Warum wir Fragen stellen müssen, um Frauen vor Altersarmut zu schützen.
Sie will jetzt basteln. Weil ohnehin nie viel Zeit dafür war. Sie hat deswegen ihren guten 18-Stunden-Job gekündigt. Statt eines Gehalts erhält sie ab sofort kleine Geldbeträge von 2,40 bis 6,20 Euro. Ihre Karten, Spruchbänder, Armbänder, Flaschen und Geschenksets sind wunderschön.
Auch ihre Arbeit ist gut. Ihr Talent ist darin erkennbar. Doch zu einem monatlichen Gehalt wie zuvor wird es niemals reichen. Und sie ist nicht allein: Viele österreichische Frauen haben im Schatten der Pandemie zu Hause am Herd und beim Homeschooling erkannt, dass sie auf der Strecke bleiben, wenn sie sich zwischen Beruf, Kindern und Familienmanagement zerreißen.
Rein in die Selbstständigkeit
Sie haben erkannt, dass das Zu-Hause-Sein auch wunderschön sein kann. Dass man dann mehr Zeit für die Kinder hat. Deshalb haben sie Hobbys zu Berufen gemacht. Und verkaufen nun handgemachten Perlenschmuck, handgeknüpfte Armbänder – auch Makramee ist wieder trendig und wird hergestellt. Sie sind in die Selbstständigkeit geflüchtet.
Zurück in die Abhängigkeit
Im Kopf das Bild von „mein eigener Chef sein“, „arbeiten, wann und wo ich will“ und „nur noch tun, was Spa macht“. Was sie vergessen: Wer verkaufen will, muss produzieren, wer etwas herstellt, muss dafür werben, wer selbstständig ist, muss Kunden akquirieren, hat Bürokram zu erledigen und: ist nicht automatisch versichert. Das kümmert Frauen in einer gut laufenden Beziehung wenig. Der Traumpartner wird schließlich immer traumhaft bleiben, kein Gedanke daran, dass er sie verlassen, versterben, ausfallen könnte oder sie gar im Alter versorgen muss. Denn in die Pensionsvorsorge läuft aus den kleinen Einkünften kaum etwas.
Trotzdem basteln die Frauen, gehen noch mehr in der Fürsorgearbeit für die Familie oder sozialem Engagement auf. Ihr Einsatz für die Menschen um sie ist groß, ihr Irrglaube auch. Wenn in diesem Jahr der Weltfrauentag einmal mehr über die Bühne geht, dann müssen wir diesen Frauen die Augen öffnen.
Als Freundin, als Ehemann, als Kollegin, als Bruder. Wir müssen sie fragen: Wie sorgst du vor? Wie sparst du im Moment etwas an? Wie machst du es in der Pension? Was machst du, falls dein Ehepartner ausfällt? Wir müssen es zum Gesprächsthema machen, damit hoffentlich immer weniger Frauen in die „Bastelfalle“ tappen. Damit sie rechnen und nachdenken. Damit sie sich selbstbestimmt, aber dennoch abgesichert ins Leben stürzen. Und Basteln wieder ein Hobby sein darf.
Basteln ist schön, aber in den seltensten Fällen eine Altersvorsorge, meint Chefredakteurin Sabine Kronberger und will Frauen ermuntern, die rosa Brille endlich abzunehmen.
Die Kolumne ist in der „Welt der Frauen“-Ausgabe März 2022 erschienen. Hier können Sie sich das Einzelheft nachbestellen!