Inmitten von Obstbäumen steht in der Nähe von St. Pölten das Tiny House von Sabine (53) und Christoph (46) Bennett. Seit 2017 leben sie mit Hündin Chiara in ihrem fahrbaren 26 Quadratmeter großen Lärchenhaus und waren mit dieser Wohnform in Österreich Pioniere.
„Das war richtig befreiend“
Der Wunsch, naturnah, selbstbestimmt, günstig, ökologisch nachhaltig zu leben und dabei auch reisen zu können, trieb Sabine und Christoph Bennett an. Angeregt durch einen Urlaub in einer Holzblockhütte und die Erkenntnis, dass „der Platz für uns völlig ausreicht“, entstand der Gedanke zum Minihaus auf Rädern. „Wir zogen auch ein Wohnmobil in Erwägung. Aber im Campingbereich gibt es viel Kunststoff, und für uns ist ein gutes Wohnklima mit viel Holz wichtig“, erzählt Sabine.
Tiny Houses in Österreich
In Österreich gab es damals gerade einmal drei Tiny-House-Anbieter – inzwischen sind es um die 30. So planten die beiden ihr Holzriegelhaus, das auf einen Sattelschlepper gebaut ist, großteils selbst, anfertigen ließen sie es von einer Firma. Neben viel Stauraum – kaum ein Stück Wand ist ungenützt – war ihnen auch moderner Wohnkomfort wichtig. „Wir haben Internet, Waschmaschine mit Trockner, Kühl- und Gefrierschrank und einen Geschirrspüler. Wir wollten nicht campen, sondern wohnen“, sagen die beiden.
Ausziehen wollen wir erst, wenn wir ins Pflegeheim müssen!
Die laufenden Kosten eines Tiny House
Eine Fotovoltaikanlage versorgt sie von März bis Oktober mit eigenem Strom, es gibt eine Infrarotheizung, einen Frisch- und einen Abwassertank. Die Mietkosten für das 250 Quadratmeter große Grundstück betragen inklusive Müllentsorgungs-, Wasser- und Kanalgebühren monatlich 250 Euro.
Die Möbel aus ihrer alten Wohnung haben die Bennetts verkauft, verschenkt und gespendet, viele Sachen wurden aussortiert. „Das war richtig befreiend“, sagt Christoph Bennett. Nur von seiner Schallplattensammlung wollte er sich nicht trennen. Die 240 Platten sind jetzt im Keller seiner Schwiegereltern untergebracht.
Nach fünf Jahren im Tiny House und dreimaligem Umzug ist das Paar immer noch von dieser Wohnform überzeugt. Christoph, der als Angestellter viel im Homeoffice arbeitet, schätzt die eingesparte Pendelzeit. Sabine, die zurzeit nicht berufstätig ist, meint: „Wir haben immer schon Rücksicht aufeinander genommen und sind beide sehr friedliebende Menschen.“ „Wir haben hier wirklich ein kleines Stück Paradies gefunden“, ergänzt Christoph.
Sabine und Christoph Bennett überlegen bereits, wie sie ihr Tiny House rollstuhltauglich machen könnten. „Ausziehen wollen wir erst, wenn wir ins Pflegeheim müssen.“
Kleines Glück mit Hürden
„Tiny House“ heißt nichts anderes als „winziges Haus“. Die Idee kommt aus den USA und ist im Sog der Finanzkrise 2007 entstanden. Angetrieben von steigenden Miet- und Grundstückspreisen in den Ballungszentren und einer Sehnsucht nach einem einfachen, reduzierten Leben, entwickelt sich diese alternative Wohnform auch in Europa. Ein „Tiny House“ hat 15 bis 45 Quadratmeter und kostet zwischen 40.000 und 200.000 Euro.
Einen Überblick zu den Herstellern findet man unter
tiny-houses.de/was-sindtiny-houses/hersteller-in-europa.
Die Freiheit des mobilen Wohnens endet, wo die Bauordnung des jeweiligen Bundeslandes die Grenzen zieht. Laut Gesetz müssen Tiny Houses Vorschriften bezüglich Statik, Dämmung, Brandschutz etc. erfüllen und dürfen nur auf einem Baugrund mit Baugenehmigung aufgestellt werden oder alternativ auf Campingplätzen – nur wenige Campingplätze bieten jedoch ganzjähriges Wohnen an.
Wird das Tiny House übersiedelt, muss ein Abbruchantrag gestellt werden. Anhänger des alternativen Wohnens wollen eine Anpassung der Wohn- und Bauvorschriften, um eine Zwischennutzung von brachliegenden Flächen sowie ein vereinfachtes Entfernen ohne Abbruchgenehmigung zu ermöglichen.
Dazu gibt es auch in Österreich eine Petition: www.change.org.
Weitere Tiny-House-Konzepte lesen Sie in der Ausgabe Juli/August 2021, die Sie hier bestellen können.
Fotos: beigestellt