„Fika“ – schwedisch genießen

„Fika“ – schwedisch genießen
Foto: Alexandra Grill
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  • Veröffentlicht: 26.05.2023
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Selbstgebackene Zimtschnecken, geteilte Gespräche: Das schwedische Wort „Fika“ bezeichnet den Akt des gemeinschaftlichen Pausemachens und Kaffeetrinkens. Was wir in Österreich von den Schwedinnen lernen können.

„„Lagom“ – nicht zu viel, nicht zu wenig, sondern genau richtig. Diese schwedische Lebensphilosophie definiert ein ausbalanciertes Maß für alle Alltagssituationen, die Ess- und Trinkkultur sowie das Zusammenleben in der Gemeinschaft.“

„Lagom“ – nicht zu viel, nicht zu wenig, sondern genau richtig. Diese schwedische Lebensphilosophie definiert ein ausbalanciertes Maß für alle Alltagssituationen, die Ess- und Trinkkultur sowie das Zusammenleben in der Gemeinschaft. Ein wichtiges Mittel, um die dabei angestrebte Entschleunigung, „Fika“, zu erreichen. Die gemeinsame Pause gehört zum gesellschaftlichen Austausch wie die Mehlspeise zum Kaffee. Und auch ich freue mich bei jedem Familienbesuch in Nordschweden wieder darauf: die Zimtschnecken – genannt „Kanelbullar“ – meiner Schwiegermutter. Der buttrige Zimtgeschmack fühlt sich nach Heimkommen an. Was aber noch viel wichtiger ist: Die Familie sitzt bei „Fika“ gemeinsam am Tisch und unterhält sich. Es gibt viel zu erzählen, wenn mein Freund und ich in seine Heimatstadt nahe der finnischen Grenze reisen. Man lacht, hört sich gegenseitig zu. Und wie ließe es sich besser über Erlebtes reden als beim Genießen von Schwedens Nationalgebäck?

Fika: traditionsreicher Genuss

„Fika“ stammt von „Kaffi“ – einem Wort für Kaffee – ab. Der Silbentausch wurde in Schweden zu einem weitgreifenden Phänomen, genau wie das Kaffeetrinken an sich. Dabei waren einige Monarchen wie beispielsweise König Gustav III dem importierten Getränk gegenüber höchst misstrauisch. Durch die rasante Ausbreitung in der Bevölkerung wurden gesundheitliche Schäden befürchtet. Die Antwort darauf: hohe Steuern und zeitweise Verbote des Koffeingetränks. Doch der Kaffee blieb. Heutzutage sind die SchwedInnen unter den Top-KaffeekonsumentInnen weltweit.

Eine Tasse Kaffee alleine macht jedoch noch keine „Fikapaus“. Denn ohne dem als „Fikabröd“ bezeichneten süßen Gebäck ist eine solche kaum vorstellbar. Häufig spielt dabei die Zimtschnecke in verschiedensten Variationen eine zentrale Rolle: mit Safran und Marzipan zu Weihnachten, als „Semla“ mit Schlagsahne in der Fastenzeit, gerollt, gedreht, geflochten. Diese Leckereien sind vor allem bei Kindern beliebt, da es in vielen schwedischen Familien üblich ist, Schokolade und Supermarkt-Süßigkeiten nur am Samstag zu essen.

„Wenn mich jemand fragt, wie es sich in Schweden so lebt, ist meine Antwort: gemeinschaftlich. Meine Wahrnehmung ist, dass in Schweden mehr auf das Kollektiv geachtet wird als im individualistischen Österreich.“

Gelebte Work-Life-Balance & Gemeinschaft als Lebensphilosophie

Wenn mich jemand fragt, wie es sich in Schweden so lebt, ist meine Antwort: gemeinschaftlich. Meine Wahrnehmung ist, dass in Schweden mehr auf das Kollektiv geachtet wird als im individualistischen Österreich. Dadurch werden manche Dinge gemütlicher, aber keineswegs nachlässig, angegangen. Die österreichische Effizienz und die hierzulande gängige Schnell-mal-machen-Mentalität müssen sich da manchmal etwas gedulden. Was ich allerdings durch „Fika“ gelernt habe: Es tut gut, den Fuß vom Gas zu nehmen. Sich öfters der Gemeinschaft zu widmen und sich dabei ganz dem Moment zu verschreiben.

„Fika“ ist nicht nur ein wichtiger Bestandteil des Privatlebens, sondern auch des Berufsalltags. Mein Schwiegervater, beispielsweise, ist Mitglied eines „Fika-Clubs“ in seiner Arbeit. Jeden Freitag wird eine gemeinsame Pause mit Zimtschnecken eingelegt, die Mitnahme funktioniert rotierend. Während hierzulande der Kaffee gerne am eigenen Schreibtisch getrunken wird, sind gemeinsame Pausen in Schweden fest in den Arbeitsalltag integriert. Ein zwei- bis dreimaliges Treffen an der Kaffeemaschine wird als eine der Work-Life-Balance zuträgliche Notwendigkeit angesehen. Man atmet durch, man tauscht sich aus. Und dann geht man wieder ausgeruht und ein wenig satter an die Arbeit.

„Laut des diesjährigen „World Happiness Index“, der neben dem Lebensglück auch die Zufriedenheit misst, liegt Schweden an sechster Stelle, Österreich auf Platz elf. Das deckt sich mit meinen Beobachtungen: Gefühlt sind die SchwedInnen zufriedener als wir ÖsterreicherInnen.“

Der OECD zufolge leisten nur ein Prozent der SchwedInnen eine signifikante Überstundenanzahl. Damit liegen sie weit unter dem OECD-Durchschnitt von ungefähr zehn Prozent – in Österreich sind es etwas mehr als fünf Prozent. Rund 15 Stunden täglich werden von den Schweden für persönliche Bedürfnisse wie beispielsweise Schlaf oder Essen – darunter auch „Fika“ – aufgewandt. Laut des diesjährigen „World Happiness Index“, der neben dem Lebensglück auch die Zufriedenheit misst, liegt Schweden an sechster Stelle, Österreich auf Platz elf. Das deckt sich mit meinen Beobachtungen: Gefühlt sind die SchwedInnen zufriedener als wir ÖsterreicherInnen. Ob das an dem gestärkten Gemeinschaftssinn liegt? Treffen mit Familie oder FreundInnen ziehen sich jedenfalls als Konstante durch die lange Winterzeit und die kurzen Sommermonate, „Fika“ darf dabei als Institution nicht fehlen.

„Was wir in Österreich von einem Land wie Schweden also lernen können: Genuss darf genug sein, er schafft Platz für kleine Magiemomente im Alltag. Einfach „Lagom“.“

Was wir in Österreich von den SchwedInnen lernen dürfen

Was „Fika“ für den Norden ist, spiegelt für mich die österreichische Institution der Jause – oder Brotzeit – wider. Dabei wird genauso gemeinsam gegessen und über den Tag reflektiert. Was man dabei zu sich nimmt, wird allerdings als Stärkung, Notwendigkeit und manchmal als Ersatz für ein warmes Abendessen angesehen: Ziel ist es, satt zu werden. Die Zimtschnecke bildet dagegen mehr leckeres Beiwerk zur Konversation. Was wir in Österreich von einem Land wie Schweden also lernen können: Genuss darf genug sein, er schafft Platz für kleine Magiemomente im Alltag. Einfach „Lagom“.

Natürlich gelingt es nicht immer, doch ich versuche, „Fika“ regelmäßig in meinen Alltag zu integrieren. Kaffee, ein selbstgemachtes Schokoladen-Cookie, durchatmen. Reden mit lieben Menschen. Auch über das Telefon, wenn gerade niemand in der Nähe ist. Danach fühle ich mich ein kleines Stück zufriedener, erholter, gehört. Bereit für die anstehenden Aufgaben. Mir wird bewusst: Häufig kann eine Pause den Tenor eines ganzen Tages setzen. Daran will ich nun öfter denken.

Foto: Alexandra Grill
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„Fika“ auf Österreichisch

In Schweden hat sich die Zimtschnecke als Standard etabliert, bei uns in Österreich darf es gerne ein Gugelhupf sein. Folgendes Rezept für einen schmackhaften „Amadeus Gugelhupf“ finden Sie in unserem Buch „Himmlische Sünden“. Dieser lässt sich herrlich in der nächsten Kaffeepause verspeisen:

Amadeus Gugelhupf

Zubereitung: 30 Minuten, Backzeit: 70 Minuten bei 160°C Heiß- oder Umluft

Zubereitung:

Rosinen mit Rum beträufeln. Eier trennen und die Eiklar mit Backzucker zu steifem Schnee schlagen. Zimmerwarme Butter, Staubzucker, Vanillezucker, Zitronenschale und Salz schaumig rühren und nach und nach die Eidotter einrühren.

Mehl mit Backpulver versieben und mit Kochschokolade, Rosinen, Pistazien und Eischnee unterheben.

Die Teigmasse in eine befettete, bemehlte Gugelhupfform füllen, glattstreichen und im vorgeheizten Backrohr bei 160°C circa 70 Minuten backen.

Den Gugelhupf in der Form abkühlen lassen, auf ein Kuchengitter stürzen und mit einem Küchentuch bedeckt vollständig auskühlen lassen.

Schokoladeglasur nach Packungsanleitung zubereiten, den Gugelhupf damit verzieren und mit Pistazien bestreuen.

Buchtipp: „Kaffeepause auf Schwedisch. Fika“

Die schwedische Cafébesitzerin Milo Kalén bietet in ihrem Buch „Kaffeepause auf Schwedisch. Fika“ Rezepte für süße, salzige, traditionelle und neugedachte skandinavische Klassiker. Natürlich mit dabei: Zimtschnecken!