„Es gibt für alle einen Platz“

„Es gibt für alle einen Platz“
Foto: Foto Kerschi
  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 30.08.2023
  • Drucken

Nach den Protesten gegen die Änderungen, die sich durch die neue Kinderbildungs- und -betreuungs-Novelle für die Tageseltern und die betroffenen Eltern ergeben, nimmt Landeshauptmann-Stellvertreterin und Familienlandesrätin Christine Haberlander Stellung.

Frau Haberlander, vorab: Wie ist die Kinderbetreuung in Oberösterreich organisiert?

Grundsätzlich liegt die rechtliche Zuständigkeit für eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung bei den Gemeinden. Das bedeutet, dass diese für die Organisation und die Durchführung verantwortlich sind. Das Land Oberösterreich stellt dafür Fördermittel zur Verfügung und schafft die rechtlichen Rahmenbedingungen im Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Wie sich die Gemeinde organisiert, ob sie die Kinderbetreuung selbst übernimmt, sich eines Trägers wie der Caritas oder des Hilfswerks bedient oder auch auf Tagesmütter zurückgreift, das kann die Gemeinde selbst entscheiden.

Wie kam es zu den besagten Änderungen in der Oö. Kinderbildungs- und Betreuungs-Novelle betreffend der Kinderbetreuung im Kindergarten und bei Tageseltern?

Die Gewerkschaften der Angestellten in den Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen sind im vergangenen Jahr mit dem Wunsch nach Verbesserungen, was die Betreuung der Kinder und die Rahmenbedingungen für die MitarbeiterInnen betrifft, an die Politik herangetreten. Dazu fanden dann über Monate hinweg Gespräche zwischen dem Städte- und Gemeindebund als Auftraggeber für diese Organisationen und den Verantwortlichen des Landes Oberösterreich als Fördergeber und den Gewerkschaften statt. In diesen Verhandlungen hat man sich auf wichtige Punkte geeinigt, die indirekt auch die Tagesmütter betreffen. Für mich ist es dabei wichtig und wesentlich zu betonen, dass die Kinderbildungs- und -betreuungseinrichtungen nun erstmals in der Geschichte fixe Öffnungszeiten haben, 47 Wochen im Jahr. Das bedeutet absolute Planungssicherheit für die Eltern. Der zweite wesentliche Punkt ist, dass ab drei Kindern am Nachmittag eine Betreuung vorhanden sein muss, damit die Eltern auch hier Sicherheit haben. Das ist jetzt der Punkt, wo in einzelnen Regionen Unsicherheit für die Tagesmütter entstanden ist. Wir haben gesagt, dass, wenn die Kinder am Vormittag im Kindergarten sind und auch noch am Nachmittag Bedarf besteht, die Räumlichkeiten auch am Nachmittag genutzt werden sollen. So spart man sich das Herumfahren. Die Räumlichkeiten sind schließlich nach Qualitätsstandards gebaut worden. Das heißt, die Tagesmutter kann die Kinder in der Einrichtung betreuen. Nicht die Kinder reisen, sondern die Tagesmutter.

„Wir haben die Nachmittagsbetreuung rechtlich abgesichert, nur findet sie nicht mehr zu Hause, sondern im Kindergarten statt.“

Stimmt es, dass dem Land Oberösterreich der genaue Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen in den einzelnen Gemeinden nicht bekannt ist und es keine einheitliche Datenbank gibt? Wäre es nicht sinnvoll, diese zu schaffen, um auf Basis dieser zu entscheiden?

Die Kompetenz dafür liegt bei den Gemeinden. Das ist ein Bekenntnis im Staatsaufbau zum Föderalismus und auch dazu, dass die Gemeinden in ihrer Autonomie ihrer Verantwortung gerecht werden. Ich bin davon überzeugt, dass es richtig ist, wenn dies bei den Gemeinden liegt, wenn man von Subsidiarität und Föderalismus überzeugt ist. Folglich gibt es auch keine staatliche Oberbürokratie. Wenn uns Beschwerden erreichen, dann nehmen wir Kontakt mit den Gemeinden auf, berichten darüber und bitten die Gemeinde, im Interesse der Familien, aber auch im eigenen Interesse, ihre Aufgaben wahrzunehmen.

Sie haben stets betont, dass Oberösterreich, besonders für Frauen, das „Land der Möglichkeiten“ ist. Spricht das Einschränken der Tageselternförderung nicht dagegen?

Das Land Oberösterreich schränkt keine Förderungen ein – die Tagesmüttervereine werden weiterhin, wie auch zuvor, gefördert. Ganz im Gegenteil: Wir schaffen Sicherheit für Frauen. Wir schaffen fixe Öffnungszeiten, die die Gemeinde anbieten muss, und den fixen Anspruch auf eine Nachmittagsbetreuung, die nicht erst erkämpft werden muss. Ab drei Kindern ist die Gemeinde dazu verpflichtet. Wir haben die Nachmittagsbetreuung rechtlich abgesichert, nur findet sie nicht mehr zu Hause, sondern im Kindergarten statt. Die Gemeinde kann dafür auch Tagesmütter anstellen. Sehr viele von ihnen sind pädagogische Assistentinnen und verfügen über die entsprechende Qualifikation.

„Welt der Frauen“ hat mit zwei Betroffenen persönlich gesprochen. Zum einen mit einer Tagesmutter, die um ihre Stelle fürchtet, zum anderen mit einer alleinerziehenden Mutter, die ohne die Mischbetreuungsform ihren Vollzeitberuf nicht ausüben könnte und dadurch in ihrer Existenz bedroht ist. Was entgegnen Sie diesen Frauen?

Dass die Betreuung gewährleistet bleibt. Die Tagesmutter kann auch für die Betreuung im Kindergarten eingesetzt werden. Wir haben dafür gesorgt, dass es auch am Nachmittag eine Betreuung für die Kinder geben muss. Unter drei Kindern bleibt die Möglichkeit der Betreuung bei der Tagesmutter bestehen.

Warum gilt diese Regelung erst ab drei Kindern? Sind Ausnahmeregelungen nicht erneut mit mehr Aufwand für alle Beteiligten verbunden?

In den Fällen von weniger als drei Kindern halte ich es für wichtig, dass es die Möglichkeit gibt. Ich würde das nicht als Ausnahmeregelung bezeichnen, sondern als eine gewisse Flexibilität. Das ist notwendig, weil jede Gemeinde anders ist, zum Beispiel aufgrund der Fläche, oder wenn eine Mutter kurzfristig einen Job bekommt oder eine Betreuungsperson ausfällt. So kann man schnell und zeitlich flexibel reagieren. Trotzdem war es wichtig, den Rechtsanspruch ab drei Kindern am Nachmittag zu verankern.

„Irgendwann muss man Flagge zeigen. Das haben wir getan, indem wir gesagt haben, wir wollen Kinderland Nummer eins werden.“

Es ist kein Geheimnis, dass man gerade in Kindergärten und Krabbelstuben seit Jahren mit einem Personalmangel kämpft – wie will man hier ausreichend BetreuerInnen bereitstellen, damit längere Öffnungszeiten gewährleistet werden können? Dazu gab es bereits Bedenken.

Irgendwann muss man Flagge zeigen. Das haben wir getan, indem wir gesagt haben, wir wollen Kinderland Nummer eins werden. Wir geben hier klare Regeln vor. Jetzt zu sagen, das ist alles zu streng und zu viel, halte ich für völlig falsch, wenn man zuvor gesagt hat, das alles zu wenig und zu langsam ist. Es gibt einen Bedarf, den wir decken wollen. Wir wollen vorankommen, das ist unser klarer Anspruch. Natürlich wird das in den kommenden Jahren ein Kraftakt werden, besonders wenn wir auf die Geburtenrate achten.

Wir haben einerseits das Ziel, das Angebot an Gruppen auszubauen, was uns auch gut gelingt. Gleichzeitig wollen wir andererseits die Öffnungszeiten ausweiten und die Gruppen verkleinern, damit mehr Bildungs- und pädagogische Arbeit stattfinden kann. Kleinere Gruppen waren auch ein Wunsch der Gewerkschaft. Das schafft bessere Rahmenbedingungen für die MitarbeiterInnen, was den Beruf wieder attraktiver macht. Wir erwarten, dass dadurch mehr Menschen in die Ausbildung und später in den Beruf gehen. Damit verbunden ist eine Lohnerhöhung von 250 Euro, laut Gewerkschaft die höchste seit 20 Jahren.

Von Betroffenen wurde neben fehlender Information auch das Fehlen einer Übergangsfrist beklagt – wieso wurde darauf verzichtet?  

Wir haben im letzten Jahr unter großer medialer Aufmerksamkeit verhandelt. Es gab unzählige Medienberichte. Im Dezember gab es eine große Pressekonferenz mit anschließender Information der Gemeinden. Das Begutachtungsverfahren war öffentlich, sehr viele Institutionen nahmen Stellung. Es ist alles transparent abgelaufen, die Gemeinden wussten stets Bescheid. Die Tagesmüttervereine waren informiert. Eine Stellungnahme zu dem Gesetz wurde von den Tagesmüttervereinen jedoch nicht abgegeben.

„Wichtig ist, das habe ich auch bei den Verhandlungen gemerkt, dass man aufeinander zugeht und zuhört, wo die Bedürfnisse liegen.“

Als Reaktion auf die Novelle wurden einige Petitionen ins Leben gerufen.

Für diese wird es natürlich eine Antwort geben. Wir werden darauf achten, ob es bestimmte Hotspots gibt, und dort von Amts wegen mit den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern in Kontakt treten, um zu klären, ob es vielleicht ein Informationsdefizit gibt, oder um auf die rechtlichen Verpflichtungen der Gemeinden aufmerksam zu machen. Wichtig ist, das habe ich auch bei den Verhandlungen gemerkt, dass man aufeinander zugeht und zuhört, wo die Bedürfnisse liegen. Dann findet man auch eine Lösung. Ich bin überzeugt, dass es für alle einen Platz gibt.