Wenn die Lage zum Verzweifeln ist – Pandemie, Krieg, Inflation, gesellschaftliche Spaltung – dann sollte man Renate Welsh lesen.
Hoffnung kennt kein Weil!
Für die mehrfach ausgzeichnete österreichische Schriftstellerin Renate Welsh ist das Entdecken der Freude beim eigenen, selbstständigen Denken ein Weg in die Freiheit. Stets hat Welsh schreibend Partei für Menschen ergriffen, die es nicht leicht hatten, die ausgegrenzt und verachtet wurden. Mit ihrem realistischen Jugendroman „Johanna“ hat sie das Leben eines jungen Mädchens, das Kind einer ledigen Magd, erzählt und damit auch vom Austrofaschismus. Mut und Beherztheit zeichnen nun auch diesen vorliegenden, schmalen Band zum Thema Hoffnung aus.
Wenn die Lage zum Verzweifeln ist – Pandemie, Krieg, Inflation, gesellschaftliche Spaltung – dann sollte man Renate Welsh lesen. Das hilft immer. Jetzt aber besonders komprimiert, wenn gleich zu Beginn ihres aktuellen Buches steht: „Hoffnungslosigkeit können wir uns erst wieder leisten, wenn die Lage nicht mehr so verzweifelt ist.“
Die Autorin zeigt großen Respekt vor „großen Begriffen“, wie etwa dem Begriff von „Heimat“. Nein, die Heimatparteien, die so laut grölen, seien keine Parteien, denen man den Begriff überlassen sollte. Diese Begriffe neu zu besetzen, sie denen, die sie missbrauchten, beherzt zu entreißen, das sei, so vermutet Renate Welsh auch Aufgabe der Literatur bzw. der Kunst.
„„Ich glaube, dass die Kunst ihre Wurzeln in der Not des Menschen hat, dem es die Sprache verschlagen hat. ... Die Kunst in ihren vielfältigen Erscheinungsformen setzt jedem starren Entweder-Oder ein lebendiges Sowohl-als-Auch entgegen, eine Einladung, im Gespräch zu bleiben, also selbst ohne Hoffnung auf die eine gültige Antwort auf der Notwendigkeit der Frage zu bestehen.““
Literatur sieht Welsh als wesentlich im Kampf gegen das Vergessen, das private wie das kollektive. Hoffnung, davon ist die Autorin überzeugt, schärfe den Blick für die Vergangenheit wie für die Zukunft. Und das lässt uns hoffen.
Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Band nicht lesen:
Ermutigung, spannende Gedankengänge, Zitate von Obdachlosen aus den Schreibwerkstätten in der Gruft, sehr viel Substanz, einen Spaziergang durch die Werke von PhilosphInnen und AutorInnen, Lust darauf, selbst weiter über den Begriff „Hoffnung“ zu philosophieren und mit anderen Menschen zu reden.
Renate Welsch
1937 in Wien geboren, mehrfach ausgezeichnete Kinder- und Jugendbuchautorin, bekannt u. a. „Das Vamperl“ sowie „Johanna“ und „Die alte Johanna“; leitet Schreibwerkstätten in der Gruft in Wien: Fantastische Geschichten und sehr reale Erzählungen machen ihr Gesamtwerk so divers, interessant und gesellschaftlich relevant.
Renate Welsh
Hoffnung lebt vom Trotzdem.
Wien.
Czernin Verlag 2022.
48 Seiten.
ISBN 978-3-776-0760-4
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
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