Wie man neue Weihnachtsbräuche entwickeln kann
Die Weihnachtszeit ist geprägt von Ritualen. Frau Trentini, warum brauchen wir die überhaupt?
Sabine Trentini: Rituale sind eine Möglichkeit, Verbindung herzustellen nach innen und nach außen. Es gibt drei Ebenen: das Verbundensein mit mir selbst, mit anderen und mit dem größeren Ganzen, also dem Göttlichen und der Natur mit ihrem Rhythmus.
Was bewirken Rituale?
Trentini: Rituale erzeugen einen besonderen Raum. Ein Geburtstagsritual erlaubt, Gefühle auszudrücken, man fasst in Worte oder vermittelt durch ein Geschenk, was man am anderen schätzt. Rituale vertiefen Beziehungen und bringen Rhythmus und Struktur in unser Leben, gerade jetzt, wo so viel Unsicherheit da ist. Rituale geben auch dem Wandel Raum und sind eine gute Möglichkeit, das Leben zu feiern. Frau Wagner, wie wichtig sind Rituale in Ihrer Familie?
Verena Wagner: Ich finde Rituale notwendig. Mit dem Alter der Kinder wandeln sie sich. In der Zeit rund um Weihnachten ist es uns wichtig, dass nicht nur der Konsum und die Geschenke im Vordergrund stehen, sondern dass wir viel Zeit miteinander verbringen.
Die Coronapandemie hat die Weihnachtstraditionen in vielen Familien verändert. Bei Ihnen auch?
Wagner: Bei uns hat sich nicht so viel verändert. Wir feiern immer in der Kernfamilie. Den Besuch bei den Großeltern haben wir auf später verschoben.
Trentini: Einige Familien fanden es angenehm, nicht so viel Stress in der Vorweihnachtszeit zu haben, sie konnten für sich sein oder selber kreativ werden, weil es weniger Angebot gab.
Julia Langeneder, Familienredakteurin, lädt jeden Monat zum Familienrat ein.
Wie können Familien selbst neue Rituale entwickeln, wenn die üblichen für sie nicht mehr stimmig sind?
Trentini: Ich arbeite gerne mit den vier Elementen. Im Advent haben wir einen Jahreskranz. Die vier Kerzen sind die vier Kräfte, mit denen wir uns verbinden können. Die Kinder heften aus Blattwachs auf jede Kerze ein Symbol, zum Beispiel eine Welle. Auf unserem Christbaum gibt es auch Kerzen in den Farben der Elemente: Weiß (Luft), Rot (Feuer), Blau (Wasser) und ein dunkler Ton (Erde). Man kann das Entzünden der Kerzen auch mit einem Dank verbinden oder mit einer Bitte für die Welt. Als Adventkalender gibt es bei uns ein Familienpuzzle. Dafür nehmen wir das Foto eines schönen Erlebnisses, zerlegt in 500 bis 800 Puzzleteile, an jedem Tag sind ein paar Teile im Adventsackerl. Darüber hinaus schenkt jeder dem anderen etwas, das er gerne mit ihm oder für ihn tun möchte. Das kann bei den Kindern sein: „Ich mach dir einen Kakao“, oder bei uns Erwachsenen eine Massage oder ein Nachtspaziergang. Wichtig ist, dass ein Ritual lebendig bleibt und auch Spaß macht. Rituale funktionieren nur, wenn sie mit Leben erfüllt werden und wir sie nicht denken, sondern wirklich realisieren.
Wagner: Ich schreibe auf meinem Blog im Dezember jeden Tag einen Impuls für eine achtsame Adventzeit. Zur Wintersonnenwende gehen wir als Familie in den Wald. Wir entzünden eine Kerze und bringen den Tieren Futter. Die Kinder sind vor Weihnachten immer sehr aufgeregt, da ist der Wald ein guter Gegenpol.
Trentini: Wir feiern diese Waldweihnacht auch, gemeinsam mit einer anderen Familie. Wir nehmen einen Korb voller Kerzen mit und auf dem Weg zum Waldplatz, wo wir einen Baum schmücken, stellen wir Kerzen auf und entzünden ein Licht für Menschen, die ein Licht in unserem Leben sind. Dadurch entsteht ein Lichterpfad.
Julias Gäste
Verena Wagner, Journalistin, Autorin und Bloggerin (www.mamirocks.com), Mutter von drei Kindern
Sabine Trentini, Ritualleiterin, Family Counselor nach Jesper Juul, Mutter von drei Söhnen (www.sabine-trentini.at)
„Vielen Jungeltern ist gar nicht bewusst, dass sie die einjährigen Kinder völlig überfordern, wenn sie so viel Zeug schenken.“
„Rituale funktionieren nur, wenn sie mit Leben erfüllt werden und wir sie nicht denken, sondern wirklich realisieren.“
Was ist, wenn es innerhalb der Familie unterschiedliche Vorstellungen gibt, wie man das Weihnachtsfest feiern möchte, etwa, wenn einem Elternteil die christlichen Rituale wichtig sind und der andere kann damit wenig anfangen?
Trentini: Wichtig ist, dass man miteinander im Austausch ist und sich im Vorfeld darüber klar wird: Wie wollen wir als Familie feiern? Was möchte ich einbringen, was ist mir wichtig? Je größer die Kinder werden, desto wichtiger ist es, sie einzubinden.
Ein Ritual ist auch das Schenken. In vielen Familien artet das jedoch ziemlich aus.
Wagner: Vielen Jungeltern ist gar nicht bewusst, dass sie die einjährigen Kinder völlig überfordern, wenn sie so viel Zeug schenken. Das kann man oft nicht mehr stoppen, es steigert sich. Wir haben das Schenken reduziert. Ich möchte es noch mehr eingrenzen und uns zum Beispiel als Familie eine Reise in den Weihnachtsferien schenken.
Trentini: Ich finde es einen schönen Brauch, dass man sich etwas schenkt. Es ist schön, wenn man mit Kindern übt: Was macht dem anderen Freude? Kinder können sehr einfühlsam sein. Ich ermutige unsere Kinder, dass sie nichts kaufen. Man kann auch einen Kreativnachmittag gestalten oder Gutscheine basteln.
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