„Mein Helgoland“ ist ein literarischer Reiseführer mit sehr persönlicher Note und macht Lust auf Mee(h)r.
Helgoland ist Deutschlands einzige Hochseeinsel. Genau dorthin reist die Autorin und Übersetzerin Isabel Bogdan seit zwölf Jahren, egal, wie stürmisch die Überfahrt dann auch immer wieder ist. Sie erzählt in ihrem faszinierenden Reisebuch – oder ist es das Buch einer Ankunft, einer Selbstbefragung? – vom Schreiben, vom Erzählen, von den Einwohnerinnen, von Robben, vom Auto- und Fahrradverbot auf der Insel, von Feuerwehreinsätzen, dem Strand und von sonderbaren Getränken. Eine Erkundung und Selbstbefragung, die Sehnsucht nach guten Erzählungen und einem Aufenthalt auf Helgoland weckt.
Isabel Bogdan macht es einem vor: Da reise man mit der S-Bahn an die Landungsbrücke und steige auf den Katamaran. Hier google ich zum ersten Mal, ich komme nämlich aus den Bergen.
„... sobald man auf dem Schiff ist, fängt der Urlaub ja schon an, anders als bei allen anderen Verkehrsmitteln. ... Auf einem Schiff hingegen ist sofort Urlaub. Allerdings fahre ich meistens gar nicht zum Urlaubmachen, sondern zum Schreiben nach Helgoland. Weil dort nämlich nichts ist. Nicht mal Wind.“
Sie liest uns immer wieder aus Dem Werk von James Krüss „Mein Urgroßvater und ich“ vor, der auch meinte, dass man zum Schreiben am besten allein sei, wobei Hunde stören, Katzen aber nicht. Folgt man der Autorin nun weiter, kommt man zeitgleich mit ihr zum Schluss „Aufs Meer zu schauen, das kann nie schaden.“
Aufs Meer zu schauen, das kann nie schaden
Man liest und schaut auch plötzlich auf nicht vorhandenes Meer, hat den Alltag mit der rumpelnden Waschmaschine hinter sich gelassen und ist bereit, tiefer in ernste wie heitere Überlegungen rund ums Übersetzen und Schreiben einzutauchen. Wobei „eintauchen“ auch wieder eine fragwürdige Metapher ist: Strand, Robben, Hotelzimmer, merkwürdige Getränke, Selbstgespräche, Dialoge mit James Krüss füllen die Tage Bodgans und vor mir liegend die Seiten dieses wundervollen Reise-Gedanken-Buchs. Die Sehnsucht ist ansteckend, nach dem Meer und nach der Ruhe. Ein besonderes Buch, das auch in Binnenländern Begeisterung auslöst, eine Insel kann man sich ja gerade noch vorstellen. Oder doch nicht?
„Von hier aus sieht man die ganze Welt, einmal im Kreis bis zum Horizont. Man wird ganz klein. Dieser winzige Felsen, mitten in der Welt, mit nichts drum herum als dem Meer.“
Was Sie versäumen, wenn Sie dieses Buch nicht lesen
Das Kennenlernen einer Insel, Begehung der Insel, Vermessung des Begriffs „Insel“, Selbstreflexion, Witz, Selbstironie, Auseinandersetzung mit dem Schreibprozess, Überlegungen zur Arbeit als Übersetzerin, zur Arbeit des Übersetzens, Erinnerungen an James Krüss, eine stimmige Vermessung des Insellebens, der Seefahrt …
Die Autorin Isabel Bogdan:
1968 in Köln geboren, hat Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokio studiert. Ihr Debütroman „Der Pfau“ sowie der Roman „Laufen“ machten die renommierte Übersetzerin als Schriftstellerin rasch und nachhaltig bekannt. Sie fährt seit zwölf Jahren immer wieder nach Helgoland.
Isabel Bogdan
Mein Helgoland
Hamburg: Mare Verlag 2021.
122 Seiten.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
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