Für die einen ist sie etwas Kraftvolles und Urweibliches, für die anderen schmerzvoll und nur unbequem: die Menstruation. Was bedeutet uns die monatliche Blutung während der fruchtbaren Frauenjahre und darüber hinaus?
Menstruation: die rote Hassliebe
„Ich war mit 16 Jahren mit Abstand die Letzte in meiner Klasse, die ihre erste Monatsblutung bekam“, erzählt Anita M., eine 44-jährige Lehrerin aus Wien. Das Grübeln, ob sie jemals zur Frau werde, hatte endlich ein Ende. Dafür begann sie, monatlich unter Regelschmerzen zu leiden. Schmerztabletten wurden ihr Rettungsanker für diese Tage.
Als sie Jahre später das erste Mal schwanger wurde, war ihr erster Gedanke: Neun Monate keine Regelschmerzen! Die Geburt erlebte sie als kraftvoll, ganz im Gegensatz zu den monatlichen Beschwerden, denen sie sich ohnmächtig ausgeliefert fühlte. Das Geburtserlebnis brachte noch eine Erkenntnis: Sie deutete die Regelschmerzen nun als eine Art Training für die Geburt, als etwas Sinnvolles, und so verzieh sie ihrer Menstruation.
Wie lange dauert die Regelblutung?
Hat die Menstruation Nachsicht verdient? Die Antwort wird für jede Frau anders ausfallen. Diese kommt aber nicht darum herum, eine Beziehung zu diesem körperlichen Vorgang aufzubauen. Immerhin verbringt eine Frau zusammengerechnet circa sechs Jahre ihres Lebens menstruierend, sie verliert dabei insgesamt 30 Liter Blut und Gebärmutterschleimhaut. Letztere baut sich während der fruchtbaren Jahre einer Frau im zyklischen Ablauf auf, damit sich eine befruchtete Eizelle einnisten kann, kommt es aber zu keiner Befruchtung, wird diese Schleimhaut abgestoßen, dadurch entsteht eine Blutung.
So weit der biologische Vorgang – doch was bedeutet dieser uns Frauen und was sagt der Umgang damit über eine Gesellschaft aus?
Die Regel: Viele Tabus und Gebote
Man könnte meinen, die monatliche Blutung, die durchschnittlich im Alter von zwölf einsetzt und bis circa zum 51. Lebensjahr dauert, sei ein normaler körperlicher Vorgang, der die Fruchtbarkeit der Frau anzeigt. Oder die Blutung sei ein gewöhnliches Körpersekret, das auf derselben Stufe wie die Samenflüssigkeit steht. Doch weit gefehlt: Die Geschichte des „weiblichen Blutes“ ist schwer belastet mit Mythen, Tabus, Geboten und Verboten. In vielen Religionen – vor allem in ihren älteren oder strengen Auslegungen – gilt eine blutende Frau als unrein und muss gewisse Orte und Handlungen meiden, wie in der Sozialgeschichte der Menstruation „Die unpässliche Frau“ nachzulesen ist (Mabuse Verlag 2002).
Jene Volksmythen von der Unreinheit der Frau und der Giftigkeit ihres Blutes hielten sich laut den Autorinnen Sabine Hering und Gudrun Maierhof bis ins 20. Jahrhundert: So sei die Geschichte der Menstruation „auch eine Geschichte der Ideologien und Erkenntnisse über den weiblichen Körper.“
„Bist du schon unwohl?“
„Wenn Marmeladen oder der Speck nicht gelangen, schob das meine Mutter halbernst auf ihre Regel“, erinnert sich die 40-jährige Salzburgerin Beate S. Das war eine der seltenen Situationen, in denen ihre Mutter über die monatliche Blutung gesprochen hat, sagt die Lektorin.
Sie habe ihr als Mädchen auch nicht erklärt, was in der Pubertät auf sie zukommen werde. Zu schamvoll war der Umgang in ihrer Generation. Irgendwann fragte die Mutter Beate S. dann, ob sie schon „unwohl“ sei, so ihre Bezeichnung für die Regel. Diese Frage beschämte Beate S. zutiefst. Jeden Fleck in ihrer Unterwäsche wusch sie aus, bevor sie das Kleidungsstück ihrer Mutter zum Waschen gab.
Heute ist der Umgang gewiss weniger schambesetzt, erklärt Martina Morawitz, die als Sozialarbeiterin junge Mädchen in den Wiener Beratungsstellen „First Love“ berät; wenngleich es immer noch Mädchen gebe, die sich schämten oder in der Monatsblutung etwas Krankhaftes sähen. Die Einstellungen seien sehr unterschiedlich.
Die Teenager hätten aber trotz Internet oftmals kein gutes Wissen über das Zyklusgeschehen. Das bestätigt auch die Wiener Frauenärztin Doris Gruber. Oft wüssten sie besser über Verhütung Bescheid. Erwachsene Frauen könnten aber sehr gut mit der Regel umgehen und legten ein „gutes Körperbewusstsein an den Tag“. Vor allem, wenn eine Frau ein Kind möchte, gewinne das Zyklusgeschehen naturgemäß an großer Bedeutung, so Gruber. Ansonsten sei die Periode doch für viele eher unangenehm.
Wendepunkt Kinderwunsch
Freude über die Fruchtbarkeit und doch unbequem? Umfragen spiegeln dieses ambivalente Bild wider: Etwas weniger als die Hälfte empfindet demzufolge die monatliche Blutung als notwendigen Vorgang, der weder positiv noch negativ ist; 20 Prozent sehen sie als positiv, etwas, was zum Frausein dazugehört. Immerhin 30 Prozent erleben die Regel als Einschränkung ihrer Lebensqualität und als Belastung, etwa aufgrund von Schmerzen. Das ergab eine Befragung von über 600 Frauen durch das Salzburger Frauengesundheitszentrum „ISIS“ im Jahr 2012. Hier gibt es kaum Unterschiede, bezogen auf die Altersgruppen.
Charlotta G., Anfang 40, gehört zu jenem Drittel, für das die Periode eine Einschränkung darstellt. Die Künstlerin aus Oberösterreich hatte lange mit einer Hormonspirale verhütet und allmählich keine Blutung mehr. Nach einer Operation, bei der auch die Spirale entfernt wurde, hatte sie erstmals nach 15 Jahren wieder eine Blutung, und das wochenlang. Das ständige Tragen von Binden erlebte sie als „total beeinträchtigend“. Auch wenn sie zuversichtlich ist, die Regel nun wieder in ihr Leben integrieren zu können, denkt sie, dieses unbequeme Gefühl sei mitunter ein Grund, warum Frauen nicht so selbstbewusst auftreten.
Larissa F. hatte sich gar gefürchtet, als mit zwölf Jahren ihre Menarche einsetzte. Ihre Mutter hatte sie an und für sich positiv auf die Veränderung eingestimmt. Die heute 26-jährige Sozialpädagogin aus Wien hat dann bald begonnen, die Pille zu nehmen, und ihre „Abbruchblutung“ war schwach.
Als sie dann aber die Pille wegen Beschwerden absetzte und lange auf eine regelmäßige und stärkere Blutung warten musste, dachte sie völlig um. „An diesem Punkt wurde meine Regelblutung enorm wichtig. Ich setzte mich viel mit der Natürlichkeit des weiblichen Körpers auseinander“, erzählt sie. Heute definiert sie sich zum Teil auch über dieses zyklische Geschehen. „Bluten zu können ist zu etwas Tollem geworden.“
Menstruation: lästig oder Kraftquelle?
Larissa F.s Beispiel zeigt in Ansätzen die zwei Pole, die heute die Diskussion um die Menstruation prägen: Für die einen ist die Blutung eigentlich überflüssig, solange die Frau kein Kind will.
Die Natur habe die fruchtbare Frau als entweder schwanger oder stillend vorgesehen, sicher aber nicht als so oft menstruierend wie heutige Frauen, meinen etwa der brasilianische Gynäkologe Elsimar Coutinho und der US-Biochemiker Sheldon Segal in ihrem umstrittenen Buch „Ist die Menstruation überflüssig?“ (erschienen 2000).
Sie plädierten dafür, dass Frauen ruhig ihre „Tage“ mittels Langzeiteinnahme der Pille unterdrücken und dadurch viel seltener bluten könnten. Passend zur heutigen Zeit wird das „Menstruationsmanagement“ genannt. Ob das Risiken hat oder Vorteile, ist unter ExpertInnen sehr umstritten.
Frauenärztin Gruber etwa sieht diese Tendenz skeptisch: „Wenn es einen medizinischen Grund gibt, etwa starke Schmerzen, dann bin ich dafür, die Pille durchgehend zu nehmen. Aber ich würde das nicht als Konzept für alle Frauen empfehlen. Frauen schätzen es, einen Zyklus zu haben.“ Besonders warnt sie davor, wenn junge Mädchen mit der Pille beginnen, bevor noch das Zusammenspiel der Hormone wirklich in Gang gekommen sei. Das könnte sich negativ auf die spätere Fruchtbarkeit auswirken.
Umstritten sind jene Ideen, die Regel bis auf kurze Phasen abzuschaffen, auch unter Frauen. Einige sehen darin keine Befreiung, sondern eine neuerliche Vorschrift und Anpassung an Zwänge, als Frau immer perfekt sein zu müssen und womöglich für Männer sexuell verfügbar. Wie heutige Männer über die Blutung denken, ist übrigens wenig beforscht. Einzelne Studien weisen auf eine eher negative Einstellung hin.
Für manche aber wäre es doch ein verlockender Gedanke: Gemäß der Salzburger Befragung würden 38 Prozent der Frauen gerne auf eine Blutung verzichten, solange sie hormonell verhüten. 33 Prozent sagen klar „Nein“ und 29 Prozent sind skeptisch. Vielleicht hat das Bluten ja doch eine positive Auswirkung auf den Frauenkörper oder einen tiefen Sinn, der weit über den Wert der Fruchtbarkeit hinausgeht? Da dieser Sinn nicht restlos geklärt ist, bleibt Raum für allerhand Auslegungen und Idealisierungen.
„Roter Faden zu mir selbst“
All jenen, die die Menstruation schlechtmachen, möchte Gabriele Pröll ein gänzlich anderes Bild entgegensetzen und sie an positive Mythen erinnern, die es auch stets gegeben hat. Die 56-jährige Wiener Erziehungswissenschaftlerin und „Beraterin zur Selbstheilung“ sieht die natürliche Regel als „Zeit der Einsicht und inneren Fülle“ und damit als vielfach unterschätzte Kraftressource.
Sie sei ein „roter Faden“, der immer wieder zu sich selbst führe, eine Zeit der besonderen Sensibilität. Die Periode sei nicht nur Ausdruck der Fruchtbarkeit und damit einer enormen Kraft, sondern biete auch die Chance, symbolisch mit dem Blut alles in einem loszulassen, was im Unreinen sei.
Gutes Körperbewusstsein
Einige Frauen sind zu ähnlichen Erkenntnissen gelangt. Andere können damit weniger anfangen. Wie etwa Beate S., die aber betont, sie spüre, dass der natürliche Zyklus ihrem Körper guttue. Sie möge es, wenn am ersten Tag der Menstruation das Blut aus ihr herausrinne, in dem Moment fühle sie sich tatsächlich gereinigt.
Ob die Regel einen tieferen Sinn hat, wisse sie nicht, aber eines sei für sie klar: Frauen würden dadurch an Körperbewusstsein gewinnen, da sie sich ständig mit dem Ablauf der Menstruation auseinandersetzen müssten: Ist sie zu stark, halbwegs regelmäßig oder zu lang? Hierin liege zwar die Gefahr, dass Frauen zu erduldend würden, aber auch die enorme Chance, mit körperlichen Vorgängen besser umgehen zu können.
Was die Menstruation ihnen bedeutet, wissen viele erst, wenn sie länger ausbleibt oder wenn sie nie mehr kommt, wie in der Menopause.
„Meine Menstruation und ich haben nach heftigen Anlaufschwierigkeiten ganz entspannte Jahre miteinander verbracht. Ich kann sie in Frieden gehen lassen!“
Menopause: Trauer über die Wechseljahre?
Für jüngere Frauen sind die Wechseljahre vor allem mit einem verbunden: dem Altwerden. Jüngere haben daher in vielen Fällen ein negativeres Bild als Ältere, die tatsächlich diese Phase durchlebt haben, wie ebenfalls die Salzburger Studie zeigt. Ältere Frauen sehen dagegen sehr wohl den Vorteil der Befreiung von Verhütung und Regel.
Anita M. steht diese Phase noch bevor, aber sie ist gelassen: „Meine Menstruation und ich haben nach heftigen Anlaufschwierigkeiten ganz entspannte Jahre miteinander verbracht. Ich kann sie in Frieden gehen lassen.“ Nun ist sie dabei, ihren zwei Töchtern den Eintritt in eine neue Lebensphase nahezubringen. Sie gibt zu, Angst zu haben, etwas falsch zu machen.
„Ich will meine schlechten Erfahrungen nicht weitergeben, sondern wünsche mir, dass meine Töchter die Menstruation als Teil des Frauseins erleben, als Zeichen, dass ihr Körper die Möglichkeit bietet, ein Kind zu haben. Und als kleine Erinnerung an den ,Kreis des Lebens‘, an Sterben und Werden.“
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