Elisabeth Rathgeb ist begeisterte Gärtnerin, Theologin, Referentin und Erwachsenenbildnerin. All diese Bereiche verbinden sich oder verbindet sie in diesem feinen, kleinen Buch: Ihre Spiritualität, die nicht abgehoben daherkommt, ihre Gedanken, die die LeserInnen auf dem kleinsten Balkon oder auch beim Einwässern eines Blumenstraußes im Wohnzimmer immer wieder erreichen werden – das macht Fülle, Lebensfülle, aus.
Vom Umgraben, Vergraben, Säen und Wachsenlassen
Wenn die Theologin Elisabeth Rathgeb in ihrem Garten arbeitet, wühlt sie nicht nur die Erde auf: Es sind die Blüten, die Pflanzen, die Menschen, die mit ihr über den Gartenzaun plaudern, die Gartenarbeit zu einem spirituellen Rundgang werden lassen.
Wenn die erfahrene Seelsorgerin davon erzählt, wie viel Freude ihr die Auswahl der Samenbriefchen am heimischen Küchentisch bereits als Kind machten, erfahren die LeserInnen, wie tief verwurzelt – eine schöne Metapher übrigens – Elisabeth Rathgeb mit der Gartenarbeit im Jahreskreis ist.
Sie lädt ihre LeserInnen in diesen Garten ein: „Manchmal brauche ich den Garten auch als Ort des Trostes. Und nicht zuletzt ist er ein Ort der Dankbarkeit für die Wunder der Natur.“ Lesend erkennen wir den Garten auch als jenen Ort, an dem sich Himmel und Erde begegnen.
Sie streut Humor in ihre Texte, Selbstironie ist der Autorin ebenso wenig fremd wie die Lust daran, sich an wichtigen Lebens- und Glaubensfragen abzuarbeiten. Da löst der Anblick der Anemonen im Garten folgende Gedanken aus:
„Ich muss nicht alles allein schaffen. Es gibt da noch jemanden, der mitträgt und sich kümmert. Jemanden, dem ich die Sorgen anvertrauen kann.“
Ob es im Kapitel „Schneeglöckchen mit Aussicht“ um die kleinen Wunder geht, konkret darum, dass etwas Neues aus Eis und Schnee wächst oder ob es um die leuchtend-roten Tulpen in ihrem Garten geht: Die Verbindung zu den spirituellen Texten ist stets gelungen, die Vergleiche berühren und machen Lust, sofort in den eigenen Garten zu laufen oder auf dem Balkon den Schnittlauch zu gießen.
Es geht nicht um gärtnerische Selbstfindung, sondern um das Mitteilen der Gefühle beim „Garteln“, die sich im Laufe des Lebens nicht nur bei der Autorin ändern. Ein feines Buch, das neugierig auf Blumenzwiebeln macht und noch viel mehr darauf, was sich all die Menschen, die in ihren Gärten freudig arbeiten, die die Pflanzen auf ihren Balkonen hegen und pflegen, doch so alles denken und fühlen.
Das vorliegende Buch lässt sich in der ersten Runde mit Blick auf Pflanzen und Jahreskreis lesen, im zweiten Durchgang mit stärkerem Fokus auf die spirituellen Impulse, man blättert vor und zurück, wild durchs Jahr und neugierig auf die wunderbare Textsammlung, die uns Elisabeth Rathgeb hier schenkt.
Ein Buch für jede Bibliothek, ein Buch, das Interesse weckt, einen Bibliotheksgarten anzulegen, schließlich heißt es doch: Wer einen Garten und eine Bibliothek habe, habe ein kleines Paradies.
Elisabeth Rathgeb:
Kopfsalat mit Herz.
Eine spirituelle Entdeckungsreise durch den Garten.
Tyrolia 2021.
112 Seiten.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
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