Privat ein Paar, beruflich ein Team: Seit 22 Jahren leben und arbeiten Julia und Constantin von Deines zusammen. Ihre Beziehung basiert auf Augenhöhe, große Auseinandersetzungen gibt es kaum. Ihr Rezept: reden, bevor es eskaliert. Beziehungsexpertin Hilde Fehr erklärt, wie das gelingt.
Kennengelernt haben sich Julia und Constantin von Deines vor 22 Jahren bei ihrem Studium an der Dualen Hochschule in Baden-Württemberg. Beim gemeinsamen Controlling-Lernen fing es an, zwischen ihnen zu knistern. Constantin ergriff schließlich die Initiative, und aus den beiden wurde ein Paar. Wie es für viele Frischverliebte typisch ist, verbrachten sie fortan Tag und Nacht miteinander. Doch während bei den meisten die erste große Verliebtheitsphase nach ein paar Wochen oder Monaten endet und der Wunsch nach ein bisschen mehr Freiraum wieder größer wird, war es bei Julia und Constantin anders.
Durch Zufall unzertrennlich
Direkt nach dem Studium fingen die beiden als Hotelleitung im selben Haus an. „Wir hatten nie geplant, zusammenzuarbeiten, das hat sich so ergeben. Bei unserer Abschlussprüfung hat uns der Geschäftsführer einer Unternehmensberatung ein Jobangebot gemacht.“ Bedenken, ob es gutgehen würde, hatten sie nie. „Wir haben uns auch sehr schnell in unseren Rollen eingefunden und waren bald ein wirklich eingespieltes Team“, erinnert sich Julia von Deines. „Wir haben verschiedene Schwerpunkte und ergänzen uns gut. Constantin liegen die Kulinarik, das Personelle und das Betriebswirtschaftliche mehr. Ich kümmere mich vorwiegend um Rezeption und Reservierung. Er ist der Ruhigere von uns beiden, analysiert mehr, während ich quirliger bin und Innovationen vorantreibe.“ Seitdem gibt es die beiden nur im Doppelpack – privat wie auch beruflich. Immer wieder wechselten sie den Betrieb, immer gemeinsam.
Abwechslungsreicher Alltag
Seit 2018 lebt das Paar, nach Stationen in Tirol und der Steiermark, in einem kleinen Haus mitten im Wald in Kärnten. Ihr erster Weg führt sie morgens in den Stall zu ihren vier Schafen. Danach fahren sie nach Velden in das Falkensteiner Schlosshotel, von ihnen liebevoll „Schlösschen“ genannt, das sie seit fünf Jahren gemeinsam mit einem weiteren Kollegen leiten. Den Kontrast zwischen Hofleben und 5-Sterne-Luxus schätzen die beiden sehr. „Wir sind gerne unter Menschen, lieben den Austausch mit unseren Gästen, ziehen uns aber auch mal zurück und sind dann nur für uns.“
„Selbst gute Freundinnen und Freunde von uns können oft nicht nachvollziehen, wie man glücklich gemeinsam arbeiten und privat leben kann. Auch wenn es für viele unglaubwürdig klingt, bei uns läuft es sehr ausgeglichen ab und es funktioniert gut.“
Eine gesunde Streitkultur
Ist bei so viel gemeinsamer Zeit nicht irgendwann die Luft raus? Hat man sich überhaupt noch etwas zu sagen? Und geht man sich denn tatsächlich nie auf die Nerven? „Selbst gute Freundinnen und Freunde von uns können oft nicht nachvollziehen, wie man glücklich gemeinsam arbeiten und privat leben kann. Auch wenn es für viele unglaubwürdig klingt“, so Julia von Deines, „bei uns läuft es sehr ausgeglichen ab und es funktioniert gut. Wir werden zum Beispiel nie laut miteinander. Wenn etwas zwischen uns steht, sprechen wir es an und warten nicht, bis es eskaliert.“
Kann eine Beziehung tatsächlich so reibungslos funktionieren? Beziehungsexpertin Hilde Fehr erklärt: „Ich nehme stark an, die zwei gehören zu den 20 Prozent der Menschen laut Imago-Therapie, die keine Machtkämpfe, keinen Streit und keine Dramen brauchen. Sie haben von klein auf wertschätzende Kommunikation gelernt, mussten im zwischenmenschlichen Miteinander nie Schutzmechanismen erlernen, und wenn das Gegenüber sie um eine Verhaltensänderung bittet, bleiben sie dennoch in ihrer Mitte.“ Die Expertin erläutert weiter: „So harmonische Paare gibt es tatsächlich, auch wenn es sich viele von uns gerne schönreden, indem sie sagen: ‚Ach, die belügen sich doch selbst.‘“ Für den Großteil seien Dramen normal.
„Es lässt sich ganz anders reden, wenn der, der dir gegenübersitzt, dein Freund und nicht dein Feind ist. Das Nervensystem bleibt ruhig, wenn man spürt, dass der andere einen nicht kleiner machen oder um jeden Preis Recht haben möchte.“
Beziehung führen kann erlernt werden
Das Positive aber, so Fehr, ist, dass man sich eine gesunde Beziehung erarbeiten kann. „Der erste Schritt ist es, uns selbst zu beobachten und herauszufinden, ob wir und unsere PartnerInnen in Konflikten eher zum Rückzug oder Angriff neigen – ohne Wertung.“ Dann geht es vor allem ums Verstehen, dass keiner der beiden Schutzmechanismen besser ist als der andere. „Schweigen oder Attackieren – jedes dieser Verhaltensmuster verletzt und schürt Panik im Gegenüber.“ Wem es aber gelingt, mit dem Gegenüber – auch bei unangenehmen Themen – in Verbindung zu bleiben, schafft automatisch eine positive Basis für die Kommunikation. „Es lässt sich ganz anders reden, wenn der, der dir gegenübersitzt, dein Freund und nicht dein Feind ist. Das Nervensystem bleibt ruhig, wenn man spürt, dass der andere einen nicht kleiner machen oder um jeden Preis Recht haben möchte. Wir gehen in keinen Verteidigungsmodus, sondern können konstruktiv an Lösungen arbeiten. Das ist ein Mindset, das Julia und Constantin bestimmt in ihrer Beziehung etabliert haben. Andernfalls wäre es vor allem in der Arbeit nicht machbar.“
„Wir können einander sehr gut einschätzen und sind immer, wirklich immer, ehrlich miteinander.“
Die zwei bestätigen: Ins Hotel nehmen sie private Angelegenheiten jedenfalls nicht mit. Das muss man trennen können. „Und wenn wir beruflich mal unterschiedlicher Meinung sind, sage ich: ‚Constantin, kommst du mal kurz?‘“ Dann ziehen sie sich zurück, diskutieren, finden einen Konsens und vertreten diesen gemeinsam. In 99 Prozent der Fälle aber, erzählt Julia von Deines weiter, hätten sie die gleiche Einstellung. Auch Konkurrenzdenken spielt bei ihnen keine Rolle. Im Gegenteil. „Wir können einander sehr gut einschätzen und sind immer, wirklich immer, ehrlich miteinander. Das ist ein großer Vorteil im Unternehmen, weil es so zu weniger Missverständnissen kommt.“ Fehr erklärt: „Bleiben beide ruhig, lässt sich viel mehr besprechen als bei Geschrei. Ich weiß aber auch aus eigener Erfahrung, dass das eine ziemliche Challenge für viele sein kann. Bei den meisten wirkt es, als würden sich zwei Kinder in einer Sandkiste gegenübersitzen und sich gegenseitig Sand in die Augen werfen.“
Gemeinsame Träume
Vor dem beruflichen Stopp im Schlosshotel haben sich Julia und Constantin eine fünfmonatige Auszeit gegönnt. „Wir sind mit unserem ausgebauten Defender durch Südamerika gereist. Von Kolumbien bis nach Patagonien, immer entlang der Anden.“ Kein Alltag, keine Termine, keine Verantwortung. Nur sie zwei und das große Gefühl von Freiheit. „Jeden Tag der Reise waren wir dankbar dafür, so etwas Tolles machen zu können“, erzählt Julia. Ermöglicht haben ihnen dieses Abenteuer unter anderem ihre jetzigen Chefs Erich Falkensteiner und Otmar Michaeler. „Sie haben uns das Angebot gemacht, die Leitung im Schlösschen zu übernehmen. Als wir Erich gesagt haben, dass wir aber nicht sofort starten wollen, sondern davor noch unseren Traum verwirklichen möchten, hat er sich auf diesen Deal eingelassen. Er hätte das immer gerne selbst einmal gemacht und hat uns in unserem Vorhaben bestärkt“, so Constantin.
Die Reise war eine Erfahrung, die das Paar definitiv noch mehr zusammengeschweißt hat. Julia: „Es war eine unserer besten Entscheidungen. Wir waren oft im Outback unterwegs, ganz auf uns allein gestellt. Mit dem Defender hatten wir immer wieder Probleme, die uns zum Improvisieren gezwungen haben.“ Was ihnen in Situationen wie diesen hilft, ist ihr Prinzip: bestmöglich anstelle von perfekt. „Wir versuchen stets so rasch wie möglich die Gesamtlage zu beurteilen, um Lösungen zu finden.“ Auch wenn dabei hin und wieder auf Plan B oder C zurückgegriffen wird.
Offene Kommunikation
Auch in Kärnten verbringt das Paar, wenn es nicht arbeitet, viel Zeit draußen. Wann immer sie die Gelegenheit dazu haben, sind sie im Freien, oft in den Bergen, beim Laufen, am Klettersteig oder auf dem Mountainbike. Einzig beim Skifahren setzt Constantin aus. „Ich habe ihm bereits mehrere Skikurse geschenkt, aber der Funke springt leider nicht über“, sagt Julia. Das sei absolut in Ordnung, meint Beziehungsexpertin Hilde Fehr. Paare müssen nicht alle Interessen miteinander teilen, um harmonisch durchs Leben zu gehen. Wie so oft kommt es auf die richtige Kommunikation an: „Es macht einen großen Unterschied, ob man sagt: ‚Ich weiß, du hättest gerne, dass ich mit Skifahren gehe. Mir gibt es aber leider nichts. Wäre es okay für dich, wenn ich in der Zeit zum Surfen nach Portugal fahre?‘ Oder ob man sagt: ‚Du und dein Skifahren. Das interessiert mich nicht. Ich geh surfen!‘ Es ist wichtig, sich seiner Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen bewusst zu sein und regelmäßig darüber zu sprechen, während man neugierig aufeinander bleibt.“
Ausgewogene Work-Life-Balance
Die Gemeinsamkeiten überwiegen bei Julia und Constantin von Deines ohnehin: Neben der Liebe zur Natur verbindet die beiden vor allem ihre Leidenschaft für ihren Job. „Wir sind ergebnisorientiert und schauen nicht auf die Uhr. Wenn jemand ständig fragt, wann man endlich fertig ist und nach Hause kommt, würde das bei uns nur zu Spannungen führen.“
„Wir haben das Glück, in einem wunderbaren Umfeld arbeiten zu dürfen, direkt am Wörthersee. Das und der abwechslungsreiche Alltag inspirieren uns immer wieder aufs Neue. Langweilig wird uns hier nicht.“
Auf eine ausgewogene Work-Life-Balance achten sie trotzdem. Zuhause sprechen die beiden nicht über den Job. „Zumindest selten“, lacht Constantin. „Manchmal muss ich Julia ermahnen. Sie tendiert immer wieder dazu, nach Feierabend Berufliches zu thematisieren.“ Julia erklärt, dass ihr oft abends in entspannter Atmosphäre die besten Ideen kommen, betont aber gleichzeitig, wie wichtig ihr die exklusive Zeit als Paar ist, die sie bewusst genießen: einer der Gründe, warum es so gut funktioniert, sind sie überzeugt. Fehr ergänzt: „Es ist ein guter Ansatz, aber leider können kleine Tipps wie diese nicht das große Beziehungsglück erschaffen. Beziehung ist – immer wieder aufs Neue – anstrengend und geht weitaus tiefer. Eine Partnerschaft bleibt immer ein Abenteuer, das es zu erforschen gilt.“ Es ist ihr außerdem wichtig, zu betonen, dass man Harmonie nicht automatisch mit Fadesse oder Monotonie gleichsetzen darf. Constantin von Deines sieht das ähnlich: „Wir haben das Glück, in einem wunderbaren Umfeld arbeiten zu dürfen, direkt am Wörthersee. Das und der abwechslungsreiche Alltag inspirieren uns immer wieder aufs Neue. Langweilig wird uns hier nicht.“
Für ihr gemeinsames Leben ist das Paar äußerst dankbar: „Dass wir ein so erfülltes Leben führen dürfen, ist längst keine Selbstverständlichkeit.“ Wer sich mit Julia und Constantin von Deines unterhält, spürt, dass die Harmonie echt ist. Und man merkt, dass die beiden lieber über das Schöne sprechen als über das Anstrengende. Das liege in ihrem Naturell, erzählen sie. Weil es sich leichter lebt, wenn man den Fokus auf das Positive lenkt. „Und so wie es gerade ist, ist es auch wirklich gut. So kann es gerne bleiben“, sagen sie.
Was eine gesunde Partnerschaft braucht: Tipps von Beziehungsexpertin Hilde Fehr
- Offenheit und Transparenz: Es ist wichtig, sich der eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Grenzen bewusst zu sein und regelmäßig darüber zu sprechen, während man neugierig aufeinander bleibt.
- Flexibilität bei Veränderungen:Wenn sich persönliche Ziele und Wünsche ändern, ist es entscheidend, diese ehrlich zu kommunizieren. Ändern sie sich beim Partner oder der Partnerin, ist es ratsam, möglichst flexibel darauf zu reagieren.
- Work-Life-Balance:Indem Paare aktiv Zeit für Entspannung und gemeinsame Aktivitäten einplanen, lässt sich eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Privatleben finden.
- Empathie:Es hält die Beziehung gesund, wenn man sich über Erfolge und Chancen des Partners/der Partnerin freut. Dabei sollten beide immer darauf achten, dass es fair bleibt. Sprich: Wer jetzt vielleicht zurücksteckt, bekommt in der nächsten Phase Priorität.
- Faire Aufteilung von Aufgaben:Um auf Augenhöhe zu sein, hilft es, alte Rollenklischees zu vermeiden und die Verantwortung für Kinderbetreuung und Haushalt gleichmäßig aufzuteilen – damit sich beide beruflich und privat gut entfalten können.