Buchempfehlung: „Malagash“

Buchempfehlung: „Malagash“
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  • Veröffentlicht: 30.08.2022
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Ein junges Mädchen begleitet seinen Vater in seinen letzten Tagen: Er stirbt an Krebs. So die Diagnose.

Fräulein Sundays Gespür fürs Sterben

Die Familie ist da, sogar die Brüder kommen ins Krankenhaus, es kommt zu lange anstehenden Versöhnungen. Doch nur mit seiner Tochter lacht der Sterbende so innig und herzlich, nur sie, so erscheint es ihr, ist ihm nah. Sie nimmt seine Stimme, sein Lachen, seine langweiligen Geschichten und dummen Witze auf: Sie sollen unvergesslich werden!

Der Erzählton ist mitunter rau, Sunday beobachtet nicht nur den immer schwächer werdenden Vater, sondern auch ihre Mutter, ihre Großmutter, die Ärztin im Krankenhaus: Wie gehen sie alle damit um, dass Vater stirbt? Die Ärztin erweckt Vertrauen, aber auch sie labert dem Teenager schließlich zu viel. Sunday hat einen Plan: Sie nimmt den Vater auf, programmiert aus diesen Äußerungen ein Computervirus, das heimlich auf die Festplatten von Millionen Computer gelangen und die Gedanken ihres Vaters somit rund um die Welt schicken soll. Vordergründig auf dieses Vorhaben fokussiert, betritt Sunday das Krankenhaus, das Krankenzimmer, steht am Krankenbett: Die Familie ist nach Malagash am Nordufer von Nova Soctai gezogen, hier ist Vater aufgewachsen, hier will er sterben. Man trauert anders, denkt Sunday, wenn man etwas bewahren, konservieren kann, dann ist das Lachen nicht weg, nicht einmal die flachen Witze werden vergessen sein!

„Ich habe meine Aufnahmen, und ich habe ein Virus zu konstruieren. Ich verkrieche mich in diesem Schrank mit den Laptops und ihrem unnatürlichen Licht, höre mir die Aufnahmen des Tages an und kopiere mir die Wörter und Phrasen heraus. Manchmal ganze Sätze, wenn sie sich richtig anfühlen. Ich werde ‚Auf Wiedersehen für immer’ in das Virus aufnehmen, aber es wird das allerletzte Stück sein. Der Schlussstein. Es gibt noch so viel mehr zu sagen vor dem Abschied.“
Seite 41

Klar ist, dass der Vater eine „weitere Runde Chemotherapie“ ablehnte und klar ist auch, dass ihre Mutter und „Hungerhaken“, wie sie ihren Bruder Simon nennt, seine Entscheidung eher respektieren können, als es Sunday selbst gelingt. Zwischen Erinnerungen an die erste Zeit der Ehe, zahlreichen Familienanekdoten, dem guten Essen, das die Großmutter täglich kocht und dem Besucherzyklus am Kranken- bzw. Sterbebett blitzt der Trotz dieser Menschen auf, unterschiedlich stark, unterschiedlich in seinem Ausdruck. Sehr viel Liebe ist in diesem Buch, sehr viel Trauer und sehr viel Aufbegehren und Hoffnung! Dieser All-Age-Roman führt seine LeserInnen in ungeahnte Tiefen, kurze Sätze können sehr tief und sehr schwer sein. Lesen ist auch immer Selbstbefragung und ein wenig Mut, sich verstören zu lassen.

Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen:

Empathie, Trauer, Verstörung, Hoffnung, feine Zeichnung unterschiedlicher Charaktere, die alle mit dem Sterben des Vaters zurechtkommen wollen, Phantasie, Zuneigung, Konfrontation mit einer Lebenswende, die einen lernen lässt

Joey Comeau

Der Autor: 1980 geboren, er ist u. a. Texter des Web-Comics A Softer World

 

Joey Comeau
Malagash.
Aus dem kanadischen Englisch von Tobias Reußwig.
Luftschachtverlag 2022.
ISBN 978-3-903081-51-2

 

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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