Hunderttausende Menschen in Österreich sind süchtig. Sie alle haben Angehörige. Diese leiden still und unbeachtet. Wie gelingt es, weiterzuleben, wenn ein Familienmitglied sich durch Sucht zerstört?
Frauen sind anfälliger für Co-Abhängigkeit, weil sie sich mehr für den Zusammenhalt der Familie verantwortlich fühlen und sich emotional leichter verstricken als Männer.
Laut Epidemiologiebericht sind zwischen 31.000 und 37.000 ÖsterreicherInnen abhängig von Opiaten. Eine Million ÖsterreicherInnen haben einen problematischen Alkoholkonsum. Etwa 370.000 Menschen in Österreich sind alkoholabhängig, 64.000 Menschen sind süchtig nach Glücksspielen. Die Dunkelziffer ist hoch.
Test: Bin ich co-abhängig?
- Sie vertuschen, verleugnen, rechtfertigen oder bagatellisieren die Sucht des Angehörigen vor sich selbst und anderen, verstecken etwa Alkohol, beseitigen leere Flaschen, holen Ihren Angehörigen von überall ab, melden ihn bei der Arbeit krank, et cetera.
- Sie nehmen dem Angehörigen Aufgaben ab, die er oder sie erledigen sollte.
- Sie geben dem oder der Süchtigen ständig Geld, obwohl es für Suchtmittel verwendet wird.
- Sie kontrollieren Ihren Angehörigen.
- Sie fühlen sich Ihrem Angehörigen gegenüber schuldig, suchen ständig in der Vergangenheit nach der Ursache seiner oder ihrer Sucht.
- Alles dreht sich nur um den Suchtkranken/die Suchtkranke, Ihre eigenen Bedürfnisse und Interessen treten in den Hintergrund. Ihr Wohlbefinden und Selbstwertgefühl werden vom Zustand des Angehörigen bestimmt.
- Sie leiden unter Realitätsverleugnung, emotionaler Beeinträchtigung, Depression, übermäßiger Wachsamkeit, Zwängen, Ängsten oder eigenem Substanzmissbrauch.
„Angehörige haben ähnliche Aufgaben wie Suchtkranke“
Sophia Lang: Mit welchen Anliegen kommen Angehörige zu Ihnen?
Nina Schöninkle: Die meisten Angehörigen wollen wissen, wie sie einen suchtkranken Menschen rasch davon überzeugen können, sich Hilfe zu holen.
Was tun Sie in diesem Fall?
Ich versuche, den Druck herauszunehmen. Eine Sucht entsteht auch nicht innerhalb einer Woche, so ist auch der Weg aus einer Suchterkrankung ein Prozess. Es bringt niemandem etwas, wenn der oder die Suchtkranke nach der Therapie sofort rückfällig wird, weil er oder sie die Therapie nicht aus eigener Überzeugung gemacht hat.
Was sollten Angehörige tun?
Angehörige haben ähnliche Aufgaben wie Suchtkranke. Sie müssen lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen, sollten sich fragen, was sie brauchen, damit es ihnen gut geht und ihre Grenzen definieren. Meist sind alle Familienmitglieder emotional verstrickt, weshalb professionelle Hilfe gut ist. Die Schuldsuche ist ebenfalls sinnlos. Warum jemand süchtig wird, ist von verschiedenen Faktoren abhängig, nicht nur von einem Erlebnis oder einer Person, genauso wie Sucht eine komplexe Erkrankung mit vielen Begleiterkrankungen ist.
„Der einzige sinnvolle Rat ist, sich Hilfe zu holen“
Sophia Lang: Welche Tipps geben Sie Angehörigen von Suchtkranken?
Yazdi Kurosch: Die meisten Angehörigen haben genug gescheite Tipps gehört, der einzige sinnvolle Rat ist, sich professionelle Hilfe zu suchen. Denn selbst wenn ich verstanden habe, was ich tun sollte, heißt das nicht, dass ich mit meinen Gefühlen umgehen kann.
Was können Angehörige dennoch tun?
Alle Angehörigen müssen am gleichen Strang ziehen. Bei Minderjährigen habe ich noch mehr Einfluss. Spielen Kinder etwa zu viel Computer, nehme ich ihn ihnen weg, genauso wie Drogen. Erwachsene Suchtkranke kann ich weniger einschränken und kontrollieren. Ich kann sie unterstützen, aber nur, wenn sie in eine gesunde Richtung gehen wollen. Wenn Suchtkranke lernen, Verantwortung für ihr Leben zu übernehmen, können sie reifen.
Kurosch Yazdi Buch: „Junkies wie wir. Was uns und unsere Kinder süchtig macht“
In Oberösterreich gibt es im Kepler Universitätsklinikum in Linz Selbsthilfegruppen für Angehörige von Suchtkranken und eine eigene Abteilung für Glücksspielsucht
Wien: Elternkreis, Anton Proksch Institut, Susanne Hödls Selbsthilfegruppe „Susannenschein“
Anlaufstellen, die es in jedem Bundesland gibt: Grüner Kreis, Pro mente, Al-Anon (Selbsthilfegruppe für Angehörige von Alkoholkranken, auch für Kinder), Caritas, Verein Dialog
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