Kämpferinnen – für eine gerechte Welt.

Kämpferinnen – für eine gerechte Welt.
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  • Veröffentlicht: 28.11.2022
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„All die großen alten Feministinnen – kaum eine kennt man noch. Und das, obwohl sie noch leben, aktiv sind, Biografien und Aufsätze veröffentlichen und an Podiumsdiskussionen teilnehmen.“ Birgit Buchinger, eine der drei Herausgeberinnen des Bandes „Kämpferinnen“, wirkt zugleich ratlos wie auch empört.

Es geht um das ideologische wie auch realpolitische Erbe dieser Vordenkerinnen und Wegbereiterinnen. Denn sie machten Gewalt an Frauen – derzeit ist in trauriger Regelmäßigkeit wieder von Femiziden zu lesen – öffentlich, erkämpften Frauenhäuser oder rechneten die wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten vor: im Frauenbericht zum Beispiel. Vom Gender-Pay-Gap, also dem Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen, weiß man dank ihnen.

 

Viele feministische Wege versammelt in einem Buch

Im heißen Frühjahr 2018 reisten die Sozialforscherin Birgit Buchinger und die Gendermedizinerin Ela Groszmann nach Köln. Im Gepäck ein Aufnahmegerät, um mit Elisabeth Stiefel zu sprechen, Verfechterin einer anderen Ökonomie, die Frauenarbeit mitberücksichtigt. Sie und ihre Lebenspartnerin, die Journalistin und Feministin Marlies Hesse, erzählten aus ihrem Leben, wie sie Feministinnen wurden, wie Männer ihre beruflichen Karrieren beeinflusst haben. Letztlich wurde aus dem einen Gespräch ein Buch mit Porträts von zwölf Feministinnen der sogenannten zweiten Frauenbewegung. Jede von ihnen ist nach wie vor auf ihre Weise aktiv. Ihr Einsatz für Frauenangelegenheiten, der vor rund 50 Jahren begonnen hat, war oftmals Pionierarbeit, sie pflügten die Felder des Patriarchats um, legten Samen für Pflanzen, von denen Frauen der nachfolgenden Generationen profitieren.

Vieles von dem, was sie mühsam und gegen Widerstände erarbeiteten, gehört heute zum Alltag, zum Common Sense: dass Frauen selbstverständlich an Universitäten arbeiten (auch als Lehrende), dass es autonome Frauenzentren gibt, dass man Alternativen zum Patriarchat zumindest diskutiert, dass Frauenberichte die Situation von Frauen am Radar haben oder dass Gewalt gegen Frauen öffentlich gemacht wird.

Vieles ist fragil: Das Recht auf Abtreibung ist wieder unter Beschuss, Frauenhäuser sind unterfinanziert oder werden gegen den Willen der Betreiberinnen neu ausgeschrieben, die Zerschlagung funktionierender Strukturen wird befürchtet und der Gender-Pay-Gap ist nach wie vor Realität.

 

Uneitle Wegbereiterinnen

Dass die Porträtierten wenig bekannt sind, liegt mitunter an ihnen selbst. Nicht sie, die Aufdeckerinnen und Kritikerinnen, möchten im Rampenlicht stehen, sondern ihre Ziele sollen gehört und gesehen werden. Um zu verstehen, wie sie zu diesen Zielen gekommen sind, haben sich die insgesamt 13 Autorinnen des Buches Zeit für die Biografien genommen.

Wie über die eingangs erwähnte deutsche Ökonomin Elisabeth Stiefel zum Beispiel. Sie hat in ihrem 92-jährigen Leben immer hinter gesellschaftliche Vorgaben geblickt: als sie als Schülerin während des NS-Regimes gegen Krieg schrieb oder als Studentin der Wirtschaftswissenschaften und Statistik-Fan Zahlen und Daten erhob, die Frauenbelange in den Fokus rückten. Der Beginn einer „abweichenden“ Ökonomie, in der sie Vermögens“un“verteilung, ökonomische Ungerechtigkeit und Marginalisierung fand. Bis heute engagiert sich Elisabeth Stiefel in Köln für den Kampf um Gender Budgeting.

 

Von der schüchternen Studentin zur Aktivistin

Oder Erica Fischer, die man als Autorin des Romans „Aimée und Jaguar“ kennt, die aber in ihren literarischen Texten selbstkritisch eigene Positionen und Vorstellungen abklopft. Wenn es zum Beispiel um Sexarbeit geht, wo sie anfänglich auf Seiten der ProstitutionsgegnerInnen stand, nach dem Kennenlernen einer feministischen Sexarbeiterin das Thema aber liberaler sieht. Die anfänglich Zurückhaltende engagierte sich bald bei AUF, der Aktion Unabhängiger Frauen (später auch eine feministische Zeitschrift), die das politisch machte, was vorher privat war und viele auch privat behalten wollten: Liebe, Hausarbeit, Sexualität. Das zu thematisieren galt in den 1970-er Jahren als provokant. Weil die Frauen der Gruppe ihre eigenen Erlebnisse der Demütigungen und Benachteiligungen öffentlich machten, blieb Erica Fischer nicht nur dabei, sondern entwickelte sich zur Aktionistin, stürmte ein Hearing der „Aktion Leben“ an der Universität Wien oder verteilte kunstblutgetränkte Tampons in den Weihwasserbecken des Stephansdoms. Wie alle Porträtierten scheut auch sie die Konfrontation nicht, debattierte in der ORF-Diskussionssendung „Club 2“ mit einem Polizisten, der sagte, dass „es gar nicht so viele vergewaltigungsbereite Männer wie vergewaltigte Frauen gibt“.

 

Alltagsleben und Geschlechtergerechtigkeit

Die Protagonistinnen des Bandes erzählen auch von den Schwierigkeiten, Beruf, Frauenanliegen und Familie gerecht zu werden, waren zwischenzeitlich „Nur-Hausfrauen“ und Mütter. Sie kennen die gesellschaftlichen Werte und Normen, die junge Mädchen selbstverständlich mitbekamen und die – wenn sie diese nicht mittragen wollten – auf Widerstände stießen, beginnend im familiären Umfeld. Wenn der Bruder von der Schwester selbstverständlich verlangt, dass sie ihm die Schuhe putzen soll und später genauso selbstverständlich als Mann den ganzen Erbteil der Eltern einstreift.

 

Die Ansätze der Protagonistinnen der zweiten Frauenbewegung bleiben modern, das Private, wie Elisabeth Stiefel schreibt, ist immer politisch und ökonomisch. Und Erica Fischer sagte: „Wenn das Persönliche politisch ist, dann sollte eine feministische Autorin nicht so tun, als wäre sie objektive Berichterstatterin. Wie sich ihre Recherche gestaltete, was sie während des Schreibens beschäftigte und welche Fragen nach der Fertigstellung des Buches offengeblieben sind, könnte für ihre Leserinnen und Leser durchaus von Interesse sein und sie dazu veranlassen, die Geschichte noch einmal zu überdenken.“

Birgit Buchinger, Renate Böhm, Ela Groszmann (Herausgeberinnen)
„Kämpferinnen“.
Mandelbaum Verlag, 22 Euro