Buchempfehlung: „Die Jungfrau“

Buchempfehlung: „Die Jungfrau“
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  • Veröffentlicht: 21.02.2024
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Ein Roman über die Freundschaft zweier Mädchen in den 1960er-Jahren, die sehr unterschiedlich sind und sich noch unterschiedlicher entwickeln.

Gloria, wer bist du eigentlich?

Ausgerechnet an ihrem 70. Geburtstag erhält die Ich-Erzählerin Moni einen Brief von der Nichte ihrer Kindheits- und Jugendfreundin Gloria – Moment, könnte Moni Monika Helfer, die Autorin, die Ich-Erzählerin sein? Sofort erwachen Monis Erinnerungen an damals, als sie mit ihren beiden Schwestern in der Südtirolersiedlung auf engem Raum wohnt, während Gloria und ihre Mutter „residieren“.

„Dass Tee verschiedene Namen haben konnte, hatte ich bis dahin nicht gewusst. Bei uns hieß er: Schwarztee. Bei Gloria wurde unterschieden – Earl Grey, Darjeeling, Assam, Ceylon. Am elegantesten schmeckte mir Earl Grey.“
Seite 12

Gloria lebt mit ihrer Nichte Klara, wie es scheint, einsam inmitten vieler Erinnerungen. Besonders viele scheint sie an ihre Freundin Moni zu horten. Sie lese jedes Interview mit ihr, sei also bestens informiert, erklärt die einstige, doch jetzt so abgemagerte Schönheit in ihrem Kimono, der ihr viel zu weit ist und das Markenzeichen ihrer unglücklichen, sich mit Süßem vollstopfenden Mutter war, die sich ihre einst so schöne Taille zugefressen hatte.

Erinnerungen prägen diese Begegnungen und damit die Geschichte, Zärtlichkeiten lassen aufhorchen. Gloria wünscht sich, dass ihr Moni die Haare wasche und gesteht ihr dabei, sie „habe noch nie“ – ein Geheimnis, das Moni kennt. Sie kehrt nach dem Besuch gern zu Michael in ihr Daheim zurück, doch Gloria taucht wieder und wieder in ihren Gedanken auf.

Einmal sind sie aus der Enge ihrer Kindheit und Jugend ausgebrochen: Exakt einen Tag nach Monis 17. Geburtstag machten sie sich in die Schweiz nach Zürich auf. Beide hatten daheim über diese Reise gelogen, und Gloria hatte zudem ihrer Mutter viel Geld gestohlen. Der Trip sollte von Luxus geprägt sein und sie über den Zürcher Flughafen nach New York führen. Dort wollte sich Gloria endlich entjungfern lassen, schließlich würde sie bald als Schauspielstudentin in Wien leben. Eine Jungfrau! Das ginge gar nicht! 

In acht Kapitel teilt Helfer die Erinnerungen und die Dialoge der aktuellen Begegnungen: Zwei Mädchen, zwei junge Frauen – die eine schüchtern, die andere vordergründig offenherzig – wollen ihren Platz in der Welt finden, ihre Familien endgültig verlassen, Abenteuer und Liebe erleben. Glorias heimliche und tragische Liebe ließ sie ihr Studium am Reinhard Seminar abbrechen – eine Liebesbeziehung, die grotesk, verstörend, zerfleischend und fantastisch war. Moni war die Kornzeugin dieser Zeit.

Erinnerungen werden geteilt, Schmerz wird noch einmal gemeinsam durchlitten, Zeit und Geld sind für diese Momente bedeutungslos geworden.

Was Sie versäumen, wenn Sie diesen Roman nicht lesen:

Liebe, Freundschaft, Wahnwitz, stille Momente, Gedanken darüber, wie sich Reichtum und Armut in Kinderseelen festschreiben, Aufbrüche, Sehnsüchte …

Monika Helfer:

1947 in Au/Bregenzerwald geboren, lebt mit ihrer Familie in Vorarlberg. Bücher wie „Löwenherz“, „Vati“ und „Die Bagage“ geben Einblicke in ihre Kindheit, Familie, den Vater, den Bruder und erzählen darüber hinaus doch so viel mehr. „Die Bar im Freien“ oder „Bevor ich schlafen kann“ sind eindeutige weitere Leselieben von mir.

Monika Helfer: Die Jungfrau.
München: Hanser 2023.

Christina RepolustChristina Repolust

Ihre Leidenschaft zu Büchern drückt die promovierte Germanistin so aus: „Ich habe mir lesend die Welt erobert, ich habe dabei verstanden, dass nicht immer alles so bleiben muss, wie es ist. So habe ich in Romanen vom großen Scheitern gelesen, von großen, mittleren und kleinen Lieben und so meine Liebe zu Außenseitern und Schelmen entwickelt.”
www.sprachbilder.at