Asthma, Regelschmerzen, Kopfschmerzen oder Endometriose können von Entzündungen verursacht werden. So kann die richtige Ernährung helfen.
Frauenärztin Daniela Oltersdorf im Interview:
Laut Studien betrifft Histaminintoleranz zu etwa 80 Prozent Frauen. Warum ist das so, Frau Oltersdorf?
Betroffen sind vor allem Frauen ab 40 Jahren, dies hängt auch mit der hormonellen Situation zusammen. Ende 30, Anfang 40 haben Frauen nicht mehr jeden Monat einen Eisprung, sie produzieren immer weniger Progesteron und entwickeln so eine Östrogendominanz. Östrogen sorgt wiederum für einen Histaminanstieg. Das PMS (prämenstruelles Syndrom), starke Bauchkrämpfe sowie Kopfschmerzen vor oder während der Menstruation sind bei den Frauen mit Histaminintoleranz sehr verbreitet. Aber auch wenn keine Histaminintoleranz vorliegt, kann eine histaminarme Ernährung vor der Periode die Schmerzen reduzieren. Patientinnen erzählten mir: „Wenn ich in der Zeit meiner Pollenallergie ein Antihistaminikum nehme, habe ich keine Bauchschmerzen während der Periode.“ Daher empfehle ich Frauen mit Regelschmerzen, ein Antihistaminikum auszuprobieren. Es gibt natürlich auch viele Frauen, die nichts von ihrer Histaminunverträglichkeit wissen.
Typische Frauenbeschwerden werden oft als psychosomatisch abgestempelt. Sind ÄrztInnen zu wenig auf das Thema Histamin sensibilisiert?
Ich kenne auch Frauen, die wegen Burn-out behandelt wurden, weil es ihnen so schlecht ging. Tatsächlich hingen die Beschwerden mit der Histaminintoleranz (HIT) zusammen, nach einer Ernährungsumstellung ging es ihnen besser. Die Symptome einer HIT sind sehr vielfältig, daher lässt sie sich so schwer diagnostizieren: Sie reichen von Magen- Darm-Beschwerden über Kopfschmerzen, Juckreiz, laufende Nase, Husten, Asthma bis zu Erschöpfungszuständen und Unruhe.
Bei welchen Frauenleiden spielt Histamin noch eine Rolle?
Schwangerschaftsübelkeit ist zum Beispiel auch histaminvermittelt. Früher sagte man: „Riech oder lutsch an einer Zitrone, das hilft gut.“ Jetzt kennt man die Zusammenhänge: In der Zitrone ist viel Vitamin C enthalten, das fördert den Histaminabbau. Viele Frauen kommen mit Vitamin-C-Pulver gut zurecht. Bei besonders ausgeprägter Schwangerschaftsübelkeit verschreibe ich Antihistaminika in Tablettenform, die den Rezeptor blockieren, damit das Histamin nicht so wirken kann. Aber es muss trotzdem ausgeschieden werden. Dabei hilft viel trinken, weil Histamin wasserlöslich ist. Ich selbst wasche auch alle Nahrungsmittel gut unter dem Wasserhahn, selbst Fleisch. Eine Histaminintoleranz wird übrigens in der Schwangerschaft schwächer, weil die Plazenta histaminabbauende Stoffe produziert. Im Grunde ist das Histamin ein guter Botenstoff des Körpers. Wenn es jedoch im Übermaß vorhanden ist, begünstigt es das Auftreten von Entzündungen.
„Das körpereigene Histamin wird durch Stress, wenig Schlaf, Kälte- und Hitzeexposition gefördert.“
Welche Aufgabe hat das Histamin?
Histamin schützt uns durch vermehrt produziertes Sekret, mehr Schleim und eine erhöhte Darmbewegung – wir husten bei einer Erkältung oder wir übergeben uns: So sollen schädliche Stoffe aus unserem Körper entfernt werden. Zwei Drittel des Histamins stellt der Körper selbst her, ein Drittel kommt von außen, wird also durch die Ernährung aufgenommen. Wenn ich dieses Drittel von außen weglasse, geht es mir schon besser. Das körpereigene Histamin wird durch Stress, wenig Schlaf, Kälte- und Hitzeexposition gefördert. Das heißt: Durch ausreichend Schlaf und mittels Stressreduktion kann man die Histaminausschüttung reduzieren. Zuerst sollte man bei der Ernährung beginnen, da diese Veränderung die schnellste Wirkung zeigt und die Symptome rasch besser werden. Jede und jeder hat übrigens einen individuellen Schwellenwert für ein Zuviel an Histamin und auch individuelle Trigger (Anm.: Auslöser von Symptomen).
Wie findet man heraus, welche die persönlichen Auslöser sind, und wie rasch erfolgt eine Veränderung, wenn man auf bestimmte Nahrungsmittel verzichtet?
Die persönlichen Trigger herauszufinden, geht am besten mit einem Ernährungsprotokoll. Kopfschmerzen nach Rotwein kann man oft schon nach ein bis zwei Stunden spüren, spätestens am nächsten Tag. Bei Fisch kann es drei bis vier Stunden dauern, bis die Beschwerden einsetzen. Wenn man sich bewusst histaminarm ernährt, merkt man oft schon nach drei bis vier Tagen, dass die Magen- und Bauchschmerzen weg sind. Bei der Haut – etwa bei Neurodermitis, ebenfalls eine Entzündungskrankheit – braucht es um die vier Wochen, da die Haut einen Wachstumszyklus von vier Wochen hat.
„Generell sollte man ausgewogen essen, am besten mit reichlich Gemüse: drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst am Tag. Mit „Portion“ ist jene Menge gemeint, die in eine hohle Hand passt, bei einem Kleinkind ist das vielleicht nur ein Stück Apfel. Getreide sollte man in Maßen konsumieren, Fleisch in der Größe eines Handtellers, Fisch in der Größe der Handfläche.“
Bleiben wir bei den Frauenkrankheiten: Spielt das Histamin auch bei Endometriose eine Rolle?
Endometriose zählt zu den häufigsten gynäkologischen Erkrankungen. Es handelt sich dabei um meist gutartige, oft aber sehr schmerzhafte Wucherungen aus gebärmutterschleimhautartigem Gewebe außerhalb der Gebärmutterhöhle. Die Endometriose-Vereinigung befürwortet eine histaminarme Ernährung – auch wenn keine Histaminintoleranz vorliegt. Ich rate auf jeden Fall dazu, dies einmal drei Monate auszuprobieren. Bei einer Dysmenorrhö (starke Regelschmerzen) reicht es meist, sich eine Woche vor der Periode histaminarm zu ernähren. Und man sollte auf seine Trigger und Stressoren achten.
Zucker steht schon lange in der Kritik. Welche Rolle spielt er bei Entzündungskrankheiten?
Zucker ist ein riesiger Reizstoff für unseren Körper, denn der reagiert auf Zuckerschübe mit Hormonausschüttung, was wiederum Einfluss auf den Entzündungspegel hat. Zucker kann auch Nahrungsmittelintoleranzen fördern. Die deutsche Bevölkerung verzehrt pro Kopf im Jahr 35 Kilogramm Zucker, das sind 100 Gramm täglich. Die WHO empfiehlt, maximal 25 Gramm freien Zucker pro Tag zu sich zu nehmen. 80 Prozent des Zuckers nehmen wir übrigens über Fertigprodukte zu uns. Ein erster Schritt wäre also, süße Getränke, Fertiggerichte oder fertige Backwaren vom Bäcker wegzulassen und Süßes in Maßen, bewusst und mit Genuss zu konsumieren.
Sie schreiben in Ihrem Buch, dass auch Weizen in Zusammenhang mit chronischen Entzündungen steht.
Weizen steht seit einigen Jahren in der Kritik, für schwerwiegende Erkrankungen und Symptome wie ADHS, Darmentzündungen, Depressionen, Diabetes, Übergewicht und Arthritis verantwortlich zu sein. Diese These wird in zahlreichen Büchern US- amerikanischer NeurologInnen, InternistInnen und ErnährungsmedizinerInnen verbreitet. Auch wissen wir längst, dass Weißmehlprodukte wie Kuchen, Brot und Nudeln kalorienreich sind, nicht lange satt machen und daher bei übermäßigem Verzehr zu Übergewicht führen können. Der Weizen, den wir heute verwenden, ist ein Hochleistungsweizen, der 40-mal mehr Gluten als der ursprüngliche Weizen enthält. Das ist unter anderem der Grund, weshalb Zöliakie oder Glutensensitivität heute viel häufiger auftreten als früher. Weizenmehl lässt sich gut durch Dinkelmehl ersetzen, Dinkel enthält viel weniger Gluten und wird daher besser vertragen.
Zucker und Weizen sollte man also reduzieren oder ganz darauf verzichten. Welche Lebensmittel sollten häufiger auf dem Teller landen?
Generell sollte man ausgewogen essen, am besten mit reichlich Gemüse: drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst am Tag. Mit „Portion“ ist jene Menge gemeint, die in eine hohle Hand passt, bei einem Kleinkind ist das vielleicht nur ein Stück Apfel. Getreide sollte man in Maßen konsumieren, Fleisch in der Größe eines Handtellers, Fisch in der Größe der Handfläche. Histaminarme Nüsse und Samen sind auch gut, werden aber nicht von jedem Darm vertragen. Wichtig ist: gut kauen! Gewürze sind super, frische Kräuter und das ganze grüne Blattgemüse, Öle – auf keinen Fall Sonnenblumen- oder Maiskeimöl, sondern etwa Olivenöl, Rapsöl –, die reich an Omega-3- und Omega-6- Fettsäuren sind. Eier sind auch sehr gut, sie enthalten viel Eiweiß, das gut verträglich ist, und auch viele Vitamine. Eier waren einige Zeit wegen des Cholesterins in Verruf, aber Cholesterin ist ein wichtiger Vorläufer für körpereigene Hormone. Aus Cholesterin werden Stresshormone, aber auch viele weibliche Hormone gebildet.
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Was meiden?
Die häufigsten Auslöser histaminabhängiger Beschwerden sind:
- Alkoholische Getränke (insbesondere Rotwein)
- Käse (insbesondere Hartkäse wie Emmentaler oder Parmesan)
- Schokolade
- Rohwürste, Salami, roher Schinken
- Nüsse
- Fisch, Muscheln und Garnelen (Fisch sollte am besten frisch oder tiefgekühlt sein)
- Tomaten, Sauerkraut, Spinat
- Zitrusfrüchte, Kiwi, Erdbeeren, Papaya und Ananas
- Stress
Histamin wird durch Bakterien in Nahrungsmitteln produziert, die einen langen Reifungsprozess durchlaufen – etwa in gereiftem Käse oder luftgetrockneter Salami. Dieses Bakterienwachstum läuft bei höheren Temperaturen schneller ab. Wer Histamin meiden möchte, sollte Lebensmittel daher gut gekühlt transportieren und Speisen, die einmal erhitzt wurden, nicht wieder aufwärmen.
Oltersdorf warnt: „Ich kann zwar die Ernährung schnell beeinflussen, aber die Stresshormone produzieren auch Histamin.“
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