Christine Schwarz-Fuchs, Landesgruppenobfrau des Verbands Druck Medien in Vorarlberg und Geschäftsführerin der Buchdruckerei Lustenau, über Hintergründe der Papierknappheit und Zukunft des bedruckten Papiers.
Papier galt als wertvoll, dann wurde es Massenware, mittlerweile stehen wir vor einer Knappheit, es wird wieder teuer. Was ist passiert?
Während der Pandemie wurden Kapazitäten in den Papierfabriken abgebaut, was die Erzeugung von grafischen Papieren angeht – also Papieren, die wir etwa für den Druck von Werbematerial, Foldern, Prospekten, Büchern und Magazinen benötigen. Es haben ja keine Events stattgefunden, alles war geschlossen. Man brauchte also kaum Werbematerialien, etwa für den Tourismus. Keine Hotelprospekte, keine Wanderpläne, keine Pistenpläne – das ist alles weggefallen von einem Tag auf den anderen, auch weil die Unsicherheit so groß war, wann es wieder losgeht. Als es dann wieder losging, wurden nur kleine Mengen bestellt. Und wenn Druckereien nichts zu produzieren haben, ordern sie natürlich auch kein Papier.
War Nachfragerückgang der einzige Grund für Papierknappheit?
Nein, der zweite Punkt ist, dass die Energiekosten stark gestiegen sind, schon Ende vergangenen Jahres, aber jetzt noch deutlicher. Und die Papierindustrie benötigt sehr viel Energie. Die Fixkosten sind hoch, da hat man natürlich überlegen müssen, als die Maschinen nicht liefen: was tun? Den Betrieb völlig schließen oder in einen Bereich wechseln, der aktuell nicht stillsteht? Was boomte, war der Verpackungsbereich. Während der Lockdowns wurde online bestellt und daher plötzlich sehr viel Verpackungsmaterial benötigt. Etliche Papierfabriken haben dort den Zukunftsmarkt gesehen und auch, dass dieser Bereich krisenresilienter ist.
War die Nachfrage nach grafischem Papier nicht schon vor der Pandemie rückläufig?
Die Nachfrage war nicht so stark rückläufig, aber der Markt war vor allem sehr preissensitiv. Alles musste billiger werden, aber das war ja generell so, nicht nur bei Papier, auch bei Lebensmitteln zum Beispiel. Geiz ist geil – das Motto hat natürlich auch vor der Papier- und Druckindustrie nicht Halt gemacht. Da hat man sich immer noch mehr unterboten und wer am günstigsten anbieten konnte bei den Druckereien, hat mehr Aufträge bekommen, ist gewachsen – die anderen sind nach und nach vom Markt verschwunden. Oder sie mussten sich eine Nische suchen, auf Qualität setzen beziehungsweise auf die Produktion von Spezialprodukten – dann war der Preiskampf natürlich nicht so groß.
„Print wird es trotz der Papierpreissteigerungen auch in Zukunft weiterhin geben. “
Also trägt nicht nur der Onlinehandel Schuld, der schon in den Jahren davor und speziell während der Lockdowns so boomte und viel Verpackungsmaterial braucht?
Der Onlinehandel trägt nicht die alleinige Schuld, aber er hat schon zur Krise beigetragen, weil die Produktion von Verpackungspapieren die Kapazitäten für grafische Papiere zurückgedrängt hat. Aber natürlich sind auch die Energiekosten schuld, die ja schon Ende vergangenen Jahres gestiegen sind und jetzt weiter steigen.
Hat sich diese Situation schon lange abgezeichnet?
Ich würde sagen: nein. Wenn die Lockdowns nicht gewesen wären, dann hätten die Papierfabriken wahrscheinlich weiter so wie vorher Papier produziert, auch zu günstigeren Preisen. Und so waren sie gezwungen, die Papiermaschinen abzustellen.
Alleine mit dem Buchmarkt wäre die Flaute bei der Nachfrage während der Lockdowns nicht zu bewältigen gewesen?
Nein. Der Buchmarkt ist natürlich auch ein Markt. Aber der Großteil der Ware sind Werbedrucksorten, Kataloge, Broschüren. Sehr viele Drucksorten entstehen auch für Unternehmen und fast alle Unternehmen hatten Einbußen – auch dadurch wurde auch weniger gedruckt. Aber Print ist trotzdem nach wie vor der wichtigste Werbekanal. Dazu gibt es auch Umfragen und Studien. Die letzte Studie ist aus dem Februar 2022, das Werbebarometer von Focus MR. Demnach haben sich die Werbeausgaben rasch wieder erholt und liegen aktuell sogar über dem Vorkrisenjahr 2019 – weil die Firmen merkten, dass Printmedien weiterhin den stärksten Werbeeffekt haben. Sie waren mit 40,6 Prozent im Februar 2022 immer noch die stärkste Werbeform, gefolgt von Fernsehen mit 29,9 Prozent und Onlinewerbung mit 16,8 Prozent. Und Außenwerbung wie Plakate macht 6,3 Prozent aus und Kinowerbespots nur 0,1 Prozent. Print ist also nach wie vor mit Abstand der beste Werbeträger. Es ist unaufdringlich und hat auch nachgewiesen die höchsten Aktivierungsraten. Auch Onlineshops schicken immer wieder Printwerbung aus, um auf sich aufmerksam zu machen. Print wird es also trotz der Papierpreissteigerungen auch in Zukunft weiterhin geben.
„Für mich ist Papier mein Leben. Wenn ich Papier und den Geruch der Farbe dazu habe – dann fühle ich mich daheim.“
Der Buchhandel hatte schon vor dem vergangenen Weihnachten die Befürchtung, Bestseller nicht nachliefern zu können. Wie angespannt ist die Situation wirklich?
Der Buchhandel hatte noch viel Lagerware. Aber gerade bei Großproduktionen ist nicht nur das Papier teurer geworden, sondern die Hersteller müssen auch sehr lange auf Papierlieferungen warten – zwei bis sechs Monate sind keine Seltenheit. Das heißt, man sollte jetzt schon ein halbes Jahr vorher wissen, wie viel Bücher man zum Beispiel braucht. Früher hat man vielleicht einen Monat vorher die Bestellung aufgegeben. Da musste sich der Buchhandel erst umstellen, das war man so nicht gewohnt. Aber weil viel Lagerware vorhanden war, hat es dann eigentlich so gut wie keine Engpässe gegeben. Und für dieses Jahr Weihnachten wissen die Verlage und der Buchhandel schon, dass sie wesentlich früher bestellen müssen. Man muss sich halt einstellen auf die neue Situation.
Immer mehr wird digital angeboten. Hat Papier Zukunft?
Ja, auf jeden Fall. Erstens sind die Printmedien, wie gesagt, als Werbeträger immer noch am stärksten gefragt. Aber nicht nur deshalb ist Papier interessant, sondern auch wegen der Haptik. Die Menschen wollen etwas angreifen, wollen sich etwas notieren oder in einem Katalog blättern. Das wird nie ganz verschwinden, glaube ich. Auch wenn dann online bestellt und sehr viel auch online ausgesucht wird – es gibt doch gewisse Produkte, die man sich anschauen will, liegenlassen und dann noch einmal anschauen will. Das sieht man auch bei den Schulmaterialien: Es gibt Studien, denen zufolge Kinder nachweislich eine bessere Lernkurve haben, wenn sie die Materialien nicht nur online, sondern auch auf Papier gedruckt vorliegen haben. Der Mensch braucht das Haptische. Es produziert einfach mehr Aktivierung im Gehirn als das, was wir nur anschauen und nicht angreifen können. Und darum hat Papier auf jeden Fall Zukunft.
Was bedeutet Ihnen persönlich Papier?
Für mich ist Papier mein Leben. Wenn ich Papier und den Geruch der Farbe dazu habe, dann fühle ich mich daheim. Und egal wo ich auf Reisen bin: für mich ist es das Schönste, wenn ich eine Druckerei besichtigen kann. Mein Mann lacht immer darüber. Wir sind zum Beispiel einmal in Indien an einer Druckerei vorbeigefahren – da habe ich den Fahrer gleich gebeten, hinzufahren. Ich habe dort gefragt, ob ich die Druckerei besichtigen kann, habe erzählt, dass wir Kolleginnen und Kollegen sind – da wird man überall reingelassen und kann sich austauschen. Und ich finde so schön, was man alles machen kann mit Papier. Es gibt so viele ansprechende Papiersorten und so viele schöne, edle Produkte, die man aus Papier herstellen kann. Sehr schöne, hochwertige Kataloge, auch ganz spezielle Bücher – da schlägt mein Herz dann höher.
Papier in Fakten, Daten und Zahlen
Vorgänger Auch unsere Ahnen wollten sich Notizen machen, Wissen oder Ereignisse festhalten. Bevor Papier erfunden und in größerem Umfang hergestellt wurde, mussten sie auf andere Materialien zurückgreifen – Höhlenwände, Tontafeln, Palmblätter, Baumrinde oder auch Schildkrötenpanzer dienten zum Aufschreiben.
Papyrus war bereits im vierten Jahrtausend vor Christus in Ägypten im Einsatz. Es wurde hergestellt aus übereinandergelegten, möglichst dünnen Streifen des Marks der Papyruspflanze (auch als Zyperngras bekannt), unter anderem wurden alte in Wasser aufgeweichte und durch ein Tuch gefilterte Brotreste beigemischt. Papyrus ist, neben Pergament, einer der bekanntesten Vorgänger des Papiers.
Herkunft Fasern des Maulbeerbasts, Hanfabfälle, alte Fischernetze und Stoff durch Stampfen in Steinmörsern und Beimengung von Wasser zu Brei verarbeitet, mit einem Sieb geschöpft, gepresst, an der Sonne getrocknet und letztlich mit Steinen geglättet – dieses Verfahren aus China, das Minister Tsai Lun 105 n.Chr. beschreibt, gilt als Ursprung der Papierherstellung.
Meilensteine Als Meilensteine in der Geschichte des Papiers gelten die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johannes Gutenberg um 1450 und der ersten Langsieb-Papiermaschine durch den Franzosen Nicholas-Louis Robert im Jahr 1799.
Produktion 2,3 Millionen Tonnen Grafische-, 2,5 Millionen Tonnen Verpackungs- und 325.000 Tonnen Spezialpapiere sowie 2 Millionen Tonnen Zellstoff wurden laut Austropapier, der Vereinigung der Österreichischen Papierindustrie, im Jahr 2021 von 24 Betrieben mit rund 8000 Beschäftigten in Österreich hergestellt. Die Exportquote liegt bei 88,8 Prozent.