Eine sympathische Ermittlerin und viele überhebliche Stars spielen hier Katz und Maus: Die Autorin schickt ihre LeserInnen quer durch Zürich, lockt sie auf mehrere falsche Fährten und lässt sie die Stadt und so manchen menschlichen Abgrund erforschen.
Leichen, Liebe und Leidenschaft
Die Seepolizistin Rosa Zambrano nimmt einen sofort für sich ein: eine kluge, ehrgeizige und fleißige Frau, die Freundschaften pflegt und eine aufrichtige Kollegin und engagierte Ermittlerin ist. In Sachen Liebe hat sie nicht immer Glück, aber das macht vielleicht auch den Reiz ihrer Liebe zu Leo aus. Sie will Zürich nicht verlassen, sich beruflich nicht wirklich verändern und liebt ihr Zuhause. Hier hat sie vieles selbst gemacht, etwa den Küchenboden eigenhändig mit den provenzalischen Steinkacheln gefliest.
Die Diskrepanz zwischen dem liebevoll gestalteten Zuhause und dem energischen Auftreten im Außen charakterisiert die Ermittlerin: Weder lässt sie sich auf ihren Kollegen ein, noch kann sie mit Leo abschließen, noch fühlt sie sich in ihrer Familie wirklich wohl. Das geht auch anderen in diesem Züricher Krimi so: Idyllen werden als kleine Vorhöllen enttarnt und Verbitterung durchzieht so manche Komposition aus Reich und Schön.
„Vom Hausberg aus betrachtet, hätte der Zürichsee auch nur ein Fluss sein können, ein silberner Strom, der sich in der früh einbrechenden Abenddämmerung zwischen Hügelketten hindurchwand ...“
Ein Brand im Hafen Enge läutet nicht nur die erste Mordermittlung ein, sondern zieht Rosa in ein wirres Netz aus Lügen und Verleumdungen: Dass es sich bei dem Brand nicht um einen Unfall oder die Tat einiger Betrunkener handeln kann, ist schnell klar. Mehrere Boote sind betroffen, mit ihnen versinkt wichtiges Beweismaterial im See und die spärlichen Zeugen wollen nicht so recht mit der Wahrheit herausrücken. Dass dabei auch das Vorzeigebauprojekt „Urban Utopia“ eine zentrale Rolle spielt, erhöht die Spannung. Machtstreben, Profitgier und finanzielle Verstrickungen zwischen alten Freunden werden nach und nach von den ErmittlerInnen aufgedeckt: Der Hotelier Martin Engler kann seine glänzende Fassade nicht sehr lange aufrecht halten, und das hat nicht nur mit der Brandstiftung auf seinem eleganten Boot, der Amethyst, zu tun. Ob er auch nichts mit der dort entdeckten Leiche, der Tochter der Stararchitektin, zu tun hat?
Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Kriminalroman nicht lesen:
Klar, zuerst einmal Spannung, dicht gefolgt von Liebesbeziehungen, eine starke Frau mit kühlem Kopf, komplizierte Familienkonstellationen rund um mehrere Anschläge beziehungsweise Morde, Witz, Auseinandersetzung mit der Realität von Familie und Familienkonstellationen.
Seraina Kobler:
1982 in Locarno geboren, Studium der Kulturwissenschaften und Linguistik, arbeitete als Journalistin unter anderem bei der Neuen Züricher Zeitung. Jetzt ist sie freie Autorin. Ihr Debütroman, ihr erster Zürich-Krimi, trägt den Titel „Tiefes, dunkles Blau“.
Seraina Kobler:
Nachtschein. Ein Zürich-Krimi.
Zürich: Diogenes 2023.
Christina Repolust
Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
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