Der Weg zu Gott im Alltag

Der Weg zu Gott im Alltag
Foto: Heidrun Bauer
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  • Veröffentlicht: 26.05.2023
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Mit Pfingsten steht ein weiterer christlicher Feiertag vor der Tür. Welchen Stellenwert Feiertage in der Gesellschaft haben und wie man von der Spiritualität ins Tun kommt, weiß Schwester Heidrun Bauer von den Wiener Salvatorianerinnen.

Schwester Heidrun, Pfingsten steht unmittelbar bevor, wie begehen Sie Festtage wie diese?

Indem ich mich zuerst innerlich vorbereite und mich mit der Thematik von Pfingsten und den dazugehörigen Bibelstellen beschäftige. Dadurch erinnere ich mich daran: Was ist der tiefere Sinn dieses Festes? Das ist mir das Wichtigste, es geht mir weniger um Äußerliches. Das innere Festgeheimnis steht für mich an erster Stelle. Ich bin bestelltes Mitglied im Pfarrgemeinderat Pitten, da ist es mir auch ein Anliegen, mit der Pfarrgemeinde vor Ort mitzufeiern.

Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes. Worin liegt für Sie das innere Festgeheimnis dieses Feiertages?

Mir gefällt ganz besonders die Bibelstelle aus dem Johannes-Evangelium, in der die Auferweckung Jesus mit dem Geheimnis von Pfingsten zusammenfällt. Wie der auferweckte, verwundete Jesus Christus in die Mitte der verängstigten Jüngerinnen und Jünger tritt. Das Besondere am Festgeheimnis ist für mich, dass Jesus Christus, der damals von allen verkannt wurde, weil er die Liebe bis zur letzten Konsequenz gelebt und einen schmachvollen Tod erlitten hat, nicht im Tod geblieben ist. Sondern von seinem himmlischen Vater auferweckt wurde und mit einem riesigen inneren Frieden wiederkommt und sich zeigt als der, der mit seinen Wunden da ist. An dieser Begegnung kann man erkennen, um welchen Geist es sich bei Jesus handelt und, dass es ihm nur aus dieser Geisteskraft möglich war, denjenigen in Liebe zu begegnen, die ihn in seinen schwersten Stunden im Stich gelassen hatten.

Feiertage sind häufig mit Stressbelastung und Konsum verbunden. Welchen Stellenwert haben christliche Feiertage aus spiritueller Sicht, speziell Pfingsten?

Sie helfen, sich an diese Glaubensgeheimnisse zu erinnern. Und in Österreich haben wir sogar das Privileg, dass wir zwei Pfingstfesttage haben. Der Pfingstmontag ist ein Geschenk des Staates für alle Menschen, die in Österreich leben. An Pfingsten dürfen wir tiefer in das zentrale christliche Glaubensgeheimnis eintauchen, dass Gott ein Du ist, das in allen Widrigkeiten mit uns ist, mit uns durch diese hindurchgeht und uns nie verlässt sowie immer treu ist.

Sie sprechen von Gottes Treue zu uns. Wie leben Sie die Spiritualität in Ihren alltäglichen Tätigkeiten und Ihre Treue zu ihm?

Mir ist es wichtig, aus einer inneren Verbindung mit Jesus Christus zu leben. Und dass ich den Menschen mit einer großen Herzensoffenheit begegne, um aus einer Herzverbindung heraus zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Ein tägliches, biblisches Wort, durch das mir Jesus Richtung und Wegweisung gibt, zeigt mir, wie ich meinen inneren Kompass ausrichten soll, damit sich das gute Leben vermehrt.

„Gottgläubigkeit ist ein Beziehungsgeschehen.“

Wie definieren Sie „Gottgläubigkeit“ und was kann sie geben?

Gottgläubigkeit ist ein Beziehungsgeschehen. Die Beziehung zu einem göttlichen Du, das lebendig ist, und das sich offenbart. Wenn ich still werde, mich sammle und mein Herz öffne, kann ich diese leisen und zarten Impulse wahrnehmen. Dafür ist es notwendig, dass ich mein Ego zurückschraube und Gott groß sein lasse. Nicht damit er mich klein macht, sondern dass er mich durch seine Kraft groß macht – aber nicht im Sinne von einer Größe, wie man sie von Superstars kennt. Sondern um aus einer inneren Kraft heraus erfüllt sein zu können, um auch für andere gut da sein zu können. Dadurch kann ich zu der werden, die ich bin. Ich werde ganz ich, auch im Dienst für die anderen.

Ist Spiritualität nur etwas für Gläubige, Schwester Heidrun?

Spiritualität ist ein Angebot für alle Menschen, die ihr Herz aufmachen. Für die, die auf der Suche nach dieser sich verströmenden Liebe sind und aus dieser Liebe heraus leben wollen, damit sich das Gute in der Welt vermehrt.

Sind die Kirche und ein System wie ein Orden noch zeitgemäß? Was können uns Glaubensgemeinschaften in einer schnelllebigen Zeit wie dieser geben?

Auf alle Fälle. Kirche und Orden erinnern immer wieder daran, dass es etwas Größeres gibt, das uns übersteigt. Das uns leiten und führen und uns einen inneren Kompass geben möchte, damit wir gemeinsam als Menschheitsfamilie und mit der uns anvertrauten Schöpfung ein gutes Leben für alle gestalten können. Dieses Zusammenwirken von Mensch und göttlicher Kraft kann etwas sichtbar machen, das jenseits des rein menschlich Machbaren liegt, zugleich für alle gut ist und Bestand hat.

So wie ich Gott verstehe, ist Gott eine personale Dynamik, die uns beschenken möchte. Dafür ist es notwendig, die Hände offen und leer zu haben. Ich denke mir, wenn wir als Kirche – und wir Orden sind ein Teil der Weltkirche – aus dieser inneren Verbindung heraus unseren Beitrag im Kleinen wie im Großen leisten, geschieht viel Gutes, das zumeist unbemerkt seine Wirkung entfaltet.

„Dieses göttliche Du, das ist, möchte genauso, dass ich bin.“

Hektik und Stress sind Bestandteil unserer Gesellschaft. Wie kann man es trotzdem schaffen, den Glauben niederschwellig in den Alltag zu integrieren?

Mein Tipp: immer wieder innehalten, sich bewusst für einen Stopp entscheiden, den eigenen Atem spüren und merken, dass der Atem ein reines Geschenk ist. Dann kann auch eine Dankbarkeit aufsteigen: Ich bin. Dieses göttliche Du, das ist, möchte genauso, dass ich bin. Plötzlich ist eine Verbindung zu dieser größeren Dimension da, die ich vielleicht zum ersten Mal in meinem Leben wahrnehme. Dadurch erlebe ich den geschenkhaften Charakter des Lebens.

Neben Ihrer Ordensarbeit sind Sie auch noch als geistliche Begleiterin tätig. Welche Menschen kommen zu Ihnen und was erhoffen sie sich?

Menschen, die auf der Suche nach geistlicher Begleitung sind, wollen einüben, wie Glaube und Leben eins werden können und wie man aus der biblischen Botschaft Kraft und Orientierung schöpfen und gewinnen kann. Es geht um eine innere Ordnung und darum, wie man das Leben aus dem Glauben heraus so gestalten kann, dass man gesundet.

„Meine Bilder konfrontieren Menschen mit einer göttlichen Mitte.“

Sie sind künstlerisch tätig, Sie schreiben und malen. Was kann man Ihrer Ansicht nach von der Kunst lernen?

Im Betrachten von Kunstwerken oder von Texten, die vielleicht zunächst sperrig daherkommen oder fremd sind, wird man im eigenen Denken gestört und irritiert. Man fragt sich: Welche tiefere Botschaft könnte enthalten sein, die ein Potential in meinem Leben wachküssen möchte, und die ich jetzt noch nicht kenne?

Ich kann mich an eine Person erinnern, die vor langer Zeit bei mir im Atelier war, die gesagt hat: Sie kann sich meine Bilder nicht anschauen, weil die alle eine Mitte haben. Das hat mir viel bedeutet: Meine Bilder konfrontieren Menschen mit einer göttlichen Mitte. Dieses göttliche Du drücke ich oft mit Blattgold aus, um die Göttlichkeit zu unterstreichen. Das Gold, das ich verwende, ist nur ein Hauch. Trotzdem irritiert es, spricht an und bringt etwas von innen heraus zum Leuchten. Es sind auch oft die Leerräume in meinen Bildern, die auf eine Transzendenz hinweisen, die mit dem natürlichen Auge nicht sichtbar ist.

Was sind die größten Alltagsblockaden für Glauben und Spiritualität in unserer Gesellschaft?

Vorgefasste Vorstellungen und Bilder, wie etwas zu sein hat. Es braucht sehr viel Mut und eine innere Sehnsucht, die tiefere Dimension von Begriffen wie Kirche, Orden und Priester erfassen und entdecken zu wollen. Wie weit habe ich den Biss, wie man so schön sagt, mich nicht an den vordergründigen Meinungen festzukrallen? Vielleicht steckt doch mehr als ein Fünkchen Wahrheit in so mancher Aussage, die so ganz und gar nicht dem gängigen Mainstream entspricht?

„Ich bin in vielen Gesprächen eine Hörende.“

Viele Menschen haben sich von Glaube und Religion abgewandt, stellen die Existenz in Frage oder bekämpfen das System Kirche. Wie begegnen Sie solchen Menschen?

Mit Offenheit. Ich bin in vielen Gesprächen eine Hörende. Oft spüre ich, dass Menschen schlechte Erfahrungen gemacht haben und innere Wunden mit sich herumtragen. Jede Person möchte geliebt und verstanden werden. Jeder Mensch ist ein Geheimnis, deshalb ist mir Respekt sehr wichtig. Da ich kein Ordenskleid trage, weiß man nicht sofort, dass ich eine Ordensfrau bin. Ich möchte niemanden zwangsbekehren, das interessiert mich überhaupt nicht. Ich habe einen Schatz gefunden, von dem ich gerne erzähle. Wenn ich nicht angefragt werde, ist das auch gut. Jeder Mensch kann sich auf die Suche machen und dafür kann man gerne meine Hilfe in Anspruch nehmen.

Vermissen Sie die Möglichkeit, Leben zu schenken oder eine Partnerschaft zu leben?

Ich schenke ununterbrochen Leben. Auf ganz unterschiedliche Art und Weise. Da finde ich mich total in meinem schöpferischen Potential als Frau. Zum Beispiel in der Kunst oder wenn ich bei der Begleitung merke, dass Menschen aufblühen. Im Lockdown habe ich meine kreative Gartengestaltung entdeckt. Wenn ich dieser Vielfalt an Pflanzen im Garten Raum gebe, bin ich verbunden mit dem Leben, mit der Schöpfung – das ist eine wunderschöne Aufgabe. Ich koche auch gerne kreativ, selten nach Rezept, sondern nach inneren Eingebungen. Das ist auch etwas Lebensspendendes. Genau wie das Einbringen in die Gemeinschaft, wenn meine Mitschwestern etwas brauchen – sei es ein Fahrtendienst, Hilfe am Handy oder am Computer.

„Man arbeitet und gestaltet aus einer inneren Kraft, die nicht nach der Logik einer Excel-Tabelle funktioniert.“

Viele Menschen haben es schwer, der Spiritualität im Alltag Raum zu geben. Welche Tätigkeiten bringen Sie persönlich in die Spiritualität?

Ich würde das eher umgekehrt sagen: Aus der Spiritualität komme ich in die Tätigkeit. Es gibt innere Impulse, die mich dann in Bewegung setzen. Ich entdecke immer neue Dinge, die durch mich ins Leben kommen wollen. Projekte, die ich noch nie im Leben gemacht habe. Beispielsweise bei der Seligsprechung unseres Ordensgründers im Mai 2021. Da bin ich wie aus dem Nichts von unserer Generalleitung angefragt worden und habe in Vorbereitung auf die Seligsprechung Räume in unserem Mutterhaus in Rom gestaltet. Ich habe mit einem Mitbruder und einem Goldschmied in Klagenfurt ein Reliquiar entworfen. Gerade im Ordensleben wird man für viele Dinge angefragt, die man zuvor noch nicht so gemacht hat. Aber man spürt, dass da ein Potential angelegt ist, das sich entfalten möchte, wenn man sich darauf einlässt.

Da ich eine HAK-Ausbildung habe und auch fünf Jahre in einer Exportabteilung einer großen Glasfabrik gearbeitet habe, weiß ich, wie die Wirtschaft funktioniert. Ein Leben aus dem Glauben ist das Gegenteil. Man arbeitet und gestaltet aus einer inneren Kraft, die nicht nach der Logik einer Excel-Tabelle funktioniert. Man arbeitet nicht nur Projekte ab, sondern erhält innere Impulse, die die Richtung vorgeben. Dadurch kommt man in Gebiete, wo man sagt: Da war ich auch noch nie.

Wie fließt Spiritualität in Ihre Begegnungen ein und was braucht es für eine gelungene, zwischenmenschliche Kommunikation?

Es braucht eine gewisse Offenheit, wenn man fremden Menschen die Tür aufmacht. Ein Lächeln und Herzensgüte sind immer die Brücke von Mensch zu Mensch. Wer hat es nicht gern, liebevoll behandelt zu werden? Dadurch kann man positive Irritationen auslösen. Das Wichtigste dabei: die innere Herzenshaltung.