Buchempfehlung: „Die Gemochten“

Buchempfehlung: „Die Gemochten“
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  • Veröffentlicht: 14.12.2022
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Komprimiert entwirft die Autorin hier Intimes, Verträumtes, Verzagtes und Verhaltenes.

Geschichten über Liebe und ihre Zufälligkeiten 

Es heißt ja, dass sich Erzählbände schlechter verkaufen als jene Bücher, auf deren Vorsatzblatt der Untertitel „Roman“ steht – egal, dass das Büchlein auch nur 80 Seiten hat. Ein Roman, so sagt man, ist etwas Abgeschlossenes. Die 13 Geschichten Lydia Mischkulnigs sind Zeitreisen, Verlockungen, Verirrungen, Anlässe zum Weiterdenken, vielleicht sogar Weiterschreiben. Dass sich in der Titelgeschichte zwei Menschen, eine Frau und ein Mann, immer im Stundenhotel verabreden, führt zwei Absätze lang auf die falsche Spur. Komprimiert entwirft die Autorin hier Intimes, Verträumtes, Verzagtes und Verhaltenes.

„An Sex sind Manuela und Egon nicht interessiert. Lieben bedeutet, sich gegenseitig Lust zu bereiten, um dann die Körpersäfte zu tauschen. Die beiden aber kommen hier nur zusammen, weil sie einander mögen und sich ein Alibi für sexuelle Handlungen geben.“
Seite 29

Die ProtagonistInnen treffen sich, um Champagner zu trinken, gemeinsam zu duschen oder zu baden. Wie schön, dass man dann den Korken mit ins Büro nehmen und vor den Augen aller „heimlich“ wieder einstecken kann. Einsamkeit in vielen Facetten, Träume im klar strukturierten Alltag, zwei Erfolgreiche, die ihre Treffen ausweiten, bis jenes Gefühl auftauchen wird, das mit „Sippe“ zu tun hat. Vielleicht gibt es ein Happy End.

„Egon und Manuela nehmen immer das Zimmer, das gerade frei ist. Eine Reservierung nehmen sie nicht vor, weil sie es auf den Zufall ankommen lassen, ob sie im Hotel landen oder essen gehen. Sie kommen beide mit dem Taxi und beide verlassen ihre Arbeitsstätten stets pünktlich zur verabredeten Zeit.“
Seite 27

Andere wieder treffen sich zufällig im Café, plänkeln über „weiße Gespritzte“, die politisch korrekte Sprache, den großen beziehungsweise kleinen Braunen. Joshua ist verheiratet, führt ein Juweliergeschäft und hinterlässt Maggie, seiner Geliebten, ein Grundstück in der Elsa-Plainacher-Gasse. Maggie fährt mit dem Rad zu ihrem „Erbgrundstück“ und nimmt die Spur der Namensgeberin (einer Hexe) auf, sät, erntet und stirbt.

Was Sie versäumen, wenn Sie diese Erzählungen nicht lesen:

seitenweise Poesie, Anspielungen auf Erzählungen von Ingeborg Bachmann, Verträumtes, Verirrungen, Lust, mit der Neugierde anderer zu spielen, sich ernsthaft mit Jugendlichen auseinanderzusetzen, Zeit zu haben, sich Zeit zu nehmen.

Lydia Mischkulnig:

1963 in Klagenfurt geboren, lebt und arbeitet in Wien. Sie hat zahlreiche Auszeichnungen und Preise erhalten, ihr Roman „Die Richterin“ (Haymon 2020) ist ebenfalls eine große Leseempfehlung von mir.

Lydia Mischkulnig
Die Gemochten. Erzählungen.
Graz – Wien: Leykam 2022.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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