Was das Meer uns über Pausen lehrt

Was das Meer uns über Pausen lehrt
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  • Veröffentlicht: 14.09.2023
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Ich liebe den Duft des Meeres, diese Mischung aus Salz und Feuchtigkeit. Kaum habe ich ihn in der Nase, komme ich zur Ruhe. Doch wie lässt sich diese entspannte Meereshaltung in den Alltag integrieren?

Ich muss nicht einmal direkt am Strand liegen. Es genügt schon, wenn ich im Urlaubsort aus dem Auto aussteige. Sobald ich den Geruch des Meeres wahrnehme, beruhigt sich mein gesamtes Nervensystem und Entspannung tritt ein. So schnell geht das manchmal. Zeitgleich taucht bei mir die Frage auf, warum es mir im Alltag nicht auch so rasch gelingt, auf Knopfdruck zu entspannen. Bräuchte ich einen Meeresbriese-Spray, um dem Gefühl Raum zu geben, oder hat es viel mehr mit meiner inneren Haltung zu tun?

„Kaum öffne ich im geliebten Heim die Koffer, packen sich die vertrauten Gedankenmuster gleichzeitig mit den Kleidungsstücken aus.“

Die Wirkung des Meeres geht jedoch noch tiefer. Spätestens beim Anblick des großen Wassers bin ich mental wie in einer anderen Welt. Nach zwei Tagen ist dies auch an meiner Ganggeschwindigkeit und an meinem Erscheinungsbild bemerkbar. Alles fährt eine Stufe runter, ist entspannter und achtsamer. Das mag an der Hitze liegen, aber ich bin sicher, auch das Meer beeinflusst meine Innenwelt. Ich wünsche mir, dass dieser Zustand auch zu Hause länger anhält. Doch kaum öffne ich im geliebten Heim die Koffer, packen sich die vertrauten Gedankenmuster gleichzeitig mit den Kleidungsstücken aus. Der Alltag hat mich so rasend schnell wieder, dass ich jedes Mal verblüfft bin. 

Warum ist es so schwer diese Meereshaltung in den Alltag mitzunehmen? Diese Frage stellte ich auch in meinem letzten Seminar. Die Seminarteilnehmerinnen bemerkten nach einem Brainstorming und intensiven Austausch, dass frau grundsätzlich wisse, was ihr guttut, ihr es jedoch oft an der Kraft zum Krafttanken fehle. Der Alltag, fordere sie so sehr, dass sie einfach nur müde seien. Genau dieses Thema betrifft viele Frauen, vor allem Mütter oder Frauen, die im Sozialbereich tätig sind. Wir geben unser Bestes, versuchen viele verschiedene Rollen in unserem Alltag zu erfüllen und vergessen allzu oft auf uns selbst.

Die Kunst des bewussten Pausierens

Ich liebe es, am Meer zu liegen und einfach nur zu schauen, an den verschiedenen Blautönen kann ich mich nicht sattsehen. Am liebsten beobachte ich die Wellen, wie sie kommen und gehen. Die Zeit des Beobachtens ist für mich jene Zeit, Gedanken zu sammeln, zu sortieren, zu reflektieren und sodann wieder loszulassen – so wie auch die Wellen kommen und gehen. Erst danach bin ich bereit, mich auf ein spannendes Buch einzulassen. Dieses Jahr entdeckte ich das Buch „Die Manana-Kompetenz“ von Maja Storch und Gunter Frank. Es beschreibt die Kompetenz des Pausenmachens. Gemeint ist jener Flow-Zustand, der unser vegetatives Nervensystem entspannen lässt. In unserem Alltag sind wir viel zu oft in Stresssituationen, sind mental angestrengt und vergessen zu sehr, den eigenen Parasympathikus zu stimulieren. Diesen regen wir an, indem wir uns unseren Leidenschaften, Träumen und Wünschen hingeben. Manchmal vergessen wir die positiven Seiten unseres Lebens, sind zu sehr im Tun und in der Pflicht. Für unsere Entspannung und vor allem für den angestrebten „Meereszustand“ ist es jedoch wichtig, diese Pausen-Flow-Kompetenz regelmäßig zu pflegen und in den Alltag zu integrieren.

„Die Herausforderung ist, herauszufinden, was mich wirklich zur Ruhe kommen lässt.“

In vielen verschiedenen psychologischen, fernöstlichen oder inneren Ausrichtungen wird das regelmäßige, bewusste Pausieren empfohlen. Sei es in der Lebenshaltung des Dolce Vita, im Flow-Zustand des Yogas oder in den achtsamen Ideen des Zen-Buddhismus. Das Hier und Jetzt, also die eigene innere Präsenz, spielt dabei eine tragende Rolle. Es geht darum, auf die eigene Innenwelt zu achten, sie selbst gut zu spüren und die eigenen Bedürfnisse in den Alltag zu integrieren, um sich erholen zu können. Da Menschen sehr unterschiedlich sind, kann diese Integration der eigenen Bedürfnisse sehr unterschiedlich aussehen. Für mich sind drei Tage Liegestuhl genug. Danach entspannt mich eine Aktivität, die mir leichtfällt, wie Yoga oder Spazierengehen. Brauche ich einmal eine herausfordernde Aktivität, gehe ich laufen oder mountainbiken. Aber auch die gemeinsame, erholsame Familienzeit kann eine Pause vom Alltag sein. Die Herausforderung ist, herauszufinden, was mich wirklich zur Ruhe kommen lässt. Wo vergesse ich Raum und Zeit? Wo und wann bin ich ganz bei mir?

Mit Hilfsankern zur inneren Meereshaltung

Am besten gelingt mir dieser Entspannungszustand am Meer. Nun wohne ich in Österreich und muss schon einige Stunden Anfahrtszeit in Kauf nehmen, um das Meer zu sehen. Deshalb habe ich mir in allen möglichen Situationen Erinnerungshilfen bereitgestellt, sogenannte Anker. Ein Meeresbild verziert mein Handydisplay. Der Bildschirm meines Computers strahlt in einem wunderschönen meeresblau. Urlaubsfotos sind in der Küche aufgehängt. Ein Schmuckstück, das ich mir selbst am Strand gekauft habe, erinnert mich täglich an meinem Arm tänzelnd an meine Meereshaltung. An besonders herausfordernd Tagen gönne ich mir regelmäßig Meersalzbäder, um mich an meine Meeresstimmung zu erinnern.

Ich versuche mich so oft wie möglich im Alltag an diesen gelösten Zustand am Meer zu erinnern, denn je öfter ich mich daran erinnere, desto öfter denke ich daran, einen Gang zurückzuschalten, die Dinge eine Spur langsamer zu erledigen und mehr im Hier und Jetzt zu sein. In diesen Meeresmodus einzutauchen, hilft mir Situationen oder Herausforderungen zu verarbeiten. Ich erinnere mich auch an das Kommen und Gehen der Wellen und verknüpfe es gerne mit meinen Gedanken. Ich darf Dinge annehmen, aber auch wieder loslassen. Das hilft mir, in meiner Kraft zu bleiben und diese aufzubringen, wenn ich Erholung nötig habe.

Alte negative Gedankenmuster und der Alltag schleichen sich dadurch weniger schnell ein. Jedes Muster wird erlernt und wenn wir regelmäßig darauf achten, diesen Entspannungszustand nicht nur im Körper, sondern auch in den Gedanken zu trainieren, dann wird er irgendwann zu einem neuen Muster. Dann wird das Nachhausekommen und das Zwölf-Minuten-Innehalten eine Selbstverständlichkeit. Dann fehlt es uns nicht mehr an der Kraft zum Krafttanken.

Im Prinzip können diese Entspannungszustände und das Integrieren von Manana, Dolce Vita und Zen-Buddhismus auf wenige Worte reduziert werden:

  • Lebe im Hier und Jetzt!
  • Atme durch!
  • Mach einmal am Tag etwas, das dich wirklich glücklich macht!
  • Halte inne!
  • Mach bewusste Pausen, in denen du nicht ins Handy schaust!

Und wenn der Alltag mich doch wieder überrollt oder die Kraft zum Krafttanken fehlt, dann darf das auch so sein. Dann bleibt mir immer noch das Träumen vom Meer!

Andrea Wurz B.Sc. i.A.

Kommunikations- und Resilienztrainerin,
Persönlichkeitsentwicklerin

Web: andreawurz.com