Hausmänner in Ausbildung

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  • Veröffentlicht: 29.03.2021
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75 Jahre „Welt der Frauen“

Anlässlich unseres Jubiläums haben die Redaktionsmitglieder in den Heften ihres jeweiligen Geburtsjahrganges gestöbert und ihr Highlight ausgewählt. Ein Streifzug durch eine bewegte Geschichte.

Markus PointeckerMarkus Pointecker, Art Director seit 2016, über einen Beitrag aus der September-Ausgabe 1975

Kochunterricht auch für Burschen? Was 1975 als „bemerkenswerter Schulversuch“ begann, brauchte weitere zwölf Jahre, bis es Teil des Regelunterrichts wurde. Ein Jahr später war dann „Hauswirtschaft“ auch Teil meines Stundenplans.

Nicht alle Erwachsenen konnten sich mit dieser Neuerung anfreunden. Ich erinnere mich vage ans Gemauschel darüber im Nachbarschafts- und Bekanntenumfeld, nicht selten gepaart mit einer mitleidigen Haltung den armen Buben gegenüber, die jetzt auch noch kochen müssten.

Die strenge Fachlehrerin wiederum sah ihre Aufgabe hauptsächlich darin, als bekannt vorausgesetzte Kochkenntnisse abzuprüfen.

Gelernt habe ich: Traue keiner Suppe, die du für einen kurzen Moment nicht im Blick gehabt hast. Sie könnte von SchulkollegInnen heimlich mit einer Extraportion Salz versehen worden sein. Aufgegessen wurde sie trotzdem, der strengen Lehrerin sei Dank.

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Bericht über einen bemerkenswerten Schulversuch

In den Bemühungen um echte Partnerschaft zwischen den Geschlechtern ist auch das bisher übliche Rollenbild von Mann und Frau ins Wanken geraten. Man weiß heute, dass Frauen technische Fähigkeiten haben, daß sie Manager sein können, dass sie Verantwortung zu tragen bereit sind, daß umgekehrt Männer auch Kinder pflegen, kochen und putzen können.

Während aber heute viele Bemühungen dahin gehen, die Frau in Berufe einzuführen, die bisher als typisch männlich galten, gibt es nur wenig Bestrebungen, dem männlichen Geschlecht auch jene Fähigkeiten zu vermitteln, die man bisher für typisch weiblich gehalten hat.

Um so bemerkenswerter ist daher, dass in letzter Zeit da und dort Schulversuche abgehalten werden, in denen Buben in Hauswirtschaft unterrichtet werden. In der gemischten Hauptschule Hartkirchen bei Eferding läuft schon das zweite Jahr mit großem Erfolg ein solcher Schulversuch.

Hausmänner in Ausbildung

„Welt der Frau“ stattete den „Hausmännern“
an einem Kochtag einen Besuch ab.

Es begann mit einer Schar neugieriger Hartkirchner Hauptschüler, die beim Hauswirtschaftsunterricht der Mädchen als interessierte „Fenster- und Häferlgucker“ teilnahmen.

Ausschlaggebend war für den derzeit laufenden Schulversuch allerdings, dass der Direktor der gemischten Hauptschule Hartkirchen, Herr Direktor Norbert Wittwehr, seinen Schülern an Neugier nicht nachsteht und so zufällig einmal erfahren hat, daß es in Österreich vereinzelt Schulversuche gibt, in deren Rahmen auch Knaben in Hauswirtschaftslehre unterrichtet werden.

Daraufhin betätigte er sich kurzfristig als Meinungsforscher und stieß sowohl bei den Hauswirtschaftslehrern der Schule als auch bei den Buben mit seinem Vorschlag, Hauswirtschaftslehre für Knaben einzuführen, auf Zustimmung. Der Schulversuch „Hauswirtschaftslehre für Knaben“ wurde daraufhin gestartet.

Die endgültige Beteiligung der jungen Herren war überwältigend groß. Mit Ausnahme von zwei Buben entschieden sich alle Schüler der drei Abschlußklassen für diesen Freigegenstand. Viele der Buben mußten allerdings das Opfer auf sich nehmen, über Mittag in der Schule zu bleiben. Um so größer ist dann der Appetit auf die selbstverfertigte Mahlzeit.

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Der Gegenstand „Hauswirtschaftslehre“ umfasst weit mehr als nur Kochen. Er unterteilt sich in Ernährungslehre, in der zum Beispiel die Unterschiede und Zusammensetzung der Fette, die Erhaltung der Vitamine usw. besprochen werden, in Nahrungsmittelkunde, die von der Kunst des Einkaufs bis zur richtigen Lagerung und Aufbereitung der Nahrungsmittel reicht, in Servierkunde und schließlich in praktische Arbeit.

Diese umfasst vor allem Kochen, Putzen, Abwaschen und Pflege der Küchenwäsche, zum Beispiel Bedienen der Waschmaschine, Bügeln usw., Säuglingspflege, die die Mädchen im Rahmen dieses Gegenstandes ebenfalls lernen, fällt bei den Buben leider weg, obwohl sie gerade Kenntnisse auf diesem Gebiet später einmal sicher gut brauchen könnten.

Als ich an einem der Kochtage, die alle vierzehn Tage stattfinden, für „Welt der Frau“ den Häferlgucker spielte, war ich von Eifer, Geschmack und Gründlichkeit der jungen Burschen ehrlich beeindruckt.

Vorerst wurden einige junge Herren zu „Hausmännern“ erhoben. Die Hausmänner haben die Aufgabe, laut Speiseplan einzukaufen, die Zutaten für die einzelnen Gerichte auszuwiegen und die Kosten zu berechnen.

Hausmänner in AusbildungDamit nur ja nichts von der kostbaren Kochzeit verlorengeht, wird das Einkaufen in der Mittagszeit erledigt. Daß sich jeder bemüht, besonders wirtschaftlich einzukaufen, versteht sich fast von selbst, wenn man weiß, dass die Schüler einen Großteil der Kosten ihrer Kochkünste tragen müssen.

Pro Kochunterricht muss jeder Bub S 10,- zahlen, darüber hinaus bringen viele – je nach Speiseplan – auch Naturalien von zu Hause mit, wie Kartoffeln, Gemüse, Eier usw.

Der eigentliche Unterricht, der in der geräumigen, modern eingerichteten Schulküche durchgeführt wird, beginnt mit einer großen Lagebesprechung, bei der anschließend an ein allgemeines Thema, zum Beispiel über das Tiefkühlen oder über das festliche Tischdecken, die Zubereitung der Speisen erläutert wird. Sobald die verschiedenen Arbeiten aufgeteilt sind, geht es dann ans Kochen.

An diesem Tag gab es ein besonders festliches Menü: Gefüllte Tomaten, Cordon bleu mit Petersilkartoffeln und gemischtem Salatteller und als Nachspeise eine Joghurtfruchtschale mit „Leckermäulchen“.

Schon nach kürzester Zeit durchzogen allerhand liebliche Düfte die große Küche, und nach rund eineinhalb Stunden stand das Festmenü auf dem Tisch, obwohl die Küchenarbeit – wahrscheinlich in Anbetracht der Zuschauer – besonders sorgfältig und daher auch etwas langsamer als sonst verrichtet wurde.

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Da auch das richtige Tischdecken Gegenstand des Unterrichtes ist, war die Festtafel eine echte Augenweide. Aus gelbem Tonpapier gefaltete Schiffchen ersetzten die Tischkarten, sorgfältig gefaltete, dunkelblaue Servietten bildeten zusammen mit einigen Blumensträußchen einen zusätzlichen Tischschmuck.

Der Tisch wurde von den Buben gedeckt und geschmückt, wobei sie beim Tischschmuck kleine Anleihen an den Werkunterricht gemacht hatten. Auch das Servieren wurde von den Köchen fachgerecht selbst besorgt, wenn auch die Hände beim Einschenken und Vorlegen vor Aufregung ein wenig zitterten.

Nach dem Essen folgten das bei allen am wenigsten beliebte Geschirrwaschen, Wegräumen, Küchenputzen, ehe schließlich – es muß schon gegen sechs Uhr gewesen sein – die Buben die Schule verließen. Trotzdem hatte man nicht den Eindruck, daß es irgendeinem der jungen Köche leid war um den Nachmittag, den er beim Hauswirtschaftsunterricht verbracht hatte.

Die Meinungen von Schülern

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Günther Graf:

„Ich war von Anfang an dafür und wäre auch in Hauswirtschaftslehre gegangen, wenn sich sonst kein Bub gemeldet hätte, so hat es mich interessiert. Mir macht das Kochen einfach Spaß. Ich denke mir aber auch, wenn ich kochen kann, kann ich mir auch dann etwas zubereiten, wenn die Mutter nicht zu Hause ist, und später einmal, wenn ich verheiratet bin, gibt es auch richtige Mahlzeiten, wenn die Frau einmal nicht daheim ist, krank ist oder sonst irgendwie nicht zum Kochen kommt. Am schwierigsten war am Anfang das Bügeln, aber jetzt geht es mir schon leichter von der Hand. In der Schule ist ja nicht viel dabei da bügelt man nur Geschirrtücher oder Tischtücher. Aber zu Hause habe ich sogar schon Hemden und Pullover gebügelt, da muss man sich schon große Mühe geben. Meine Eltern sind von diesem Schulversuch ganz begeistert. Vielleicht auch deswegen, weil ich jetzt zu Hause manchmal ein bisschen mithelfe. Ich habe noch vier Geschwister, die freuen sich auch immer, wenn ich daheim etwas koche. Oft habe ich das zwar noch nicht gemacht, aber ein paarmal habe ich schon einen guten Kuchen gebacken.“

Helmut Kieberger:

„Ich habe gleich mitgetan, wie ich gehört habe, Buben können Kochen lernen. Kochen kann man schließlich immer brauchen. Ich zum Beispiel möchte gern Sportlehrer werden und werde daher nicht immer bei meinen Eltern wohnen können. Wenn ich dann ein eigenes Zimmer habe, kann ich mir selbst kochen, und da wird es bestimmt besser und billiger sein als im Gasthaus. Wenn ich einmal heirate, werde ich das Kochen wahrscheinlich nicht mehr so notwendig brauchen, denn wenn meine Frau im Haushalt tätig ist, will ich daheim nicht kochen, nur wenn es sein muß, weil sie vielleicht krank ist. Mir tut es überhaupt nicht leid, dass ich heute nachmittag in der Schule sein muß, denn mir macht alles Spaß, was wir da lernen. Ich habe auch daheim schon einige Male gekocht, aber das waren mehr Kleinigkeiten.“

Während Helmut mit mir spricht, unterbricht er keinen Augenblick seine Tätigkeit, sondern erklärt mir zwischendurch ganz begeistert, was da unter seinen Händen entsteht.

Josef Anreiter:

Während er mit bewundernswerter Sorgfalt gedünstete Zwetschken teilt und entkernt, erzählt er, was er über das Kochen denkt: „Ich habe mich für den Freigegenstand Hauswirtschaftslehre deswegen gleich gemeldet, weil man das alles für das spätere Leben wirklich gut brauchen kann. Wenn ich zum Beispiel nicht verheiratet bin und ich komme nach Hause, brauche ich mich nicht aus Konserven zu ernähren und muss nicht in das Gasthaus gehen, wenn es mich nicht freut, sondern koche mir einfach selbst. Auch meinen Eltern gefällt es, dass ich Hauswirtschaftslehre lerne. Die meisten Gerichte, die ich in der Schule kochen lerne, probiere ich zu Hause gleich aus. Meine vier Geschwister sind meistens begeistert von den Speisen, die ich koche, aber hie und da schmeckt es ihnen auch nicht, weil es ihnen ungewohnt vorkommt. Wir lernen ja meistens neuartige Gerichte, die die Mutter daheim fast nie kocht. Ich bin das ganze Jahr gern in Hauswirtschaftslehre gegangen, nur manchmal vor den Schularbeiten geht mir die Zeit ab, weil durch das Kochen alle vierzehn Tage ein ganzer Nachmittag vergeht.“

Ich bin mit den Buben zufrieden

Ein Gespräch mit der Hauswirtschaftslehrerin Elisabeth Zehethofer

Elisabeth Zehethofer,,Ich war von Anfang an froh über diesen Schulversuch, weil ich schon lange merkte, dass sich die Buben für das Kochen recht interessierten. So schauten sie regelmäßig den Mädchen beim Kochen durch das Fenster zu, stellten interessierte Fragen usw.

Wie recht ich mit meiner Vermutung hatte, sieht man am besten daraus, daß sich aus den beiden Klassen, die ich unterrichte, alle Buben für den Freigegenstand „Hauswirtschaftslehre“ gemeldet haben. Ich bin mit den Buben sehr zufrieden.

In mancher Hinsicht ist es fast lustiger, Buben in Hauswirtschaftslehre zu unterrichten als Mädchen, denn bei den Buben merkt man, daß ihnen Kochen wirklich Spaß macht. Sie sind lustiger und einfallsreicher als Mädchen, wenn sie auch alles mehr von der leichten Seite nehmen. Freilich sind die Mädchen in der Regel etwas geschickter. Man spürt, daß sie zu Hause mithelfen.

Zu Beginn des Schuljahres stellte ich zwischen den Geschlechtern kaum einen Unterschied fest, aber schon nach einigen Monaten bemerkte ich, dass die Mädchen das hier Erlernte offenbar zu Hause fleißig üben – oder üben müssen – während die Buben daheim wahrscheinlich kaum zur Hausarbeit bzw. zum Kochen angehalten werden. Daher sind die Mädchen nach einigen Monaten viel gewandter und flinker als die Buben.

Ich halte es für besonders wichtig, daß die Buben außer Kochen auch einfache Hausarbeiten lernen. So kommt ihnen ganz von selbst die Einsicht, daß Hausfrauenarbeit nicht nur in dem – für die meisten lustigen – Kochen besteht, und außerdem werden sie so zu rationellerem und sauberem Arbeiten angehalten. Die Wäsche waschen wir nur mehr mit der Waschmaschine, wie es ja auch in nahezu allen Haushalten geschieht.

Auch die Grundbegriffe des Tischdeckens und Servierens und vor allem die Kenntnis der Tischsitten und der richtige Umgang mit Messer und Gabel sind für die Schüler wichtig. Viele Kinder kommen aus sehr groBen Familien, bei anderen sind die Mütter berufstätig – meist in der Landwirtschaft, so daß auf diese Dinge schon aus Zeitmangel wenig Wert gelegt wird.

So habe ich bemerkt, daß einige Buben am Anfang des Schuljahres beim Essen ganz verlegen und gehemmt waren, weil sie nicht sicher waren, wie man es richtig macht. Jetzt, am Ende des Schuljahres, sind sie diesbezüglich viel geschickter und selbstsicherer geworden – und das halte ich für einen der größten Erfolge des Schulversuches.

Soweit ich Gelegenheit hatte, mit Eltern über diesen Schulversuch zu sprechen, zeigten sich alle recht begeistert davon. Ich bin daher überzeugt, daß wir auch nächstes Jahr nicht über einen Mangel an Interesse werden klagen können.“

Welt der Frau September 1975Erschienen in: Welt der Frau, September 1975

„Welt der Frauen“ begleitet ihre Leserinnen und Leser seit 75 Jahren – die erste Ausgabe erscheint 1946  unter dem Titel „Licht des Lebens“ in Wien im Kontext des ideellen Wiederaufbaus nach dem Krieg. 1964 wird „Licht des Lebens“ in „Welt der Frau“ umbenannt und schließlich 2018 zu „Welt der Frauen“.

Welt der Frauen April 2021

 

 

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