bei einem Alkoholrausch von 1,0 Promille vergleichbar, weiß Weeß. Nach ungefähr 25 Tagen ohne Schlaf breche das Immunsystem zusammen. Das heißt, nicht Erschöpfung wäre die Todesursache, sondern ein Infekt, den der Körper nicht mehr bewältigen könnte. Mir wird klar, warum Schlafentzug eine bewährte Foltermethode bei Verhören war. Lesen Sie weiter in der Printausgabe.

Lerche oder Eule?

Jeder Mensch habe ein anderes Schlafbedürfnis, erklärt der deutsche Schlafexperte Hans-Günter Weeß.

Wie viel Schlaf braucht der Mensch?
Hans-Günter Weeß: 80 Prozent der Bevölkerung in unserer Gesellschaft schlafen zwischen sechs und acht Stunden. Das ist die Größenordnung, die der durchschnittliche Mensch im mittleren Alter an Schlaf benötigt. Das kann aber nicht vereinheitlicht werden. Der Erfinder Thomas Edison schlief angeblich nur vier Stunden pro Nacht, Albert Einstein ganze zehn oder elf Stunden. Grundsätzlich wird zwischen zwei Schlaftypen unterschieden: Den „Lerchen“ und den „Eulen“. Die Lerchen sind all jene, die abends früh müde und morgens bald munter sind. Die Eulen werden spät müde und kommen am Morgen auch schwer in die Gänge. Für Eulen beginnt die Arbeit oder Schule viel zu früh. Sie haben ein chronisches Schlafdefizit. Im Urlaub können der Schlaftyp und das Schlafbedürfnis festgestellt werden. Nach etwa zwei Wochen merke ich: „Wann gehe ich am liebsten ins Bett? Wann wache ich auf und fühle mich ausgeschlafen?“

Verliert der Schlaf heute an Bedeutung?
Der Schlaf hat ein Imageproblem, er ist definitiv nicht „hip“. PolitikerInnen und Führungskräfte brüsten sich damit, wie wenig Nachtruhe sie brauchen. Wenig Schlaf wird assoziiert mit Fleiß, viel Schlaf mit Faulheit. Dabei ist Schlaf ein höchst karrierefördernder Zustand. Ausgeschlafen sind wir kreativer, leistungsfähiger und machen weniger Fehler.

Wer neigt eher zu Schlaflosigkeit, Männer oder Frauen?
Frauen haben zwei- bis dreimal so häufig Schlafstörungen wie Männer. Sie können Sorgen und Gedanken offenbar schlechter verdrängen. Außerdem reagieren Frauen oft in der Menopause, der Zeit einer allgemeinen Hormonumstellung, oder während des Zyklus mit Schlafproblemen.

Hans-Günter Weeß, Schlafexperte und Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum in Klingenmünster, Deutschland.

Gefangen in Gedanken

Eine chronische Schlafstörung könne den gesamten Alltag der Betroffenen beeinträchtigen, weiß Psychiaterin Gerda Saletu-Zyhlarz.

Wie entsteht eine Schlafstörung?
Gerda Saletu-Zyhlarz: Eine chronische Schlafstörung im Sinne einer Insomnie entsteht dadurch, dass sich bei den Betroffenen ein Zustand erhöhter Spannung rund um den Schlaf entwickelt. Sie machen die Erfahrung, dass die Nächte furchtbar sind. Tagsüber sind sie müde, in ihrer Aufmerksamkeit beeinträchtigt, reizbar, haben Stimmungsschwankungen und wenig Antrieb. Die Gedanken drehen sich auch während des Tages um das Problem. Dadurch erhält sich die Störung selbstständig aufrecht.

Ab wann ist eine Behandlung ratsam?
Sind die Nächte dreimal in der Woche und länger als über einen Zeitraum von drei Monaten hinweg gestört, dann gehört das Schlafpro­blem behandelt.

Wie stark beeinträchtigt das Problem den Alltag?
Es gibt PatientInnen, die sagen: „Der Schlaf bestimmt mein ganzes Leben!“ Diese Menschen trauen sich abends nicht mehr auszugehen, weil sie Angst haben, zu spät nach Hause zu kommen. Das Leben wird danach ausgerichtet, dass der Schlaf wieder funktioniert. Es baut sich zunehmend Spannung auf, die das Einschlafen verhindert.

Wie wirkt sich das auf die Gesundheit aus?
Spannung bedeutet Stress für unseren gesamten Organismus. Der Cortisolspiegel steigt, es können psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen, aber auch organische Beschwerden wie etwa ein beeinträchtigtes Immunsystem, eine veränderte Hormonregulierung und Herz-Kreislauf-Erkrankung die Folge sein. Diese Krankheiten können die Schlafstörung wiederum aufrechterhalten und verstärken.

Wie lässt sich der Teufelskreis durchbrechen?
Unter anderem damit, Schlafhygieneregeln zu beachten, Entspannungstechniken zu erlernen und beruhigende Schlafrituale zu finden. Negative Gedanken um den Schlaf sollten gestoppt und etwa durch sogenannte „Ruhebilder“ ersetzt werden. Diese können Erinnerungs- oder Fantasiebilder sein, die bei dem Betroffenen Ruhe und Wohlbefinden auslösen. Dadurch tritt die Angst vor dem Nicht-schlafen-Können in den Hintergrund. Am Anfang gelingt es vielleicht noch nicht, in diesen Ruhebildern zu bleiben, die Sorgen kehren zurück. Aber das lässt sich trainieren.

Gerda Saletu-Zyhlarz, Leiterin des Schlaflabors der Uniklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der MedUni Wien.

Die größten Schlafmythen

1. Man darf nachts nicht wach werden

Stimmt nicht. Es ist völlig normal, nachts aufzuwachen, solange man gleich wieder einschläft. Laut Gerhard Klösch erwachen wir sogar bis zu 20-mal, ohne es zu merken. Entspannt bleiben und akzeptieren!

2. Der Schlaf vor Mitternacht ist der gesündere

Egal ob wir vor oder nach Mitternacht ins Bett gehen: Der Schlaf kurz nach dem Einschlafen sei für die körperliche Erholung am wichtigsten, meint Hans-Günter Weeß.

3. Acht Stunden Schlaf braucht der Mensch

Jeder Mensch hat ein anderes Bedürfnis. Wer sich ausgeschlafen und fit fühlt, hatte genügend Schlaf.

4. Gegen Schlafstörungen helfen nur Tabletten

Stimmt nicht. Oft lässt sich bereits mit dem Einhalten der Schlafhygiene-Regeln Besserung erzielen. „Die Tablette erledigt das, was der Mensch nicht mehr kann“, sagt Hans-Günter Weeß. Nämlich abschalten.

Schlafstörungen: Welche Hausmittel helfen?

Ausgeruht und gut drauf. Mit folgenden Tipps lässt sich der Schlaf oft verbessern.

Pflanzliche Schlafmittel

Baldrian, Hopfen, Johanniskraut, Melisse, Lavendel und Passionsblume sind bewährte pflanzliche Einschlafhilfen und in Form von Tees oder Tabletten erhältlich. Es kann allerdings mehrere Tage oder sogar Wochen dauern, bis sie wirken.

„Augen offen“

Halten Sie die Augen offen, wenn Sie ins Bett gehen, und versuchen Sie, wach zu bleiben. Die Beschäftigung mit den offenen Augen bindet innerhalb kürzester Zeit so viel Aufmerksamkeit, dass andere schlafstörende Gedanken nicht aufkommen können.

Gedankenstopp

„Wenn ich nicht genug schlafe, bin ich morgen nicht leistungsfähig.“ Oder: „Ich liege seit Stunden wach herum! Andere haben doch auch keine Schlafprobleme.“ Wenn Sie merken, dass negative Gedanken auftauchen, sagen Sie: „Stopp!“ Denken Sie lieber: „Ich habe bereits öfter trotz einer schlechten Nacht einiges geleistet … Ich bleibe jetzt ruhig liegen, entspanne mich und genieße die Nacht.“

Buchtipps

Welt der Frau 09/17

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