Die kleine Ada kommt zur Großmutter, weil die Mutter keine Vater-Mutter-Kind-Idylle bieten kann und will. Sie besucht die Kleine einmal in der Woche, immer sehr schön gekleidet, immer perfekt hergerichtet. Der Vater liest unentwegt, kommt noch seltener zu Besuch als die Mutter. Ob er wirklich Adas Vater ist? Ob sie zu wenig liebenswert für die beiden ist?
Die Kraft der Schönheit, die Macht der Liebe
Minu Ghedina hat sich mit ihrem Debütroman viel, genauer gesagt eine sehr lange Erzählstrecke, vorgenommen. Dabei lässt sie die Handlungsräume detailreich ausgestalten: viele Stoffe, viele Muster, unzählige Gesten in der Wohnung der Großmutter, einer begnadeten Schneiderin. In diese Idylle passen die Besuche der Eltern nie, zu viel Distanz und Ablehnung bringen sie mit. Ada ist fleißig, weiß sich von ihrer Großmutter geliebt und in ihrem Weiterkommen gefördert. Sie geht aus den komplizierten Beziehungen gestärkt heraus, sucht und findet ihren eigenen Weg als Kostümbildnerin, lässt sich nicht abweisen und fordert ihre Auftraggeber heraus. Schönheit macht sie glücklich, das merkt die Kleine bei der gemeinsamen Italienreise mit den Eltern. Ada weiß nun, dass sie „Schönheit schaffen“ will. Später entdeckt sie ihre Liebe zum Theater, auf und hinter der Bühne findet sie als junge Frau ihren Platz. Sie erfährt, dass sie einen Stief- und einen leiblichen Vater hat, den sie sehnlich treffen möchte.
„Weißt du, ich und deine Mutter, das sind zwei verschiedene Welten. Sie hatte sich da in etwas verrannt.“
Die Traurigkeit der schönen Mutter und die Verzweiflung der Männer, angefangen beim Stiefvater und weitergehend zum leiblichen Vater bis hin zu Adas Geliebten, werden durch die Stärke sowie Treue der unermüdlich tätigen Großmutter ausgeglichen, nicht wettgemacht, aber durchaus aufgewogen.
„Eine Umarmung war nie Muster ihrer Begegnungen. Es war eine seltsame Nähe, das Gesicht an Großmutters Haut, an ihrem Geruch, dem Knistern der Haare und die scheue Geste ihrer Hände auf Adas Rücken. Ada spürte ihren verwundeten Körper. Es schmerzte, zu gehen und Großmutters Blick mit der Traurigkeit einer verlassenen Mutter hinter sich zu lassen.“
Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Debütroman nicht lesen:
einen herausragenden Entwicklungsroman, eine innige Enkeltochter-Großmutter-Liebe, brüchige Verhältnisse, starke Frauen, die Kraft der Stoffe und des Zusammenhaltens.
Minu Ghedina:
ist 1959 in Klagenfurt geboren und in Innsbruck aufgewachsen. Sie studierte Germanistik und Schauspiel, arbeitete an Theatern und beim Film, studierte Bildhauerei bei Alfred Hrdlicka und publizierte ihre Gedichte in Literaturzeitschriften.
Minu Ghedina
Die Korrektur des Horizonts.
Salzburg: Otto Müller Verlag 2022.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at
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