Fern der Bilderbücher

Fern der Bilderbücher
Foto: Alexandra Grill
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  • Veröffentlicht: 24.09.2023
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Den Bauern Bolle und seine Frau gibt es nicht.

„Bauer Bolle“ ist eines jener Bücher, die im Kinderzimmer meiner Tochter noch aus ihrer Kindergartenzeit zu finden sind. Bunt werden darin die immer fröhliche Bäuerin skizziert, die lustige Kuh, die immergrünen Wiesen, der etwas tapsige Bauer und allerlei kleines Getier, das fröhlich über die Seiten watschelt oder hoppelt. In vielen Köpfen, so scheint es mir bei aktuellen Diskussionen, existiert dieses Bild vom Landleben noch immer wie in Stein gemeißelt.

Wir möchten frische, regionale, saisonale, ungespritzte, makellos schöne, stets verfügbare Lebensmittel von der gut gelaunten Bäuerin kaufen, deren Ehemann daheim die Kuhherde hütet oder auf dem Traktor über die grünen Wiesen fährt. Dass wir als KonsumentInnen mit unseren idyllischen Bildern Jahrzehnte verschlafen haben, in denen sich die tatsächliche Arbeit der Bauernfamilien gewandelt hat, ist uns dabei nicht klar. Wir wissen nicht, wie es ist, von heute auf morgen für ein gleichbleibend qualitatives Produkt wie Milch oder Schweinefleisch weniger Geld zu bekommen und sich dagegen nicht wehren zu können. Dann lächelt die immer freundliche Bäuerin aus dem Bilderbuch nämlich nicht mehr. Vielmehr sitzt sie über Unterlagen und Bürokratie, rechnet, ob es sich noch ausgeht, den Betrieb an den Nachwuchs weiterzugeben. Jenen Nachwuchs, der immer öfter gar nicht weiter machen möchte. Zu hoch ist der Druck der Gesellschaft, groß auch die Angst, dass TierschützerInnen in den eigenen Hof eindringen, um (verdient oder unverdient) belastendes Material zu finden, das einen ganzen Berufsstand diffamieren und zumindest wieder einige Wochen für mediales Bauernbashing sorgen kann.

Zu groß ist auch der Druck innerhalb des Berufsstandes: Man sollte ExpertIn für Boden, Tiere, Wetter, Gesetze, EU-Richtlinien, Maschinen, Pflanzen, Pflanzenschutz sowie die Vermarktung dieser Themen sein und ganz nebenbei einen Social-Media- Kanal betreiben, damit die KonsumentInnen stets transparent über die bäuerlichen Erzeugnisse im Bilde sind. Hinzu kommt der berufliche Einsatz am Bauernhof, der keine Sonn- und Feiertage sowie Urlaube im großen Stil kennt. Addiert man dann noch die Ansprüche der KonsumentInnen hinzu, die keine Vorstellung von den Realitäten der Lebensmittelproduktion haben, dann muss selbst Bauer Bolle resignieren. Diesen Ansprüchen kann niemand genügen.