LehrerIn werden? Nein, danke!

LehrerIn werden? Nein, danke!
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  • Veröffentlicht: 12.09.2023
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Studierende, QuereinsteigerInnen, PensionsrückkehrerInnen und SoldatInnen: Mit allen Mitteln wird in Österreich versucht, dem LehrerInnenmangel entgegenzuwirken. Doch wie konnte es überhaupt so weit kommen? Und warum hat der Beruf heute Imageprobleme?

Rund 50 Prozent der österreichischen LehrerInnen gehen in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand. Das sind etwa 60.000 Beschäftigte, die dem österreichischen Bildungssystem innerhalb kürzester Zeit abhandenkommen und es vor eine große Herausforderung stellen.

Überraschung ist das allerdings keine, bereits 2008 warnte die LehrerInnengewerkschaft vor dieser Entwicklung. Was damals als „Panikmache“ und „Funktionärsproblematik“ abgetan wurde, ist heute Realität. Erste Auswirkungen zeigten sich etwa im vergangenen Schuljahr, als einige Wiener Volksschulen wochenlang den Unterricht schon früher als im Stundenplan vorgesehen beenden und die Kinder nach Hause schicken mussten.

Geht es nach Bildungsminister Martin Polaschek, der zu Beginn des Schuljahres einmal mehr zu beruhigen versuchte, soll dies heuer nicht mehr geschehen. Er hat versichert, dass mit Ausnahme von Ausfällen jede Unterrichtsstunde abgehalten werden kann. Das ändert allerdings nichts daran, dass dem Schulwesen weiterhin ausreichend NachwuchslehrerInnen fehlen, die den Mangel an Personal noch vor dem berechneten Höhepunkt im Jahr 2027 abfedern könnten.

Nicht mehr attraktiv genug

Dafür verantwortlich sind allerdings nicht nur die demografische Entwicklung und die damit verbundene Pensionierungswelle. Der Beruf, der früher besonders Frauen wegen der guten Vereinbarkeit von Familie und Erwerbsarbeit anzog, leidet unter einem schlechten Ruf.

„Nicht einmal die Monate Juli und August reichen noch aus, um sich für den LehrerInnenberuf zu entscheiden“, spricht Paul Kimberger, Vorsitzender der Gewerkschaft der Pflichtschullehrerinnen und Pflichtschullehrer, ein gängiges Vorurteil an. Gründe dafür seien unter anderem eine erdrückende Verwaltungslast, die vergangenen Krisen samt ihren Auswirkungen, aber auch die mangelnde Wertschätzung, die den PädagogInnen vonseiten der Gesellschaft und der Politik entgegengebracht wird. Zusätzlich dazu mache sich unter dem Lehrpersonal ein zunehmendes Gefühl des Alleingelassenwerdens breit.

„Noch nie während meiner Tätigkeit habe ich Woche für Woche so viele Gespräche mit KollegInnen jeden Alters geführt, die überlegen aufzuhören.“
Paul Kimberger
Foto: Volker Weihbold
Paul Kimberger

Laut Kimberger ist es dabei nicht nur schwer, neue PädagogInnen zu finden, sondern auch bestehende zu halten. „Noch nie während meiner Tätigkeit habe ich Woche für Woche so viele Gespräche mit KollegInnen jeden Alters geführt, die überlegen aufzuhören. Viele junge Leute steigen auch nach kurzer Zeit wieder aus, sie suchen sich etwas anderes. Das ist alarmierend.“

Verzögerungen und wenig Konkurrenzfähigkeit

Auch das Studium ist in seiner aktuellen Form kein Fürsprecher für die Berufswahl, kritisiert Kimberger weiter. Die Ausbildung sei verglichen mit anderen Ländern schlichtweg zu lang und zu praxisfern. „Diese jungen Menschen, die sich in Ausbildung befinden, werden eben nicht mit dem Know-how, mit der Expertise und den notwendigen Werkzeugen ausgestattet, die für einen guten Einstieg in der Schule notwendig sind.“

Geplante Änderungen wie eine Umstrukturierung in ein dreijähriges Bachelor- und ein zweijähriges Masterstudium habe man erneut auf die lange Bank geschoben. „Mit den fünf Jahren wären wir im internationalen Vergleich. Der Beschluss war für den Sommer vorgesehen. Das wäre sehr günstig gewesen, weil die Bildungsinstitutionen bereits im Herbst starten können hätten. Das verzögert sich jetzt wieder.“

Besonders was das schulische Supportpersonal betrifft, gelte man international betrachtet als absolutes Schlusslicht und das Arbeitsangebot als nicht mehr konkurrenzfähig. „Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder hat in Bayern ein Angebot mit einem Anfangsgehalt von 4.800 Euro gemacht. Das Erreichen viele mit den Endgehältern kaum. Dazu kommen Zulagen, eine Übersiedlungs- und Abschlussgebühr sowie das Angebot einer Beamtung nach vier Wochen.“

„Den einen Schalter, den man umlegen kann, gibt es nicht. Aus meiner Sicht ist ein Bündel von Maßnahmen notwendig.“
Paul Kimberger

Was ist uns Bildung (noch) wert?

Was nötig wäre, um das Ruder herumzureißen? „Den einen Schalter, den man umlegen kann, gibt es nicht. Aus meiner Sicht ist ein Bündel von Maßnahmen notwendig. Der Beruf muss attraktiver werden, auch was das Gehalt angeht. Aber das ist nicht alles: Wir brauchen Unterstützung beim Betreuungspersonal in den Schulen, wir benötigen bessere Rahmenbedingungen. Die Frage, was uns Bildung und Erziehung wirklich wert ist, muss geklärt werden. Aber das wird sicher nicht kurzfristig zu lösen sein. Dieser Herausforderung werden wir uns noch länger stellen müssen.“