Landjugend Österreich – wo Mann und Frau gemeinsam führen

Landjugend Österreich – wo Mann und Frau gemeinsam führen
Foto: Alexandra Grill
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  • Veröffentlicht: 02.03.2023
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Ein Gespräch mit den Bundeslandjugendleitern Ramona Rutrecht (28) aus Kärnten und Markus Buchebner (22) aus der Steiermark, die im dualen Führungsstil die größte Jugendorganisation Österreichs gemeinsam leiten

Herzlichen Dank, dass Sie beide uns heute in der Redaktion einen Antrittsbesuch abstatten. Was ist Ihr Antrieb, sich für die Landjugend zu engagieren?

Ramona: Der Spirit, den man aus der Gemeinschaft zurückbekommt, ist einmalig. Natürlich auch die Menschen: Bei Veranstaltungen wie einem Tag der Landjugend kann man sich einen richtigen Energieschub holen. Ich bin seit 13 Jahren bei der Landjugend und kann mir nichts Besseres vorstellen.

Markus: Das Schöne ist, dass so viele Hobbys auch in der Landjugend zu Hause sind. Mein Hobby ist etwa das Forstarbeiten, dem ich bei Wettbewerben nachgehen kann. Auch Sportaktivitäten sind in der Landjugend zu finden. In der Ortsgruppe ist es wunderbar, was alles in der Gemeinschaft möglich ist. Beispielsweise die unzähligen tollen Projekte, die wir gemeinsam umsetzen und Großes bewirken: Aktuell haben wir bei mir zuhause aber auch ein Projekt mit der Mittelschule, bei dem wir den Schülern den Wert der heimischen Landwirtschaft aufzeigen, am Laufen.

Kommen Sie beide aus bäuerlichen Familien?

Ramona: Indirekt. Mein Vater stammt von einem Bauernhof ab und mittlerweile hat auch meine Mutter einen Betrieb übernommen, der von unserer Familie im Nebenerwerb bewirtschaftet wird.

Markus: Bei mir ist es ähnlich, meine Eltern kommen beide von einem landwirtschaftlichen Betrieb, selbst haben wir aber keinen Betrieb. Landjugend bedeutet ja nicht mehr, dass man eine Landwirtschaft zu Hause haben muss. Seit den 80er-Jahren haben wir die Organisation für alle geöffnet. Jeder und jede kann der Landjugend beitreten.

Spürbar ist, dass Landjugend-Mitglieder eine große Hands-on-Mentalität sowie echte Anpackerqualitäten mitbringen.

Ramona: Jedes Mitglied, das bei der Landjugend ist, ist bereit, in der Freizeit etwas für die Gemeinschaft zu leisten. Selbst wenn wir beispielsweise nur auf den Berg gehen, dann machen wir daraus eine Spendenaktion. Da sind viele junge Menschen dabei, haben Spaß und tun gleichzeitig etwas Gutes.

„Wir entscheiden aber nichts komplett alleine, sondern immer nach Absprache im Führungsduo. Das ist wirklich ein großes Miteinander. “
Ramona Rutrecht

Wie vielen jungen Menschen in Österreich stehen Sie als Bundesleiterin und Bundesleiter vor?

Ramona: Die Landjugend hat 90.000 Mitglieder. Wir sind die Dachorganisation über die neun Bundesländer und dafür zuständig, die Marke in Österreich weiterzutragen sowie die Interessen der neun Bundesländerorganisationen zu verbinden.

Eine Besonderheit, die Sie in Ihrer Organisation pflegen, ist die duale Führung. Und zwar nicht erst, seit es modern ist, Gleichberechtigung zu leben. Wie lange gibt es eine gemeinschaftliche Führung eines Mannes und einer Frau bei der Landjugend?

Markus: Seit den 70er-Jahren. Das Interessante ist, dass das auch in allen Orts- und Bezirksgruppen, 1.200 an der Zahl, so gelebt wird. Das ist eine Selbstverständlichkeit für uns.

Wie erleben Sie diese duale Führung? Wo erkennen Sie Herausforderungen und wo klare Erleichterungen?

Markus: Ich kann aus meiner Perspektive berichten, dass ich bisher immer – auf allen Ebenen – eine Leiterin an meiner Seite hatte, die das Gemeinsame geschätzt und mit mir zusammengearbeitet hat. Selbst wenn wir nicht einer Meinung waren, konnte es immer auf sachlicher Ebene gelöst werden. Eine richtige Herausforderung war das nie. Das Schöne ist eigentlich, dass man nicht alles alleine entscheiden muss. Viel wird im Team schon vorbesprochen, die Leitung entscheidet dann.

Ramona: Wir entscheiden aber nichts komplett alleine, sondern immer nach Absprache im Führungsduo. Das ist wirklich ein großes Miteinander. Wir sehen uns auch aufgrund unseres Studiums und unserer Wohnsituation fast täglich oder zumindest alle drei Tage in irgendeiner Konstellation, das erleichtert viel für neue Entscheidungen. Ich studiere an der Universität für Bodenkultur Agrar- und Ernährungswirtschaft sowie Weinmarketing.

Markus: Ich studiere ebenfalls an der BOKU Holz- und Naturfasertechnologie und Agrarpädagogik.

Wie teilen Sie sich dann in der dualen Führung die Aufgaben? Nach klaren Richtlinien?

Ramona: Wir sind als Führungsduo sicher mehr unterwegs als der Rest des sechsköpfigen Vorstandes, führen Sponsorengespräche oder dürfen in politischen Gremien vorsprechen, wenn es um die Bedürfnisse der jungen Menschen in Österreich geht. In Sitzungen teilen wir Aufgaben, in Klausuren stecken wir nach Interessen der Vorstandsmitglieder die Aufgaben ab.

Markus: Jeder und jede macht das, wo er oder sie am besten aufgestellt ist. Bei mir sind das Landwirtschaft und Umwelt sowie Forstthemen. Aber ansonsten gibt es keine Aufteilung, es geht eigentlich alles Hand in Hand bei uns.

Ramona: Wir haben den Vorteil, dass wir in Wien sehr nahe wohnen. Das verkürzt Wege. Wir kochen auch oft gemeinsam und nutzen es, um aktuelle Gespräche zu führen oder Termine abzusprechen.

Wie legt man diese Aufgabe der Bundesleiterin, des Bundesleiters für sich persönlich an? Macht Sie diese Arbeit im Ehrenamt auch fit für zukünftige Aufgaben oder Funktionen?

Ramona: Absolut. Wir haben durch diese Aufgabe das Privileg, viele Ausbildungen wie etwa Rhetorikschulungen etc. zu absolvieren. Auch Führungskräfteseminare wie etwa eine Spitzenfunktionärsausbildung können wir machen. Da ist Projektmanagement dabei, wo man ein Projekt innerhalb eines Jahres planen und umsetzen muss. Da kann man sich unendlich viel mitnehmen, ausbildungstechnisch wie auch persönlich. Da sind Herausforderungen dabei, die einen garantiert für die Zukunft fit machen.

„Wir wollen ein bisschen Optimismus unter die jungen Menschen bringen und aufzeigen, dass wir mit unserer Arbeit und unseren Projekten für die Zukunft gewappnet sind.“
Markus Buchebner
Foto: Alexandra Grill
Von links: Chefredakteurin Sabine Kronberger, Markus Buchebner, Ramona Rutrecht

Wenn Sie beide aus Ihrer Doppelspitze heraus auf die Welt sowie wirtschaftliche Unternehmen blicken: Können Sie nachvollziehen, dass andere Organisationen noch immer keine weiblich-männliche Führung haben? Fragen Sie sich nicht manchmal, warum nicht auch andere Institutionen in einer Doppelführung geleitet werden?

Markus: Ich kann mir gut vorstellen, dass diese duale Führung auch fern des Ehrenamts funktionieren würde. Wenn jemand dazu etwas wissen wollen würde, dann hätten wir seit den 70er-Jahren eine erprobte Expertise. Es funktioniert schon so lange, warum nicht auch woanders? Klar, wir sind im Ehrenamt strukturiert, haben keinen Druck hinter uns, müssen keine wirtschaftlichen Ergebnisse erzielen. Wir machen es mit Freude, aber das könnte sicher woanders auch so sein.

Ramona: Wir setzen uns als Organisation aber schon auch immer wieder Ziele, die wir gemeinsam erreichen wollen. Heuer etwa wollen wir ein neues Schwerpunktthema aufgreifen, blicken schon in Richtung 70-Jahre-Landjugend-Jubiläum. Auch im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und vor allem Social Media wollen wir uns weiterentwickeln und präsenter werden.

Gibt es schon Näheres zu diesem Schwerpunktthema zu sagen, das man bereits verraten könnte?

Ramona: Noch nicht, aber so viel sei verraten: Es geht in diese Richtung: Wir sind sicher nicht die letzte Generation.

Markus: Wir wollen ein bisschen Optimismus unter die jungen Menschen bringen und aufzeigen, dass wir mit unserer Arbeit und unseren Projekten für die Zukunft gewappnet sind.

Das heißt, es herrscht Ihnen beiden momentan etwas zu viel Pessimismus?

Markus: In der Landjugend sicher nicht, aber vielleicht in der breiten Jugend. Wir wollen diese Endzeitstimmung nicht überhandnehmen lassen.

Mit welchen Punkten oder Aktionen werden Sie aufzeigen, dass die Welt morgen nicht untergeht?

Markus: Alleine bei der Bundesprojektprämierung, wo alle Projekte aus ganz Österreich ausgezeichnet werden, zeigt sich unser Engagement. Alleine da hat man gesehen, dass wir in Richtung Klimaschutz sehr viel machen. Da gab es etwa ein Projekt der Landjugend im Bezirk Mank, das unter dem Titel „Verwenden statt verschwenden“ Betriebe im Produktions- wie auch Vertriebsbereich zertifiziert hat, um auf die Verschwendung hinzuweisen bzw. diese einzudämmen. Auch in Richtung Nachhaltigkeit wird viel gemacht, einige Regionen haben unzählige Nistkästen gebaut und im großen Stil in ganz Österreich platziert.

Wenn man die Landjugend kritisch beäugen will, kann man jene Stimmen nicht ganz überhören, die behaupten, sie sei Kaderschmiede für politische FunktionärInnen. Trifft das zu?

Ramona: Ich sehe uns nicht in einer Kaderschmiede. Grundsätzlich sind wir auch überparteilich aktiv. Aber wir arbeiten jugendpolitisch. Wir müssen mit allen EntscheidungsträgerInnen zusammenarbeiten, um das Beste für uns erreichen zu können. Das hat aber auch nichts mit politischer Färbung zu tun. Wir bilden junge Erwachsene aus, die ein ordentliches Selbstbild haben, mündige Erwachsene werden, die fest verankert im Leben stehen.

Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie in der Ausübung Ihrer Funktion?

Ramona: Mir war immer wichtig, als mein übergeordnetes Ziel die Vernetzung zwischen den Bundesländern voranzutreiben. Gute Beziehungen zu schaffen, das wollte ich immer. Gemeinsam können wir viel mehr schaffen als alleine.

Markus: Mein persönliches Ziel ist, dass wir auch den Auftritt nach außen noch verbessern, dass wir sichtbar werden und auch in städtischen Regionen wahrgenommen werden.

Ramona: Wir werden sicher öfter als konservativ oder rein bäuerlich gesehen. Dabei haben wir mehrere Säulen unseres Wirkens, die ganz anders sind. Allgemeinbildung – von Persönlichkeitsbildung bis hin zu Rhetorikschulungen –, Wettbewerbe wie etwa der Vierercup und Redewettbewerbe, Kultur- und Brauchtum in den Ortsgruppen, Young & International: Wir sind größter Bezieher von Erasmus-Plus-Programmen und schicken alleine heuer 400 PraktikantInnen ins Ausland. Hier schicken wir besonders SchülerInnen höherer landwirtschaftlicher Schulen in andere Länder, damit sie dort Erfahrungen sammeln.

Markus: Landwirtschaft und Umwelt, Sport und Gesellschaft, Service- und Organisationsarbeit – auch das sind Bereiche, in denen wir ausbilden. 190 Projekte sind alleine unter „Tatort Jugend“ in 18.000 Stunden geleistet worden.

Man hat das Gefühl, dass die Organisation „Landjugend“ Menschen dauerhaft, oft für ein Leben, zusammenschweißt.

Markus: So ist es auch. Da entstehen Freundschaften und oft auch Beziehungen fürs Leben.

Ramona: In der Landjugend ist es einfach so: Diese Organisation begleitet dich dein Leben lang. Ich sehe das bei meinen Eltern. Die haben heute noch Freunde aus dieser Zeit.

Markus: Der Weitblick für Themen, die man sonst nicht aufgreifen würde, die Zuversicht, dass man zusammen alles schafft, und die tiefen Freundschaften verbinden einfach für immer.