„Für andere verkaufen und verhandeln Frauen super – nur für sich selbst nicht“

„Für andere verkaufen und verhandeln Frauen super – nur für sich selbst nicht“
Foto: Minitta Kandlbauer
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  • Veröffentlicht: 05.07.2024
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„Dein Mindset und dein Selbstwert sind nicht in Stein gemeißelt!“ Mit dieser guten Nachricht und praktischen Tipps unterstützt Pamela Obermaier Frauen dabei, ihren Selbst- und Marktwert zu verbessern und beruflich (neu) durchzustarten. Im Interview verrät die Bestsellerautorin und diplomierte Mentaltrainerin, wie Frauen über Nacht mehr Geld verdienen können.

Bücher, die Frauen stärken sollen, gibt es viele. Ihr neues Buch „Wie viel bin ich wert?“ ist laut Cover „das einzige, das Frauen dazu bringt, über Nacht mehr Geld zu verdienen“. Hält es denn, was es verspricht?

Bei vielen passiert die Veränderung tatsächlich über Nacht: Einige meiner Kundinnen, die im 1:1-Ganztagscoaching mit mir an ihrem Selbst- und Marktwert gearbeitet haben, hatten am nächsten Tag endlich den Mut, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen – und zwar mit einer Selbstsicherheit, durch die sie diese auch bekommen haben. Und einige Selbstständige haben ihre Preise am nächsten Tag nach oben korrigiert. Dass es auch mithilfe des Buchs funktioniert, habe ich inzwischen von etlichen Leserinnen als Feedback bekommen. Mein Programm funktioniert aber auch deshalb über Nacht, weil man etliche Übungen am besten vor dem Schlafengehen durchführt, sodass sie sich richtig im Unterbewusstsein verankern.

Foto: Linda Mayr
„Unser Selbstbild ist verzerrt, weil wir immer wieder hören und lesen, dass wir nicht so fähig, nicht so clever, nicht so geistreich und nicht so wichtig wie Männer seien.“

Im Wesentlichen beschreiben Sie fünf Schritte – im ersten nehmen Sie die Ist-Situation von Frauen in der Businesswelt unter die Lupe. Dem Hinterfragen des weiblichen Selbstbilds kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, um den eigenen Selbst- und Marktwert zu steigern.

Das Selbstbild von uns Frauen ist noch in der Schieflage. In der patriarchalen Gesellschaft, in der wir leben, war die Geringschätzung von Frauen über Jahrhunderte etwas Normales und wurde über Generationen weitergegeben. Jahrhundertelange Unterdrückung und Gewalt an Frauen sind nicht spurlos an uns vorübergegangen. Selbst wenn ich das als Frau nicht selbst erlebt haben sollte, so hat es mit Garantie meine Mutter, meine Großmutter oder meine Urgroßmutter erlebt – und durch die Epigenetik wird das weitergegeben. Das bestätigen etwa Forschungen an Mäusen: Junge Mäuse reagieren auf Erdbeerduft mit Angst und Panik, wenn die Großelterngeneration einst in Kombination mit Erdbeerduft Stromschläge erhalten hat. Obwohl die junge Mäusegeneration sonst keinerlei Ängste zeigt, zucken sie bei Erdbeerduft zusammen, auch wenn sie selbst nie einen Stromschlag erlitten haben. Das zeigt uns, dass wir etwas in unseren Zellen gespeichert haben können, was uns selbst gar nicht betroffen hat.
Unser Selbstbild ist außerdem verzerrt, weil wir immer wieder hören und lesen, dass wir nicht so fähig, nicht so clever, nicht so geistreich und nicht so wichtig wie Männer seien. In den Medien sind immer noch 75 Prozent aller befragten ExpertInnen männlich – damit wird suggeriert, wir müssten uns die Welt von Männern erklären lassen. Drei Viertel derer, die an Fachhochschulen und Universitäten lehren, sind außerdem männlich. In der Politik sind 90 Prozent der Bürgermeisterposten in Österreich von Männern belegt. Es gibt in diesen Ämtern sogar mehr Menschen mit dem Namen Josef als Frauen – das ist absurd!

Tatsächlich profitieren nicht nur Frauen davon, wenn mehr Frauen in Führungspositionen sind, sondern auch Unternehmen. Laut einer Studie aus 2019 verzeichnen Unternehmen dadurch deutliche Gewinnsteigerungen von bis zu 20 Prozent. Das negative (Selbst-)Bild ist keinesfalls gerechtfertigt. Die gute Nachricht ist: Wir können es ändern.

Ja, das Potenzial ist vorhanden. Wenn Frauen die fünf Schritte der Transformation gehen, wie ich sie im Buch beschreibe, lassen sich alte, falsche Überzeugungen, die von der Gesellschaft auferlegt wurden, aufbrechen und neue darüberlegen. Um die Schieflage auszubalancieren, muss ich sie aber zuerst erkennen.

„Wenn Frauen in die Sichtbarkeit gehen, sind sie oft besonders harter Kritik ausgesetzt. Es wird derart über ihr Äußeres hergezogen, wie das bei Männern nur selten der Fall ist.“

Das negative Selbstbild und der gesellschaftliche Blick auf Frauen wirken sich außerdem ungünstig auf deren Sichtbarkeit aus. Wer sich aber nicht zeigt, wird nicht gesehen und ergo nicht geschätzt.

Absolut. Das erlebe ich auch bei meinen Kundinnen und Kunden, von denen 50 Prozent weiblich und 50 Prozent männlich sind. Dadurch habe ich den direkten Vergleich: Männer haben viel weniger Probleme mit der Sichtbarkeit oder damit, wegen ihres Aussehens bewertet zu werden. Frauen hingegen haben immer noch den Drang, dem Schönheitsideal zu entsprechen. Und wenn sie nun in die Sichtbarkeit gehen, sind sie tatsächlich oft besonders harter Kritik ausgesetzt. Es wird derart über ihr Äußeres hergezogen, wie das bei Männern nur selten der Fall ist. Das führt zum Beispiel dazu, dass sich viele meiner Kundinnen auf Social Media nicht zeigen wollen. Eine Kundin meinte etwa: „Bevor ich Fotos von mir poste, muss ich erst 30 Kilo abnehmen.“ Das hat noch kein einziger Mann zu mir gesagt!

„Sich selbst abzulehnen, hat noch niemanden schöner, erfolgreicher oder gar glücklicher gemacht!“

Wie lässt sich diese selbstkritische Haltung, die Frauen stark ausbremst, überwinden?

Ein wichtiger Schritt ist, den eigenen Selbstwert nicht länger vom Äußeren abhängig zu machen. Bauch, Beine und Po sind nicht mehr wert als Herz, Hirn und Vision. Die Lösung ist, im Inneren zu erfahren und zu begreifen, wie wertvoll wir Frauen sind. Frauen sollten auch damit aufhören, allen gerecht werden zu wollen. Sie dürfen erkennen, dass Selbstzweifel auf falschen Überzeugungen beruhen und eine schlechte Angewohnheit sind, die man überschreiben und neu programmieren kann. Sich selbst abzulehnen, hat noch niemanden schöner, erfolgreicher oder gar glücklicher gemacht! Wichtig ist auch, zu erkennen, dass Mindset und Selbstbild nicht in Stein gemeißelt sind ich kann beides jeden Tag ändern.

Im zweiten Schritt steht in Ihrem Buch unsere Sicht auf Geld auf dem Prüfstand.

Viele Frauen haben unbewusste Überzeugungen und Glaubenssätze, die in einem negativen Kreislauf münden etwa die Überzeugung, nicht mehr Geld haben zu dürfen als die eigene Herkunftsfamilie. Beim Money-Fokus geht es um eine neue Haltung, die langfristig zu finanzieller Gesundheit führen kann. Dazu muss man seine Überzeugungen aufspüren und neu programmieren: Wie habe ich meine Mutter, meinen Vater als Kind im Umgang mit Geld erlebt? Waren sie großzügig? Oder haben sie immer gesagt, man müsse sparsam sein? Wir sollten ins Fülledenken kommen: „Ich nehme Geld mit Dankbarkeit an. Meine positiven Gedanken und Gefühle wirken sich auf mein Einkommen aus. Ich bin dankbar für alles, was ich bereits habe.“

Sie verstehen sich als Mutmacherin und geben als solche auch viele kleinere praktische Tipps, wie Übungen im Restaurant, etwa das Reklamieren der zu kühlen Suppe, die die Selbstbehauptung fördern. Im dritten Schritt unterstützen Sie dabei, den eigenen Gamechanger zu finden und Chancen zu ergreifen. Worum geht es dabei?

Es geht darum, die eigenen Möglichkeiten zu erkennen. Viele sind im Trott gefangen: Man hat nach der Ausbildung einen Beruf erlernt, einen Job gefunden und bleibt dann dabei, ohne ihn jemals zu hinterfragen. Viele verkaufen sich unter Wert und merken vielleicht erst jetzt mit der Teuerung und Wirtschaftskrise, dass das Geld knapp ist. Hier empfehle ich mentale Arbeit. Man könnte sich Folgendes bewusst machen: Alles, was man besitzt und was man ist, hat man irgendwann selbst erdacht.

„Frauen, die nichts fordern, kriegen auch nichts.“

Um im vierten Schritt die eigene Bescheidenheit abzulegen, empfehlen Sie unter anderem, den eigenen Marktwert zu erforschen.
Genau. Nachdem Frauen für andere sehr gut verkaufen können, dürfen sie jetzt lernen, das auch bei sich selbst zu schaffen. Um den eigenen Wert auf dem Markt und für eine Firma – den Businesswert – zu eruieren, gebe ich im Buch einige Anleitungen: etwa zu recherchieren, was andere in gleichen Positionen und ähnlichen Bereichen verdienen. Man könnte sich auch fragen: Wie viel würde ich jemandem bezahlen, der die gleiche Arbeit macht wie ich, wenn ich deren Ergebnis brauchen würde? Was ist das Vorher-nachher-Erlebnis für Menschen, die mich beauftragen?

Im letzten Schritt sollen Frauen Sicherheit und Mut gewinnen, um sich endlich zu holen, was ihnen zusteht.
So ist es! Frauen, die nichts fordern, kriegen auch nichts. Indem sie an ihrem Auftreten arbeiten, werden sie überzeugend, souverän und einnehmend. Viele Frauen sollten auch an ihrer Stimme arbeiten. Wir sind grundsätzlich auch da im Nachteil, weil tiefere Stimmen als angenehmer empfunden werden. Außerdem empfehle ich, sich gut auf Preis- und Gehaltsverhandlungen vorzubereiten, indem man sich Argumente zurechtlegt und das Verhandeln in Rollenspielen übt. Wichtig ist, dem anderen zu vermitteln: Das hast du davon, wenn du mich einstellst. Diesen Mehrwert bekommst du, wenn du mir mehr bezahlst. Viele sind in der Verhandlungsposition ganz verkrampft bei dem, was sie wollen und vergessen, dass sich eine Win-win-Situation ergeben muss: Ich muss dem Gegenüber auch etwas bieten.

Pamela Obermaier:
Wie viel bin ich wert?
Goldegg Verlag 2024.