Buchempfehlung: „Das Paradies ist weiblich“

Buchempfehlung: „Das Paradies ist weiblich“
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  • Veröffentlicht: 27.04.2022
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Was genau würde sich verändern, wenn tatsächlich Frauen unser Leben regeln? Wäre die Welt eine gerechtere, liebevollere, bessere?

So klug und inspirierend klingen Umbruch-Texte

Es gibt Bücher, die erfreuen einen beim bloßen Kaufen, Auspacken und Betrachten. Das vorliegende Buch verspricht sehr viel und hält noch mehr: Die hier versammelten 20 Betrachtungen regen an, erheitern, machen nachdenklich.

20 Autor*innen denken über das Matriarchat nach, schreiben über Superheld:innen, nehmen Anleihen aus der Tierwelt und stellen wie etwa Simone Hirth den Literaturkanon fundiert in Frage. Jeder Text verdient seine eigene Lektürezeit, jede Autorin, jeder Autor wäre hier eine eigene Besprechung Wert mit lieben Grüßen aus dem Paradies. Jetzt aber das Lesezeichen.

Mithu Sanyal stellt die Frage: Welches Matriarchat hätten Sie denn gern? Sie erzählt von einem Beitrag, den sie eigentlich schreiben sollte, zu dem sie recherchiert und geschrieben hat, der aber nicht erschien: Ihr Lernprozess im Rahmen dieser Auseinandersetzung mit dem Matriarchat brachte ihr die Erkenntnis, „dass sich sogar Klischees mit der Zeit ändern“.

„Frauen sind nicht die besseren oder moralischeren oder auch nur mütterlicheren Menschen, zum Glück nicht! Aber andere Gesellschaftsverhältnisse sind denkbar.“
Seite 16

Der Beitrag der Schriftstellerin Margit Schreiner „Clownfische“ (S. 31–42) führt zurück in eine Kindheit, die vom Wunsch, einen Clownfisch im Aquarium zu halten, nicht unbedeutend geprägt wurde und sei es nur seiner Farbe orange wegen.

„Ein Clown ist an sich lustig. Obwohl andererseits kein Mensch einen echten Clown bei sich zu Hause haben möchte. Einen kleinen Clownfisch hingegen sehr wohl.“
Seite 32

Schreiner schildert ihre Freude darüber, herausgefunden zu haben, dass dieser Fisch sein Geschlecht ändern kann: Ihr Weg in linke Schülergruppen, ihre Beteiligung an Diskussionsrunden zur Geschlechterrolle kommt gleich nach dieser Betrachtung, wird zur Mutprobe, immer wieder stößt sie als Studentin an Begrenzungen, waren doch fast alle Leitungsmitglieder der politischen Gruppierungen männlich. Schreien, nein, davon riet bereits Brecht ab, davon würde die Stimme nur heiser.

„Ich schonte meine Stimme, brach mein Studium ab und begann zu schreiben.“
Seite 38

Text für Text eröffnet der Sammelband neue Standpunkte, lässt die Biographien der Autor*innen neugierig nachlesen, schöner kann Literatur, können Lesen und Nachdenken kaum sein.

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Band nicht Text für Text genau lesen:

Anregungen, Wissen, Theorie, Witz, gute Vergleiche, Ideen für später und gleich jetzt, Kennenlernen empfehlenswerter Autor*innen, Lust, die Literaturklassiker zu hinterfragen, mehr von Simone Hirth zu lesen, noch einmal „die Schreiner“ zu lesen und auch den Tonio Schachinger besser kennenzulernen

Tanja Raich

Die Herausgeberin Tanja Raich ist 1986 in Meran geboren, lebt als Autorin und Lektorin in Wien. Ihr Romandebüt „Jesolo“ erschien 2019 im Blessing-Verlag; sie erhielt zahlreiche Stipendien und  Preise und wurde u. a. für den Österreichischen Buchpreis sowie für den alpha Literaturpreis 2019 nominiert.

Tanja Raich (Hg.)
Das Paradies ist weiblich.
20 Einladungen in eine Welt,
in der Frauen das Sagen haben.
Zürich: Kein & Aber Verlag.
224 Seiten.
ISBN 978-3-0369-5870-5.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at

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