„Warum lachst du nicht?“ – Ein Fotokunstprojekt macht häusliche Gewalt sichtbar.

„Warum lachst du nicht?“ – Ein Fotokunstprojekt macht häusliche Gewalt sichtbar.
eSeL.at-Joanna Pianka
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  • Veröffentlicht: 15.11.2024
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Der Künstler Robert Fleischanderl portraitiert 14 Frauen, die von Gewalt betroffen sind. Dabei zeigt er nicht ihre Gesichter, sondern ihre Wohnungen – weil häusliche Gewalt alltäglich ist.

Die Ausstellung wurde noch vor der Eröffnung von Unbekannten zerstört. Wie haben Sie auf diese Gewalt reagiert?

Im ersten Moment pragmatisch. Termine stehen an, man muss weiterarbeiten. Wir haben uns dann aber dazu entschlossen, dass wir die Bilder notdürftig reparieren, sprich: mit Klebeband wieder zusammenfügen. Es war wie ein Puzzlespiel, weil von den insgesamt vier zerstörten Bildern einige völlig zertrümmert waren. Jetzt sieht man alle Brüche, Risse, die ganze Zerstörung – aber auch die Klebebänder. Es wirkt jetzt wie eine frisch verarztete Wunde und die Gewalt wird dadurch doppelt sichtbar. Darum habe ich auch beschlossen, dass wir die Bilder nicht austauschen werden.

Die Bilder zeigen scheinbar harmlose Bilder von Wohnungen Betroffener. Was wollen Sie damit bewirken?

Zum Schutz der betroffenen Frauen muss deren Anonymität unbedingt gewahrt werden – daher waren klassische Porträts von Vornherein ausgeschlossen. Ich wollte auch keine „Gewaltpornografie“ zeigen, keine Frauenleichen oder Blutflecke, nichts dergleichen. Was bleibt dann übrig, das ich mit Fotografie erzählen kann? Die Konzeptionsphase hat ein halbes Jahr gedauert, bis ich eine Lösung gefunden habe: Ich habe Bilder gemacht von Räumen und Gegenständen aus unterschiedlichen Wohnungen, völlig banal und nüchtern. Aber genauso banal wie diese Bilder ist auch die Gewalt. In Kombination mit den Texten aus den Verfahrensakten entsteht die eigentliche Geschichte – weder die Bilder noch die Texte erzählen sie explizit, die Geschichten entstehen im Kopf der Betrachtenden. Es ist hocheffizientes Kopfkino.

Ein Eisbär und daneben der Text:
MuseumsQuartier, Robert Fleischanderl

Der Titel der Ausstellung, das Zitat „Warum lachst du nicht?“ stammt aus einer der Verfahrensakten?

Ja, aus dem Einvernahmeprotokoll einer Frau, die ihren Partner dort zitiert. Das ganze Zitat lautet: „Warum lachst du nicht? Was versteckst du da? Was ist das? Was ist in deinen Gedanken? Wenn du ein Foto mit mir machst, musst du lachen und zeigen, dass du glücklich bist bei mir.“

Was hat die Arbeit mit dem Thema in Ihnen selbst ausgelöst?

Ich bin zu diesem Thema gekommen, weil die damalige Geschäftsführerin der Gewaltschutzzentren Niederösterreich gefragt hat, ob ich mir vorstellen kann, dazu ein Projekt zu machen. Ich habe schon öfter Kunst an der Schnittstelle zum Sozialen gemacht, aber das Thema Gewalt war mir neu und ich habe bei Null zu recherchieren begonnen. In der Konzeptionsphase war das ein ausschließlich akademischer Zugang. Beim Fotografieren dann, zuhause bei den Frauen, war es etwas anders. Da ist es real geworden. Das Bemerkenswerteste und Beeindruckendste dabei war: Ich habe nicht 14 Opfer kennengelernt. Sondern 14 starke Frauen, die sich ihr Leben zurückerobert haben. Das war wirklich beeindruckend.

Was wünschen Sie sich, dass Ihre Ausstellung bewirkt?

Quer durch alle sozialen Schichten, alle Altersgruppen wünsche ich mir Bewusstsein für dieses Thema, das ein riesengroßes, gesellschaftliches Problem ist – aber im Stillen und Heimlichen passiert. Von den Zahlen her ist es eines der gravierendsten Probleme überhaupt – von Täterseite wird ja auch alles dafür getan, es unter den Teppich zu kehren und den Schein zu wahren. Für junge Frauen und Mädchen wünsche ich mir, dass sie sensibel werden auf erste Anzeichen für Gewalt in Beziehungen. Für Frauen, die betroffen sind, dass sie sich Hilfe holen – in Gewaltschutzzentren, Frauenhäusern, Beratungsstellen. Es gibt viele Möglichkeiten und sie sind nicht allein.

Was wäre Ihr Appell an Männer?

Vor allem von jungen Männern wünsche ich mir, dass sie ihr Männlichkeitsbild überdenken. Dass sie hinterfragen, wie sie sich als Männer verhalten, dass sie den typischen „Locker Room Talk“ nicht verharmlosen. Dass sie sich fragen: Was ist Männlichkeit überhaupt? 97 Prozent der Täter sind Männer, die Statistik ist eindeutig. Aber es ist ein gesamtgesellschaftliches Problem, das uns alle betrifft.

Ein Bild von Kuscheltieren und daneben der Text:
MuseumsQuartier, Robert Fleischanderl

Das Kunstprojekt von Robert Fleischanderl, „Warum lachst du nicht? 14 Geschichten über häusliche Gewalt“ wurde initiiert von Michaela Egger (Gewaltschutzzentren Niederösterreich). Zu sehen sind die Bilder und Texte am Wiener Heldenplatz, dem Burgring und vor dem MuseumsQuartier.

Das gleichnamige Buch zur Ausstellung ist im Kehrer Verlag erschienen.