Das erste Mal Weihnachten …

Das erste Mal Weihnachten ...
  • Teile mit:
  • Veröffentlicht: 12.12.2021
  • Drucken

Auch wenn das Leben noch so wilde Purzelbäume schlägt, das Schicksal mit einem Achterbahn fährt, bleibt eines fix – am 24. Dezember wird das Weihnachtsfest gefeiert. Aber wie ist das, wenn in der Stillen Nacht ein geliebter Mensch an der Seite fehlt, wenn gewohnte Rituale plötzlich geändert werden sollen, wenn das Zuhause in weiter Ferne liegt?

Das erste Mal Weihnachten ... als Paar

Eva Pimminger hat mit ihrem Ehemann Michael ein „eigenes“ Weihnachtsfest entwickelt

Als Eva und Michael Pimminger in ihre erste gemeinsame Wohnung zogen, machten sie sich auch Gedanken über Rituale und Bräuche. Während sie früher abwechselnd getrennt, bei der einen oder bei der anderen Familie Weihnachten gefeiert haben, beschlossen sie, ihr eigenes Ritual zu begründen und den Heiligen Abend zu zweit zu verbringen.

Um die Familie aber doch nicht ganz auszuklammern, kamen Evas Eltern bereits am Vorabend zu Besuch und die Geschwister, deren Partner, Nichten und Neffen, luden sie am 24. Dezember zum Weihnachtsbrunch ein – mit Weckerln vom Bauernmarkt, Eierspeise, Kuchen, Müsli und Obstsalat.

Am Nachmittag, als wieder Ruhe eingekehrt war, bauten sie die liebevoll gebastelte Wurzelkrippe mit mehr als 50 Tieren und Figuren auf, schmückten den Baum und machten ihre eigene, kleine Weihnachtsfeier mit stimmungsvollen Texten, Liedern, Sekt zum Anstoßen und vielen Kerzen. Vor der Mette schauten sie noch bei Michaels Eltern vorbei, um gemeinsam die Christmette zu besuchen. „Aber das Bewegendste war sicher  unsere gemeinsame Feier“, sagt Eva Pimminger. Diese Jahr gibt es eine kleine Programmänderung: Im Dezember erwarten die beiden Nachwuchs und dann werden sie zum ersten Mal zu dritt Weihnachten feiern.

Das erste Mal Weihnachten ... in Österreich

Die Südkoreanerin Suyang Kim lebt seit über 20 Jahren in Österreich.

Warum stehen die Menschen frierend in der Kälte am Christkindlmarkt und klammern sich an einen Becher mit dampfendem Inhalt? Abgesehen davon, dass Suyang Kim kaum Alkohol trinkt, hat sie weder Punsch noch Weih­nachts­gans und Karpfen gekannt. Damals, als sie vor über 20 Jahren als Musikstudentin zu einer Gastfamilie nach Öster­reich kam. „Die Kerzen an unserem Adventkranz aus Plastik haben wir zuhause immer alle auf einmal angezündet.“

beigestellt

beigestellt

Mit ihrer Gastfamilie feierte die Südkoreanerin das erste österreichische Weihnachtsfest, mitten im tief verschneiten und windigen Mühl­viertel. „Ich habe gedacht, das Haus wird explo­dieren,“ erzählt die heute 40-jährige Pianistin lachend. Sie erinnert sich an die vielen Menschen im großen Wohnzimmer, Kinder, Geschenke und an einen echten Weihnachtsbaum. „In meiner Kindheit stellte meine Mutter jedes Jahr einen ge­schmückten Plastikbaum mit elektrischen Kerzen auf.“ Für Santa Claus, der den koreanischen Kindern jedes Jahr am 25. De­zem­ber die Ge­schenke bringt.

Zu Weihnachten pendelt Syang Kim. Entweder  ver­bringt sie das Fest in Öster­reich oder bei ihren Eltern in Südkorea. Was mag sie am öster­rei­chischen Weihnachtsfest? „Es riecht so gut nach Zimt, Weih­rauch und Keksen.“ Vanille­kipferl isst die gebürtige Koreanerin besonders gern. Obwohl sie mit dem biblischen Hintergrund des Weihnachtsfestes wenig anfan­gen kann, genießt sie die traditionellen Weih­nachtslieder und vor allem die Ruhe während der Feiertage.

Das erste Mal Weihnachten ... nach dem Tod des Partners

Barbara Rohrhofer und ihre Kinder feierten 2010 das erste Weihnachtsfest nach dem Tod ihres Ehemannes und Vaters Martin.

Die Advents- und Weihnachtszeit war für Barbara Rohrhofer und ihre kleine Familie immer eine sehr bewusst gelebte Zeit. Sie, ihr Ehemann Martin und die Kinder Florian und Victoria haben die Weihnachtswoche immer sehr traditionell gestaltet. Singen um den Adventskranz, Kindermessen besuchen, gemeinsam Lebkuchen backen.

Als ihr Ehemann im April 2009 an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankte, wurde das Leben der  Familie auf den Kopf gestellt.

Barbara Rohrhofer

Foto: Volker Weihbold

Zu Weihnachten 2009 war klar, dass dies das letzte gemeinsame Weihnachten sein wird. „Das Fest wurde vom Tod überschattet. Und trotzdem haben wir alles gemacht wie immer: Advent gefeiert, gesungen, in die Kirche gegangen. Am Vorabend des 24. Dezember 2009 haben wir den Baum – wie all die Jahre zuvor – zu zweit geschmückt, das war immer eine kleines Fest, auf das wir uns beide gefreut habe“, schildert die Journalistin.

Ihr Ehemann ist mit 47 Jahren im Februar 2010 gestorben. Im Sommer vor dem ersten Weihnachten ohne Martin wussten sie und ihre Kinder (damals 9 und 12 Jahre alt), dass das Fest nicht zu Hause gefeiert werden kann.

Zusammen mit den Großeltern reisten sie am 23. Dezember nach Ägypten. „Weihnachten 2010 wird uns als  Light-Produkt in Erinnerung bleiben. Denn in Ägypten war am Heiligen Abend Sommer. Wir schwitzten am Strand, gingen abends auf die „Christmas“-Gala. Alles anders, aber unseren Wünschen voll entsprechend. Weihnachtsmänner liefen in knallroten Plüschanzügen schwitzend durch das Festzelt, keine Sekunde Stille oder Zeit zum Innehalten. Und das war gut so. Kein oder kaum ein Gedanke an Weihnachten zu Hause“, schildert Barbara Rohrhofer.

Dieses Jahr soll der 24. Dezember wieder in der alten Tradition gefeiert werden. „Am Vorabend werden wir zu dritt den Baum schmücken, am Heiligen Abend werden wir zu dritt sein – mit Käseraclette und jenem Erdapfelsalat, den Martin immer gemacht hat. Martin wird am 24. Dezember sicherlich dabei sein – sowie die vielen Lichter am Baum.“

Das erste Mal Weihnachten ... im Ausland

Susanne Großauer verbrachte 2005 ihr Weihnachtsfest in Südkorea

Susanne Großauer ist eine Weltenbummlerin. Doch Weihnachten bedeutet für sie Heimat, Familie, Tradition. Nur einmal hat die Österreicherin, die heute in Schweden lebt, das Weihnachtsfest im Ausland verbracht. Das war vor sechs Jahren in Südkorea, als sie dort ein Praktikum absolvierte.

Susanne Grossauer

Foto: beigestellt

Kurz vor dem 24. Dezember war sie nach Seoul geflogen, ins Studentenheim gezogen und dann stand plötzlich Weihnachten vor der Tür. In einem Land, in dem es weder Christkindlmarkt noch Kekse gab, dafür umso mehr Kitsch.

Wo ihre „neue“ Familie aus Schweden, Russen und Franzosen bestand, während ihre echte Familie tausende Kilometer weit weg war. Wo eine Zimt-Latte von Starbucks noch am ehesten an Weihnachten erinnerte. „Christmas like you’ve never had before“ war die Devise an jenem Abend. Anstatt von frischen Bratwürsten, gab es koreanisches Essen im Restaurant. Statt der traditionellen Christmette wurde bis in die Morgenstunden im Club gefeiert.

Es waren aber ganz persönliche Dinge, die Susanne Großauer an jener Weihnacht wirklich Freude bereiteten. Etwa das Weihnachtsstartpaket, das ihr ihre beste Freundin in Österreich mitgab, bestehend aus Papierbaum, Kerzen, Tannenzweig und getrockneten Orangen. Diese Dinge in Ruhe auszupacken und an ihre Lieben zu denken, das ließ sich Susanne nicht nehmen. Oder das nächtliche Telefonat mit ihrem Opa, das ihr die Möglichkeit gab, zumindest für ein paar Minuten das Weihnachtsfest in ihrer Heimat live mitzuerleben. Heute verbringt Susanne jede Weihnacht wieder mit ihrer Familie. Aber auch die Vorweihnachtszeit in Schweden ist hart, wo es etwa keinen Nikolaus gibt. Aber immerhin Lebkuchen.

Das erste Mal Weihnachten ... im Kloster

Pater Bernhard Eckerstorfer feiert seit über 20 Jahren im Stift Kremsmünster Weihnachten.

Als Zivildiener hat Pater Bernhard Eckerstorfer, damals hieß er noch Andreas, einmal mit Obdachlosen Weihnachten gefeiert – Menschen, die übrig bleiben, wenn sich die Straßen leeren, Menschen, auf die keiner wartet. Die Erlebnisse in der Obdachlosenbetreuung und die vielen berührenden Geschichten haben ihn nachhaltig geprägt und ihn in seinem Wunsch bestärkt, Priester zu werden.

Seither verbringt Pater Bernhard den 24. Dezember in der Gemeinschaft der Benediktinermönche im Stift Kremsmünster.

Pater BernhardDas Heilig-Abend-Ritual beginnt um 18 Uhr mit der Vesper (Abendgebet), danach wird auf dem Friedhof der verstorbenen Mitbrüder gedacht. „Die vielen Kerzen, die das Dunkel durchbrechen – eine sehr schöne, besinnliche Zeremonie“, findet Pater Bernhard. Nach einer kleinen Feier und dem traditionellen Weihnachtsessen Bratwürstel mit Sauerkraut überreicht der Abt jedem ein Geschenk.

Den Wunschzettel haben die Patres im Vorhinein bei der Sekretärin deponiert. Nach den Vigilien (Nachtgebet) und der Mitternachtsmette lässt man den Heiligen Abend im gemütlichen Beisammensein ausklingen – schließlich dürfen die Mönche am nächsten Tag ausschlafen. Das Morgengebet findet am 25. Dezember erst um 7.30 Uhr statt und nicht wie üblich um 6 Uhr.

Weihnachten ist auch für Pater Bernhard ein Fest, das mit vielen Kindheitserinnerungen verbunden ist. Heimweh oder Einsamkeit hat er dennoch nie verspürt – auch beim ersten Mal nicht. In der Ordensgemeinschaft hat er sich von Beginn an sehr wohl gefühlt, außerdem kommt die Familie immer am 25. Dezember zusammen. Und dann wird Weihnachten gefeiert wie früher – dieselbe Glocke, die läutet, dieselben Lieder, die gesungen werden und auch das Essen der Kindertage: Pizza.

Das erste Mal Weihnachten

Die Muslima Minire Jashari kam 2005 mit ihrer Familie aus Mazedonien nach Österreich und feierte im Flüchtlingshaus ihr erstes Weihnachtsfest.

Bis zu ihrem ersten Weihnachtsfest im Flüchtlingshaus der Caritas in Rottenegg im Jahr 2005 kannte Minire Jashari das christliche Fest samt Glitzer, Kerzenschein, Keksen, Geschenken und Tannenbaum nur aus dem Fernsehen. Die Albanerin aus Mazedonien war mit ihrer Familie seit fünf Monaten in Österreich, ihre beiden Kinder waren damals 15 Monate und sieben Jahre alt.

Das Fest, das sie bisher in ihrer Heimat zu dieser Jahreszeit feierten, war der traditionelle „Winteropa“ am 31. Dezember, an dem Süßigkeiten geschenkt werden. „Ich war vor diesem ersten Weihnachtsabend sehr aufgeregt, denn ich wusste nicht, was auf mich zukommt.“ Im Flüchtlingshaus wurde für den 24. Dezember von der Heimleitung ein Abend der Kulturen organisiert.

Jeder der BewohnerInnen bereitete ein traditionelles Gericht aus seiner Heimat zu. „Ich weiß noch, dass mein Ehemann Remzi und ich sehr traurig waren. Aber in dieser Nacht haben wir unsere Sorgen vergessen. Die Kinder rund um uns waren alle fröhlich, das war ein sehr gutes Gefühl.“ Seither feiert Minire Jashari mit ihren inzwischen drei Kindern und ihrem Ehemann jedes Jahr nicht nur den für ihre Kultur traditionellen „Winteropa“, sondern auch das Weihnachtsfest. „Am 24. Dezember kommen Freunde vorbei, wir haben sogar einen Tannenbaum. Unsere Kinder lieben dieses Fest.“

Erschienen in der „Welt der Frauen“-Ausgabe Dezember 2011