Franziskusweg Tag 6: Beim Bewegen wirst du bewegt

Franziskusweg Tag 6: Beim Bewegen wirst du bewegt
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  • Veröffentlicht: 03.04.2022
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Von La Verna nach Assisi: Begleiten Sie Chefredakteurin Sabine Kronberger beim Pilgern am Franziskusweg. Tag 6.

Warum die Finger nicht wärmer werden, wenn man verzweifelt

Beim Bewegen wirst du bewegt

Ich bin heute überwältigt. Von der Tagesetappe, die alles an Wetterkapriolen präsentierte, was ein April in Italien zu bieten hat und von den vielen Menschen, die mit mir auf diesem digitalen Wege mitpilgern.

Doch von vorne. Tag sechs unserer Pilgerreise nach Assisi startete nach einer sehr kurzen, schreibintensiven Nacht um 7.30 Uhr in der Stadt Città di Castello (übersetzt Burgstadt), die einen ganz speziellen mittelalterlichen Charme versprühte. Die Freude beim Pilgerfrühstück war groß, als wir beim Blick aus dem Hotelfenster anstatt des prognostizierten Schneefalls die Sonne zu Gesicht bekamen.

Frohen Mutes brachen wir mit dem Bus auf, hielten noch an, um ein bisschen Jause einzukaufen und ließen uns schließlich auf einen (empfangsfreien ?) Berg bringen, von wo aus die 16 Kilometer-Reise heute beginnen sollte. Doch kaum dort oben angekommen, öffnete Frau Holle das Himmelsfenster. Erst ganz kleine Schneekörnchen, später große vom Wind gepeitschte Flocken ließen den Start dieser Samstagsetappe gleich einmal frostig wirken.

Wetter-Profis

Mittlerweile waren wir Wetter-Profis. Über die Jacke zogen wir Regenjacke, darüber den großen Poncho an und noch einmal darüber hielten wir unsere Schirme. Ich hatte meinen Schirm zuvor erst gekauft, weil ich es bis zum Antritt der Reise nicht für möglich hielt, dass wir in Italien Regenponcho UND Regenschirm brauchen würden. Praktisch wie ich bin, wollte ich einen schwarzen Schirm kaufen, der auch später farbunauffällig verwendet werden könnte. Pilgerkollegin Heike, von Berufs wegen Mode-Expertin, erklärte mir aber, dass das pilgertechnisch überhaupt nicht ginge. So habe ich den heutigen Tag mit einem roten, weißgetupften Schirm, passend zur roten Jacke, immerhin ein bisserl bunter gemacht …

Denn aus dem weißgrauen Himmel wurde rasch ein „dunkelweißer“ Himmel, der uns den Schnee nur so um die Ohren schoss. Pilgern. Warum genau hab ich das in Angriff genommen? Bin ich eigentlich verrückt? Nein, es war lustig, es machte Spaß, es war eiskalt, aber alle hatten gute Laune. „Die werden uns alle bedauern zu Hause, wenn sie das in deinem Blog lesen,“ dachte eine Pilgerin laut nach. Nein, werden sie nicht, sie werden uns als HeldInnen feiern, lachte ich. Alle lachten mit. Obwohl wir mitten in einem Schneesturm marschierten – wiedermal schweigend – war die Stimmung sensationell.

Wir waren in uns gekehrt und doch gemeinschaftlich unterwegs. Wir waren freudig über unsere Kraft und stolz, was wir zu leisten vermögen. Die Finger werden schließlich nicht wärmer, wenn man verzweifelt. Im Gegenteil.

Als ich den PilgerkollegInnen erzählte, dass wir hunderte Zugriffe, zig Reaktionen und Nachrichten auf unserer „Welt der Frauen“-Website, auf meiner Facebookseite sowie bei meinen Reels (Musikvideos) auf Instagram zählen, waren sie fast ein wenig sportlich angefeuert.

Es gibt schlicht Rückenwind, wenn man weiß, dass viele Menschen gedanklich mit einem auf dem Weg nach Assisi sind. Für den Frieden. Und wir packen diese Menschen in unsere Herzen und tragen sie mit dorthin.

Demut und Armut

Und das ist es auch, was mich heute so freudig stimmte. „Demut“ war ein Impulswort unserer bisherigen Reise der letzten Tage. Heute passte es für mich endlich. Ich bin demütig, nehme nicht mich wichtig, sondern unser Anliegen und freue mich kindlich überrascht, dass so viele Frauen und Männer mein Pilgertagebuch lesen.

Eine Mitlesende war deshalb am Freitag in ihrem Heimatort Kirchham in Oberösterreich spontan aufgebrochen und ist einen ganzen Tag dort gepilgert (siehe auf meiner Facebookseite). Eine andere hat schon bei „Weltanschauen“ gebucht, eine andere hat mir einen Herzenswunsch für ihre Familie mitgeteilt, den ich gerne mitnehme.

Und dann gibt es Freunde und Freundinnen jeder hier anwesenden PilgerInnen, die sich mitfreuen, ebenfalls stolz sind, darauf warten, dass ich endlich ihre Schwester, Mutter oder Frau namentlich erwähne und täglich mitlesen, um zu wissen, wo wir sind und wie es uns geht. Menschen, die uns gern haben. Und das führt mich zu unserem heutigen Impulswort „Armut“.

Erst konnte ich mitten im eiskalten Schneesturm am Berg wenig mit dem Wort anfangen. Doch in der Schweigezeit fanden immer wieder meine wunderbare Familie, meine Freundinnen und Freunde, mein großes Netzwerk an Menschen, die mich begeistern, bereichern, wachsen lassen Einzug in meine Gedanken. Wie unglaublich reich ich doch bin.

Sabine KronbergerReich an Liebe. Und gesegnet, dass es überhaupt jemanden interessiert, wenn eine 37-jährige Frau ihr erstes Pilgern protokolliert. Reich, weil ich diese Frauen und diesen einen Mann hier kennenlernen durfte. So befruchtend sind die Gespräche, die wir auf dem Weg führen. Gestern hab ich mit Marija und Ingrid über die Zeit gesprochen, in der ihre Kinder die Pubertät ihrer Mutter angedeihen ließen, ich habe von Regina erfahren, dass sie ihren Partner vermisst, Clara fiel es schwer, auf Reisen zu gehen, wo doch ukrainische Menschen gerade auf der Flucht vor dem schrecklichen Krieg sind. Wir geben einander Einblicke in unser Leben, Beziehung entsteht, obwohl wir einander vor wenigen Tagen noch fremd waren.

Pilgern ist nicht das sture Beten, das touristische Abklappern von Kirchen, das „heilig sein“, das Unwissende oftmals vermuten. Es ist das Erkennen, Hören, Hinsehen, Schweigen, Sprechen. Plötzlich passiert etwas in dir. Ob du willst oder nicht. Deine Seele reagiert, weint, lacht, klingt. Beim Bewegen wirst du bewegt. Und immer wieder, wenn es so wie heute plötzlich kalt, eisig, wirklich anstrengend und mühsam wird, wenn sich zum Schnee ungemütlich nasse, steile Matschstraßen durch Wälder gesellen, dann kommt dir dein „Warum“ in den Sinn. Der Grund, warum du pilgerst, wird Motor, der Rückenwind deiner FreundInnen und deiner Familie zuhause wird Treibstoff und ein Teller Pasta am Abend wird luxuriöse Belohnung. Mehr braucht es nicht. Das will ich mir wieder besser abspeichern.

Korbbahn

Ihre Sabine Kronberger

P.S.: Haben Sie heute schon Ihrer Pilgerin geschrieben, dass sie stolz sind? Nein? Dann übermitteln Sie ihr/ihm doch jetzt eine persönliche Treibstofffüllung!

P.P.S.: Wir sind gut in der optisch mehr als beeindruckenden Stadt Gubbio angekommen, haben bereits die Franziskuskirche gesehen, einige KollegInnen waren sogar mit dem Korblift auf dem Berg (Bild) und wir freuen uns auf die kommenden drei Etappen bis Assisi. Morgen 23 Kilometer. Möge die Sonne mit uns sein.

Pilgern Sie mit mir!

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