Dieser Roman beginnt mit einem Knall, schon ist man dabei: Denn die Chemikerin Elisabeth Zott hat viele Qualitäten, die herausragendste ist jedoch, dass sie nie durchschnittlich ist bzw. sein würde.
Essen um sechs und andere Ermutigungen
Der Grund dafür ist ganz einfach: Zott will nicht beliebt sein, sich nicht andienen, klein beigeben. Vielmehr betritt sie mit – ich schrieb es schon – mit lautem Knall Filmstudios und auch die Laborräume der Genies.
Dieser außergewöhnliche Roman zeigt die Chemikerin Elisabeth Zott, die den Lunch ihrer Tochter im Labor zubereitet, auf gesunde Ernährung achtet und ihrem Kind Madeline und Hund namens „Halbsieben“ beharrlich vorliest. Sie ist allein, ihre große Liebe starb bei einem Unfall, sie zieht das gemeinsame Kind allein groß, forscht, kämpft und tritt auch in der genialen Kochsendung „Essen um sechs“ auf, in der sie Frauen und Männer erklärt, dass doch alles eine Frage der Chemie sei.
„Damals, im Jahr 1961, als Frauen Hemdblusenkleider trugen und Gartenvereinen beitraten und zahllose Kinder bedenkenlos in Autors ohne Sicherheitsgurte herumkutschierten; ... damals stand die dreißigjährige Mutter von Madeline Zott jeden Morgen vor Tagesanbruch auf und war sich nur einer Sache ganz sicher: Ihr Leben war vorbei.“
Romananfänge wie diese lassen einen beharrlich Seite um Seite dieses Leben verfolgen, lassen einen eintauchen in die vielen Forschungsstellen von Elisabeth Zott, ihre Liebe zum genialen Calvin Evans. Zuerst stürmt sie in sein Labor, wird von ihm für eine Assistentin/Sekretärin gehalten, trifft ihn später wieder und ja, er übergibt sich, auch das ist eine Frage der Chemie. Die Liebe ist da, wird aber ignoriert, man nähert sich an, bedient sich einiger Forschungsergebnisse, bis man sich umarmt. Das ist nicht schrullig, das ist höchst romantisch, ehrlich, wahrhaftig: Nie wird man über diese beiden so klaren und ehrlichen Menschen zu lachen wagen und alle, die in diesem Roman wagten, die beiden zu verhöhnen, werden nie Lieblingspersonen eines Romans werden.
Man hört nach der Lektüre die Feinheiten der Abwertungen klarer, man hat neue Motivation, Menschen kennenlernen zu wollen, man liest jetzt auch Hunden vor. Man versteht, wie viel eine Kochsendung bei den Zuseherinnen bewirkt: Wie viel Träume lagern da zwischen dem frischen Gemüse im Kühlschrank. Wer wurde an einem Studium, einer Ausbildung, einer Reise gehindert? Elisabeth Zott, sie lernt Rudern, sie wehrt sich als sehr junge Studentin gegen sexuelle Übergriffe, sie teilt aus und steckt ein. Und dass man lesend ihren Hund ob dieser inspirierenden Umgebung beneidet, versteht sich von selbst!
Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Roman nicht lesen:
Chemie, Forschung, Intellekt, Frauenträume, Herausforderungen, Resilienz, Ermutigung, herausragende Charaktere, den klaren Blick für Schleimer, Klugheit, Warmherzigkeit …
Bonnie Garmus
geboren in Kalifornien, lebte in Seattle und aktuell in London; sie arbeitete als Kreativdirektorin. „Eine Frage der Chemie“ ist ihr erster Roman, er wurde in über 35 veröffentlicht.
Ulrike Wasel/Klaus Timmermann, übersetzen AutorInnen wie Zadie Smith, Dave Eggers und Benjamin Myers. Beide leben und arbeiten in Düsseldorf.
Bonnie Garmus
Eine Frage der Chemie.
Roman.
Übersetzung aus dem Englischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.
München: Piper Verlag.
462 Seiten
ISBN 978-3-492-07109-3
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
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