Das Netzwerk „Femme Fiscale“ fordert eine geschlechtergerechte Steuer- und Budgetpolitik. Die Regierung soll ein feministisches Konjunkturpaket im Ausmaß von 12 Milliarden Euro beschließen – für ein gutes Leben für alle!
Die Corona-Pandemie hat die Benachteiligung von Frauen nicht nur deutlich gezeigt, sondern auch noch weiter vorangetrieben. Auf einmal war noch mehr unbezahlte und schlecht bezahlte Arbeit zu erledigen – und das vor allem von Müttern, Krankenschwestern oder Supermarkt-Kassiererinnen. Viele Frauen sind an ihre Grenzen gestoßen, bei vielen ist die Wut groß und das Gefühl, alleingelassen worden zu sein.
Deshalb müssten wir gerade jetzt dringend in Gesundheit, Pflege, Kinderbetreuung und Bildung investieren, sagen die Organisatorinnen der „Petition für ein feministisches Konjunkturpaket“. Zwölf Milliarden Euro braucht es ihrer Meinung nach, und die Liste der Forderungen ist lang: Pflegerinnen, Kindergärtnerinnen und Lehrerinnen sollen mehr Geld bekommen, pflegende Angehörige sollen unterstützt und Frauen vor Gewalt in der Familie besser geschützt werden.
Hinter der Petition steckt „Femme Fiscale“, ein feministisches Netzwerk unterschiedlicher Gruppen, darunter die Katholische Frauenbewegung, Attac und die „Plattform für Alleinerziehende“. Ihr Ziel: eine geschlechtergerechte Steuer- und Budgetpolitik.
„Wir müssen benennen, was falsch läuft. Wenn es ungerecht zugeht, profitiert eine Gruppe auf Kosten einer anderen. Gerechtigkeit heißt in diesem Fall, parteiisch zu sein und für Frauen einzutreten.“
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Wozu brauchen wir das?
„Wir brauchen eine feministische Wirtschaftspolitik, weil wir momentan eine Wirtschaftspolitik haben, die Frauen benachteiligt“, sagt Angelika Ritter-Grepl, Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung Österreichs. Für sie geht es bei der Petition vor allem um Gerechtigkeit – neben Liebe und Freude eine der drei zentralen christlichen Botschaften.
Sind Frauen gleichberechtigt?
„Es gibt in unserer Gesellschaft immer noch große Unterschiede zwischen Männern und Frauen“, sagt die Ökonomin Elisabeth Klatzer, eine der Initiatorinnen der Petition. „Die grundlegende Frage ist: Wer leistet welche Arbeit und wie gut oder schlecht wird er oder sie dafür bezahlt? Leider ist die traditionelle Wirtschaftspolitik geschlechterblind – und das verstärkt den ungerechten Status quo.“ Ein Beispiel dafür sei der Familienbonus, von dem in Wahrheit vor allem besser verdienende Väter profitierten. Die Petition schlägt deshalb einen „Kinderbonus“ vor: Eine Erhöhung des Kindergeldes, von dem alle Kinder profitieren würden – auch jene aus einkommensschwachen Familien.
Welche Rolle spielt die Coronakrise?
Doch die Krise bietet auch eine Chance, genauer hinzuschauen. Angelika Ritter-Grepl sagt: „Ich bin unglücklich und zugleich glücklich darüber, dass seit Langem wieder die Alltagsbewältigung im Vordergrund steht. Das Private wurde wieder politisch. Unsere Arbeitsteilung erlegt den Frauen die ganze Verantwortung für das tägliche Leben auf – diese Situation hat sich durch Corona zugespitzt“, so Ritter-Grepl. „Natürlich wirkt es in vielen Familien logisch, wenn die Mutter ihre Arbeitszeit reduziert und der Vater mehr Zeit am Familiencomputer kriegt, weil er eben mehr verdient. Aber wir müssen das gemeinsam hinterfragen. Es ist fatal, wenn Frauen wegen Corona weniger arbeiten und in der Folge weniger verdienen. Die Frauen haben die Verantwortung ganz selbstverständlich übernommen – und sie tun das, bis sie zusammenbrechen.“
„Die Ausgangsbeschränkungen haben gezeigt: Wir tun immer wieder so, als ob Frauen unbegrenzt belastbar seien. Aber es schadet der Gesellschaft und der Wirtschaft, wenn Frauen permanent überlastet werden.“
„Die Ausgangsbeschränkungen haben gezeigt: Wir tun immer wieder so, als ob Frauen unbegrenzt belastbar seien. Aber es schadet der Gesellschaft und der Wirtschaft, wenn Frauen permanent überlastet werden.“
Was muss passieren?
Für Angelika Ritter-Grepl wäre eine Kampagne ein erster Schritt: „Es gab viele Aufrufe: ,Tragen Sie Maske! Halten Sie Abstand!‘ Warum nicht auch: ,Sagen Sie frühzeitig Nein, wenn Sie sich überfordert fühlen!‘“
Die Ökonomin Elisabeth Klatzer fügt hinzu: „Wir brauchen dringend eine Reduzierung der unbezahlten Arbeit durch gute öffentliche Leistungen. Trotz Krise haben Gesundheit, Pflege, Bildung und Kinderbetreuung keine Priorität in der Politik. Die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind beispielsweise schon lange extrem und überfordernd. Das muss sich dringend ändern!“
Nutzt das nur den Frauen?
„Wenn wir jetzt in Pflege, Gesundheit, Kinderbetreuung und Bildung investieren, hätte das weitreichende positive Folgen für alle Menschen in Österreich“, so Klatzer. „Auf der individuellen Ebene, weil es die Frauen und Familien entlasten würde. Und auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene, weil das System menschenfreundlicher wird und die Maßnahmen die Wirtschaft ankurbeln!“ Natürlich profitieren Männer auch ganz direkt von einer Aufwertung der Pflegeberufe und einem Ausbau sozialer Leistungen. Ein Beispiel: Auch ein Mann braucht vielleicht eines Tages eine Pflegekraft für seinen kranken alten Vater und ist froh, wenn diese gut ausgebildet und gut bezahlt ist. Außerdem zeigen Studien, dass deutlich mehr Männer bereit wären, in traditionellen Frauenberufen zu arbeiten, wenn die Löhne angehoben würden.
Wer soll das bezahlen?
Das Zwölf-Milliarden-Euro-Paket wäre eine Anfangsinvestition, die sich aber mittelfristig zumindest teilweise selbst finanzieren würde, weil auch die Wirtschaft profitiert. Wie? Erstens würde die Arbeitslosigkeit sinken, wenn massiv Personal aufgestockt wird, zum Beispiel in den Pflegeberufen. Zweitens hätte die Investition sogenannte Multiplikatoreffekte: Wenn man niedrige Löhne anhebt, werden die LohnempfängerInnen das zusätzliche Geld nicht sparen, sondern wieder für Konsum ausgeben. Die Organisatorinnen der Petition fordern darüber hinaus einen Corona-Lastenausgleich auf extrem hohe Vermögen und einen Stopp umweltschädlicher Förderungen.
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Illustration: Adobe Stock