Claudia Winkler: „Die Seele nährt sich von dem, was sie liebt“

Claudia Winkler: „Die Seele nährt sich von dem, was sie liebt“
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  • Veröffentlicht: 25.03.2021
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Was bedeutet Sehnsucht für Sie? Worauf richtet sich Ihre Sehnsucht? Welche Sehnsucht hat sich für Sie in Ihrem Leben schon erfüllt? Unsere Leserinnen haben uns ihre Gedanken dazu geschrieben.

Inspiriert von den Worten des Heiligen Aurelius Augustinus, dem Bischof von Hippo, ließ die pensionierte Arbeitsmedizinische Assistentin Claudia Winkler (62) aus Terfens in Tirol alle ihre Bedenken los und erfüllte sich eine jahrelang gewachsene Sehnsucht.

Ich wollte schon immer einmal einer ganz anderen Beschäftigung nachgehen; einer Arbeit, welche meine Sinne anspricht, meine Seele berührt, mich mit Glück erfüllt. Andererseits ließen mich die Erfordernisse des Alltags in meinem erlernten, und auch schönen, Beruf verbleiben: Sicherheitsdenken und ein feines Arbeitsumfeld und auch eine – mittlerweile schon etwas altmodisch anmutende – Treue zum Dienstgeber.

Aber dann ergab sich die Möglichkeit zu Neuem: Ich sondierte, schnupperte und spürte in mich hinein und entschied mich für … den „Weltladen“. Schon seit Gründung der Weltläden vor Jahrzehnten betrat ich immer wieder gerne diese exotischen Geschäfte. Ich bestaunte die feinen Kunstgewerbeartikel, ließ mir von den meist ehrenamtlichen Verkäuferinnen deren Herkunft erklären, schwelgte in Farben, Formen, Düften.

Stets ist es mir schwergefallen, mich für nur einen der Artikel zu entscheiden, und stets blieb danach eine Art Sehnsucht zurück; das Gefühl, einen Blick in ein Paradies erhascht zu haben, nur ein Fragment aus einer verlockenden Fülle zugeteilt bekommen zu haben, einen Mangel zu spüren.

Dieses Gefühl des Mangels stille ich jetzt jeden Mittwoch, wenn ich im „Weltladen“ tätig bin und etwas Erstaunliches passiert: Es genügt mir, mich zwischen all diesen Schätzen aufzuhalten, sie zu berühren, sie Kunden und interessierten Besuchern nahezubringen, sie zu verkaufen. Ich fühle mich den Menschen nahe, welche die Produkte in den Ländern des Südens erzeugen.

Und … ich brauche selbst nichts mehr davon. Ich kaufe die fair gehandelten Lebensmittel, um sie weiter zu verschenken; ich freue mich an der Fülle an Schokoladen, ohne eine davon kosten zu wollen; ich streichle über die Kleidungsstücke aus feiner Alpakawolle, ohne eines davon besitzen zu wollen.

Meine Sehnsucht ist gestillt.

Welt der Frauen April 2021

 

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Foto: privat