Wer sich für Geschichte und Geschichten interessiert, kann hier tief eintauchen, wird nicht mit Folklore vom Schwarzen und Düsteren der Orte abgelenkt und lernt Seite um Seite viel dazu.
Vermessung von Land und Stadt Salzburg
Hier wurde intensiv recherchiert, archiviert, geordnet und in Form gebracht. Man muss nicht bei Kapitel 1 beginnen, aber man kann natürlich. Fünf Kapitel, gefüllt mit gelüfteten Geheimnissen, sowie ein umfangreicher Anhang machen die Lektüre zum Genuss und zum Beginn eigenen Nachdenkens über Orte im Bundesland Salzburg.
„Hexen, Zauberer und Legenden“, „Verbrechen, Strafe und Tod“, „Krankheiten und Katastrophen“, „Gewalt, Kampf und Vertreibung“ sowie „Zweiter Weltkrieg und Nationalsozialismus“ sind jene Kapitel, durch die man sich mit wachsendem Staunen und Interesse liest. Ich wohne seit 1978 in Salzburg und entdecke auf diesen Routen immer neue Plätze und damit verbunden auch neue Geschichten. Wenn der verstorbene Chronist Bernhard Iglhauser im Salzburger Umfeld, genauer in Thalgau, von der Bücherverbrennung in diesem beschaulichen Ort schreibt, eröffnet sich das Ausmaß der dortigen Bücherverbrennung.
„Mehr als 800 Bücher aus der Gemeindebibliothek wurden von Abordnungen der Schutzstaffel (SS), der Hitlerjugend und der Sturmabteilung (SA) verbrannt. Initiiert hatte das Ereignis der ehemalige Oberlehrer und bekennende Nationalsozialist Alois Behensky.“
Die Ausmaße der Bücherverbrennung sind weitreichend, nicht nur für die physischen Bestände der Bibliotheken. Hier lassen die beiden Autorinnen den Salzburger Germanisten Karl Müller zu Wort kommen, der diese Ereignisse in den richtigen Rahmen zu setzen weiß: „Das bedeutet Gedächtnisverlust. Ohne Bücher wären wir eine erinnerungslose Gesellschaft, mit der man alles machen kann.“ (Seite 120)
Dass „jüdische Bücher“ der gelisteten 50 AutorInnen, darunter Schnitzler, Zweig, Werfel und Lasker-Schüler, von Lehrern, von Pädagogen „den Flammen“ übergeben wurden, sollte mehr denn je zu denken geben. Besonders dieses Kapitel in seiner Differenziertheit, in der Rückbesinnung auf Heinrich Heines Zitat „Das war ein Vorspiel nur, dort, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“ macht das Buch zu einem Lehrbuch. Zu einem Buch, das in keiner Bibliothek fehlen soll/darf. Zu einem Buch, das Material für unzählige Geschichtsstunden und Unterrichtseinheiten in der Erwachsenenbildung bietet. Einfach zu schade, um es „nur“ zu lesen und dann ins staubfreie Bücherregal der Bildungsbürgerlichkeit zu stellen.
Was Sie versäumen, wenn Sie diese Orte nicht besuchen:
Mystik, Geheimnisvolles, den Blick hinter das Offensichtliche, neue Facetten bekannter Salzburger Plätze/Orte, quasi das Buch zum gleichnamigen Podcast der Autorinnen.
Anna Boschner:
in Prien am Chiemsee geboren, studierte Geografie- und Kommunikationswissenschaft in Salzburg und ist Redakteurin bei den Salzburger Nachrichten.
Simona Pinwinkler:
in Salzburg geboren, studierte Germanistik, Geschichte und Politische Bildung in Salzburg und ist Redakteurin bei den Salzburger Nachrichten.
Anna Boschner/Simona Pinwinkler:
Schattenorte.
Geschichten und Geheimnisse in Salzburg.
Salzburg: Verlag Anton Pustet 2024.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
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